Die Kritik an Sachsen-Anhalts
Ministerpräsident Wolfgang Böhmer reißt nicht ab. Böhmer hatte laut dem Magazin „Focus“
die höhere Zahl von Kindstötungen im Osten der Bundesrepublik damit erklärt, dass
es dort - infolge der in der DDR erlaubten Abtreibungen - „eine leichtfertigere Einstellung
zum werdenden Leben“ gebe. Böhmer erklärte nun am Montag in Berlin, das Magazin habe
nur Teile des Interviews veröffentlicht. Das Magazin wies den Vorwurf zurück. Hans
Joachim Meyer vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) nimmt Böhmer im Interview
mit dem Kölner Domradio in Schutz.
„Böhmer hat eine Frage gestellt und
damit eine Vermutung geäußert, mit der man sich sachlich auseinandersetzen muss. Das
allgemeine Geschrei weckt bei mir eher den Verdacht, man wolle überhaupt nicht über
solche Fragen diskutieren und das finde ich bestürzend. In der DDR gab es ein radikales
Fristenmodel. Es gab dort weder eine Beratungspflicht noch gab es überhaupt irgendwelche
Einwende gegen Abtreibung. Daher finde ich eine Gleichsetzung zwischen jenem System
und der heutigen Problematik der Kindstötung falsch, es sei denn, man betrachte die
gesetzliche Regelung der Bundesrepublik als eine Regelung, die im Vergleich zum System
in der DDR Fehler ausweist.“
Meyer, der selbst aus Ostdeutschland stammt,
warnt vor Vereinfachungen.
„Ob die Tatsache, dass manche Frauen in der DDR
das radikale Fristenmodel dazu benutzt haben, um Probleme der persönlichen Lebensplanung
auf diese Weise zu lösen und aus diesem Hintergrund eine Haltung entstanden sein sollte,
die sich dann auch auf das geborene Leben auswirkt, das ist die zentrale Frage, der
wir uns stellen müssen. In der Tat ist die Realität sehr komplex. Doch die Verantwortung
der Abtreibung lag und liegt immer in gleicher Weise bei der Frau und beim Mann.“