2008-02-21 14:11:50

Türkei: Neues Stiftungsrecht


RealAudioMP3 Gegen den erbitterten Widerstand der Opposition hat das türkische Parlament am Mittwochabend das so genannte Stiftungsgesetz verabschiedet. Es weitet die Eigentumsrechte der christlichen Kirchen aus, wenn es aus ihrer Sicht auch nicht der erhoffte „große Wurf“ ist. Das Gesetz passierte das Plenum mit den Stimmen von 242 der 314 anwesenden Abgeordneten. Vorangegangen war eine heftige Debatte, in der Abgeordnete der Opposition der regierenden AKP den „Ausverkauf nationaler Interessen an die Christen und Juden“ vorwarfen.

Das neue Stiftungsgesetz sieht unter anderem die Rückgabe enteigneten Besitzes an kirchliche Stiftungen vor. Die Regierungsfraktion hatte das Gesetz schon einmal im November 2006 verabschiedet; die Umsetzung scheiterte aber am Veto des damaligen Staatspräsidenten Ahmet Sezer. Diesmal aber gilt die Unterschrift des neuen Präsidenten Abdullah Gül als sicher. Auch bei den christlichen Kirchen herrscht aber wenig Begeisterung über die Neuregelung. Sie beklagen vor allem, dass sie nur „kürzlich“ – das heißt seit den siebziger Jahren – enteignete Immobilien vom Staat zurückfordern können. Zudem ist keine Restitution von Immobilien vorgesehen, die vom türkischen Staat seither an Dritte veräußert wurden. Die christlichen Kirchen sind – ebenso wie die Jüdische Gemeinschaft – in der Türkei mangels Rechtspersönlichkeit in Form vieler „frommer Stiftungen“ organisiert, wie es der islamischen Vorstellung der „wakf“ entspricht. Vor 1914 zählten diese Stiftungen – vor allem solche der orthodoxen Kirche – zu den größten Grundeigentümern im Osmanischen Reich. Es geht bis heute um Tausende Grundstücke und Gebäude, deren Wert vorsichtig mit 150 Milliarden Dollar beziffert wird. Mit dem Gesetz erfüllt die Türkei eine der Forderungen der Europäischen Union für einen Beitritt Ankaras. Die EU hat die Achtung der Religionsfreiheit und die Einhaltung der Menschenrechte als Prioritäten für Fortschritte in den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei bezeichnet. Doch auch nach dem Parlamentsentscheid vom Mittwochabend bleibt die Lage der christlichen Kirchen in der Türkei prekär, weil der Staat die Anerkennung eines öffentlich-rechtlichen Status für die Kirchen verweigert.
(kap 21.02.2008 sk)







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