Kardinal Tarcisio Bertone reist nach Armenien und Aserbaidschan. Das wurde an diesem
Dienstag im Vatikan bekannt gegeben. Der Kardinalstaatssekretär will am 2. März zu
seiner Reise aufbrechen und zunächst in Armenien mit „Katholikos“ Karekin II. zusammentreffen.
Am 6. März reist er nach Aserbaidschan weiter, um mit Religionsführern zu sprechen
und in Baku eine neue Kirche einzuweihen. Am 9. März wird die Nummer Zwei des Vatikans
in Rom zurückerwartet. Die Auseinandersetzungen zwischen den beiden Kaukasus-Republiken
hatten noch in sowjetischer Zeit mit dem Progrom an Armeniern in der azerbaidschanischen
Industriestadt Sumgait am 27. Februar 1988 begonnen. Die Ereignisse von Sumgait vor
20 Jahren wirkten in der gesamten damaligen Sowjetunion als dramatisches psychologisches "Erdbeben":
Unter den Bedingungen des "realen Sozialismus" hatte sich eine Ungeheuerlichkeit ereignet,
ohne dass die Miliz, das KGB, die KPdSU usw. eingegriffen hätten. Vor 1988 hatten
mehr als 500.000 Armenier in Azerbaidschan gelebt, vor allem in der kosmopolitischen
Erdölmetropole Baku, in Sumgait waren 20.000 Armenier ansässig. Nachdem Michail Gorbatschow
in der UdSSR die Zügel gelockert hatte, waren die Armenier die einzige Bevölkerungsgruppe
in Azerbaidschan, die das Bestreben der neo-nationalistischen Azeri-Bourgeoisie nach
Hegemonie in allen gesellschaftlichen Bereichen in Frage stellen konnten. Die Vorstellung,
dass Armenier wie vor der bolschewistischen Machtergreifung 1917/18 in Baku eine wichtige
Rolle in der Erdölwirtschaft spielen könnten, sei für die Azeri-Eliten ein Albtraum
gewesen, heißt es in Analysen der Situation in den Kaukasus-Republiken. Die Ereignisse
von Sumgait seien der Auftakt zur "ethnischen Säuberung" Azerbaidschans von den Armeniern
gewesen. Zwischen 1988 und 1990 sei die armenische Existenz in Azerbaidschan vollständig
vernichtet worden. Die Probleme um Nachitschewan (eine azerbaidschanische Enklave
in Armenien) und Arzach oder Nagornij-Karabach (eine armenische Enklave in Azerbaidschan)
seien dann nur noch "Konsequenzen" gewesen. In beiden Enklaven hätten nationalistisch
eingestellte Politiker die physische und kulturelle Präsenz der jeweils anderen Volksgruppe
auslöschen wollen.