2008-02-26 10:14:58

Brasilien: „Lebensschutz ist keine religiöse Frage"


RealAudioMP3 Sobald sich in Brasilien der Strassenkarneval ausgetobt hat, kommt – in der Fastenzeit – die so genannte Kampagne der Brüderlichkeit. Brasiliens Oberhirten denken sich jedes Jahr ein Schwerpunktthema aus, um das die Fastenzeit kreist: die Rechte der Landlosen, das harte Leben der Indianer am Amazonas... Dieses Jahr geht es um den Lebensschutz. Und das, weil in ganz Lateinamerika immer mehr Linksregierungen die Dämme durchlöchern, die katholisch inspirierte Regime im Lauf der Jahrhunderte aufgeworfen haben.

„Das Leben ist doch bedroht, wo man nur hinsieht“, sagt Kardinal Odilo Scherer, der deutschstämmige Erzbischof von Sao Paolo. „Man sieht es doch oft nur noch unter Nützlichkeits-Kriterien, ohne an den Wert der Person zu denken. Die Kirche in Brasilien will die ganze Gesellschaft dazu bringen, doch mal in aller Ruhe über dieses Thema nachzudenken. Wir wollen keine Aggressionen gegen das menschliche Leben, also weder Abtreibung, Euthanasie noch Stammzell-Forschung an Embryonen.“

Vor allem das Thema Abtreibung ist in Brasilien akut. Zwar ist das Gesetz eindeutig: Abtreibung ist verboten. Dennoch steigt die Zahl der Abtreibungen seit Jahren immer weiter an. Ärzte schätzen, dass in Brasilien bereits jede dritte Schwangerschaft abgebrochen wird. Da die Patientinnen oftmals keine andere Wahl haben, als sich in die Obhut von irgendwelchen dubiosen Hinterhofkliniken zu begeben, sterben jährlich tausende Frauen als Folge der Eingriffe.

„Aber zu vielen Abtreibungen kommt es nur, weil das Kind jetzt vielleicht in einem nicht ganz idealen Zeitpunkt kommt, oder weil die Frau jetzt im Moment kein Kind will. Es gibt doch so viele Gründe, aus denen heutzutage abgetrieben wird: weil das gerade bequem ist, weil das auch für die Gesellschaft einfacher ist und für die Betroffenen. Aber das ist eine grobe Ungerechtigkeit gegen die Person, die da ihr Leben verliert – gegen den Embryo, das ungeborene Kind.“

Kardinal Scherer leugnet nicht, dass viele Frauen in großen Notlagen Abtreibung als letzten Ausweg sehen, und dass das für viele Frauen und Männer große Gewissensnöte bedeutet. Aber der Kardinal will doch am christlichen Traum vom Leben festhalten, am positiven Entwurf, der jeden zu seinem Recht kommen lassen will, auch den Allerungeschütztesten. Internationale Hilfsorganisationen weisen darauf hin, dass Brasilien trotz des Verbots eine der höchsten Abtreibungsraten der Welt hat: Nach Angaben des Gesundheitsministers rund 1,5 Millionen Eingriffe pro Jahr. Das Parlament debattiert derzeit über einen Gesetzesentwurf, der Abtreibung bis zur zwölften Woche erlauben soll. Bei Vergewaltigungen soll eine Obergrenze von maximal 20 Wochen gelten.

„Es geht hier nicht um eine rein religiöse Frage“, sagt Kardinal Scherer – „das geht alle an. Auch das Leben der Nichtchristen ist wichtig und muß in jeder Phase respektiert werden. Und auch, wer nicht an Gott glaubt, muss das Leben der anderen respektieren. Hier geht es nicht um Religion, sondern um Ethik. Es muss doch auch mal deutliche Worte für das Leben geben, wo heutzutage doch sonst alle dem vorzeitigen Abbrechen des Lebens das Wort reden...“

(rv 26.02.2008 sk)








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