„Herz spricht zu Herz“ - Kardinal Newmann (1801-1890)
Am 21. Februar 1801
ist John Henry Newman geboren. Als vom Anglikanismus Konvertierter ist der spätere
Kardinal sicher eine Ausnahmegestalt. Sein Seligsprechungsprozess ist weit fortgeschritten,
der zuständige Präfekt Kardinal Jose Saraiva Martins sagte im Januar, die Seligsprechung
stehe „unmittelbar bevor“. Wer aber war eigentlich Kardinal Newman? Ein Portrait von
Anna Giordano:
John Henry Newman wird am 21. Februar 1801 in London als Sohn
eines Bankiers und erstes von insgesamt sechs Kindern geboren. Er wird anglikanisch
getauft und wächst im Milieu eines christlich geprägten Bildungsbürgertums auf. Mit
15 Jahren hat er ein erstes und prägendes spirituelles Erlebnis. In seiner später,
mit 63 Jahren verfassten Glaubensautobiographie „Apologia pro vita sua“ schreibt er
dazu:
Als ich fünfzehn Jahre alt war (im Herbst 1816) ging in meinem Denken
eine große Änderung vor. Ich kam unter den Einfluss eines bestimmten Glaubensbekenntnisses,
und mein Geist nahm dogmatische Eindrücke in sich auf, die durch Gottes Güte nie mehr
ausgelöscht und getrübt wurden. Ich glaubte, dass die innere Konversion, die sich
bewusst in mir vollzog, und deren ich auch jetzt noch sicherer bin als der Tatsache,
Hände und Füße zu besitzen, bis in mein nächstes Leben hinein andauern würde und dass
ich zu ewiger Glorie erwählt war.
Günter Biemer von der Deutschen Newman-Gesellschaft
erkennt in diesem Erlebnis einen bestimmenden Grundzug für das gesamte Leben:
„Das
ist die eigentliche Bedeutung dieser ersten Konversion, wo er sagt: Ich fand Ruhe
in dem Gedanken, dass es zwei und nur zwei Wesen gebe, die absolut und von einleuchtender
Selbstverständlichkeit sind, ich selbst und mein Schöpfer. Und diese Gewissheit der
Existenz Gottes hat ihn nie mehr in seinem Leben verlassen, wie er bezeugt. Darin
ist er immer fest geblieben, und das war für ihn entscheidend.“
Ab 1817
studiert Newman am Trinity College in Oxford Theologie. Nach seinem Studium wird er
Dozent am Oriel College der Universität Oxford. Mit nur 23 Jahren wird Newman
zum Diakon geweiht, ein Jahr später folgt die Ordination zum Pfarrer der „Church of
England“. Er ist jetzt zu gleichen Teilen akademischer Lehrer und Gemeindeseelsorger.
In den Jahren 1832/33 unternimmt Newman eine Mittelmeerreise, die ihn auch nach Rom
führt. Auf Sizilien erkrankt Newman schwer an einem Seuchenfieber, doch er erkennt:
Ich werde nicht sterben, denn ich habe nicht gegen das Licht gesündigt.
[…] Ich habe ein Werk in England zu vollbringen.
Nach seiner Rückkehr aus
Italien wird Newman zu einem Exponenten der so genannten „anglo-katholischen“ Bewegung.
In seiner Oxforder Gemeinde führt er 1834 den täglichen Gottesdienst ein und hört
1837 erstmals die Einzelbeichte. Gegen seine zunehmende Isolation innerhalb der anglikanischen
Kirche stemmt er sich zunächst hartnäckig. In den Jahren vor seiner Konversion zweifelt
er stark, ob ein Übertritt zur katholischen Kirche der richtige Weg sei. Er überwindet
den Zwiespalt durch das Studium der Patristik. Später sagt er:
Die Väter
haben mich katholisch gemacht, und ich werde die Leiter nicht mehr zurückstoßen, auf
der ich in die Kirche hineingestiegen bin.
1843 legt Newman sein Pfarramt
in Oxford nieder. Im Oktober 1845 tritt er von seiner Lehrtätigkeit am Oriel College
zurück. Wenige Tage später lässt er sich von dem italienischen Passionistenpater Domenico
Barberi in die katholische Kirche aufnehmen. Es folgt ein Studienaufenthalt in Rom,
wo er am Dreifaltigkeitssonntag 1847 zum Priester geweiht wird.
Newman tritt
in den Oratorianerorden des Heiligen Philipp Neri ein. Wieder in England gründet er
zwei Niederlassungen dieser Gemeinschaft. Als deren Leiter betreut er Konvertiten
und konversionsbereite Anglikaner. 1879 nimmt Papst Leo XIII. John Henry Newman in
das Kardinalskollegium auf. Als Wappenspruch wählt Newman: Cor ad cor loquitur, auf
Deutsch: „Herz spricht zu Herz“. In den achtziger Jahren verschlechtert sich der Gesundheitszustand
Newmans zusehends. Er stirbt am 11. August 1890 in seinem Oratorium bei Birmingham.
Die
Persönlichkeit, die geistige und seelische Kraft Newmans strahlen nach Meinung von
Günter Biemer aus bis in die heutige Zeit.
Bei einem der großen Newman-Kongresse
im Oriel College in Oxford waren die noch verbliebenen Teilnehmer in der Kapelle zusammen
zu einem Abschlussgottesdienst, die ein amerikanischer Studentenpfarrer hielt; und
er hat nun plötzlich in seiner Predigt die Frage gestellt: Newman sei doch für viele
der Weg zum Glauben überhaupt geworden. Wie viele der hier Anwesenden sind denn durch
Newman konvertiert? Ich fand das eine schwierige Frage, aber da war ich als Deutscher
in einer falschen Verfassung, denn rings um mich haben sich Hände erhoben, die Leute
haben fröhlich und mit Freude bekannt, dass sie Konvertiten waren, dass sie durch
Newman zur Konversion gekommen waren. Ich meine, es sind ein Drittel bis zur Hälfte
der Anwesenden gewesen. Das war Anfang der 90er Jahre. Also, Newman hat noch 100 Jahre
nach seinem Tod eine so große Wirkungsgeschichte und ich denke, dass dies mit der
Grund ist, weshalb er von all diesen Leuten als Seliger oder Heiliger verehrt wird.
Das
Lebenswerk Newmans, die „Apologia pro vita sua“ wird in der Literatur häufig mit den
„Confessiones“ des heiligen Augustinus verglichen. Günter Biemer:
Wenn
Newman ein Heiliger wird, dann würde ich sagen, wird er auch eine Art Kirchenvater.
Weil sein Werk eine ungeheure auch inhaltliche Bedeutung hat. Die Art, wie er seinen
Weg gefunden hat als einen Weg des Gewissens, aus der anglikanischen Kirche heraus
in die katholische Kirche hinein…
Das Ringen um die wahre Kirche und den
richtigen Glauben habe das gesamte Leben Newmans bestimmt.
Es wird wenige
Menschen in der Welt geben, die so genau ihr Leben präzisiert haben und es immer wieder
daraufhin bedacht haben, in welchem Verhältnis sie zu Gott stehen.