Mit der größten Demonstration
seit dem Sturz von Machthaber Slobodan Milosevic vor gut sieben Jahren hat Serbien
gegen die Unabhängigkeit des Kosovos protestiert. Rund 200.000 Menschen strömten am
Donnerstag aus allen Teilen des Landes zu einer größtenteils friedlichen Kundgebung
nach Belgrad. Aus Protest gegen die Anerkennung der abgespaltenen Provinz griffen
am Rande Randalierer die US-Botschaft an. Das Gebäude war seit Anfang der Woche geschlossen. Die
bislang autonome serbische Provinz mit mehrheitlich albanischer Bevölkerung hatte
am Sonntag einseitig die Unabhängigkeit erklärt. Vertreter der serbisch-orthodoxen
Kirche kritisierten diesen Schritt. Der serbische Bischof Artemje hatte davor gewarnt,
dass der Kosovo zu einem zweiten Palästina werde. Im Nahen Osten ist die einseitige
Unabhängigkeitserklärung auf kritisches Echo gestoßen. Einer der engsten Berater von
Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, Jasser Abed Rabbo, hatte als Reaktion auf die
ergebnislosen Gespräche mit Israel eine Staatsgründung nach Vorbild des Kosovo vorgeschlagen.
Abbas selbst schloss dies jedoch in naher Zukunft aus. Die Gefahr des Präzedenzfalles
sei nicht gegeben, bestätigt der Leiter des Jerusalemer Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung,
Lars Hänsel: „Beide Seiten setzen ganz klar auf eine Verhandlungslösung, die
zwar im Moment nicht vorangeht, aber immer noch als einziger Weg gesehen wird. Es
gab ja bereits eine ähnliche Situation, in der ein Palästinenserstaat einseitig ausgerufen
wurde, das war 1988, vor dem Osloprozess, bevor die Palästinenser Autonomie und Kontrolle
über ein Territorium hatten. Später hatte Arafat im Jahr 2000 während des Osloprozesses
mehrfach gedroht, einen Palästinenserstaat einseitig auszurufen. Das hat er am Ende
doch nicht gemacht, weil er genau wusste, dass damit seine Verhandlungsposition extrem
geschwächt würde. Ich glaube, dass eine einseitige Ausrufung im Moment ganz klar von
beiden Seiten abgelehnt wird. Von israelischer Seite könnte das nie anerkannt werden,
und das wissen auch die Palästinenser.“ Avigdor Liebermann, ehemaliger Vize-Premier
Israels und umstrittener Zionist stellte die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo in
Zusammenhang mit der arabischen Bevölkerung Israels. Dazu Hänsel: „Er meinte,
dass diese einseitigen Schritte eher ein Thema wären für die Araber in Israel, also
die 20 Prozent, die auf israelischem Staatsgebiet leben. Da gibt es eine zunehmende
Entfremdung vom israelischen Staat, aber auch da halte ich eine Sezession für völlig
ausgeschlossen, weil die Araber zwar mit ihrem Status in Israel unzufrieden sind,
aber auf alle Fälle im israelischen Staat bleiben wollen.“ Die USA und die
Mehrheit der Europäischen Staaten unterstützen den unabhängigen Kosovo. Spanien und
Zypern sind skeptisch, befürchten ähnliche separatistische Tendenzen in ihrem Land.
Entschieden auf der Seite Belgrads steht Russland. Für Israel liegt hier das politische
Problem. Man befürchtet, so Israel-Experte der Konrad-Adenauer-Stiftung, „dass
mit einer Anerkennung des Kosovo Russland aus hiesiger Sicht unnötig verprellt wird,
und dass man den Einfluss auf Russland ganz verliert; etwa wenn es um die konstruktivere
Rolle Russlands beim Iranproblem geht. Es ist jetzt aus hiesiger Sicht noch schwieriger
geworden, Russland zu gewinnen, und das sieht man hier mit großer Sorge.“ (rv/reuters
22.02.2008 bp)