Katholische Denkerinnen
plädieren für eine konstruktive Auseinandersetzung mit der Gender-Theorie. Diese Theorie
über weibliche und männliche Identität besagt, kurz gefasst, dass es über das biologische
Geschlecht von Frau und Mann hinaus etwas wie ein soziokulturell vorgegebenes Geschlecht
gibt – was sich etwa in Rollenerwartungen an Frauen und Männer in ihrem jeweiligen
Kulturkreis niederschlägt. Die Kirche hat die Entwicklung der Gender-Theorie, die
aus dem Feminismus hervorgegangen ist, bisher mit großer Skepsis betrachtet. Das wurde
etwa auch beim jüngsten Frauenkongress des Päpstlichen Laienrates deutlich. Dabei
ist der Begriff „Gender“ eine Herausforderung für die Christen, erklärt die Philosophin
Sr. Cristiana Dobner.
„Zunächst muss man die Ursprünge des Genderbegriffs
untersuchen, denn Gender bedeutet in jeder Nation etwas anderes. Diese Untersuchungen
müssen aber immer in einer Dialektik mit dem Evangelium stehen und mit dem Menschenbild,
das uns dort entgegentritt. Meiner Meinung nach muss man das in Angriff nehmen. Ich
weiß nicht, zu welchen Schlüssen uns das bringen wird. Aber eines weiß ich sicher:
dass die Geschlechter-Identität aus dem Evangelium auch von dieser Auseinandersetzung
mit der Gendertheorie bestärkt und erleuchtet werden kann – vorausgesetzt, man führt
sie nicht durch, weil sie en vogue sind. Die Gendertheorie ist entschieden en vogue!
Daher riskieren wir, uns von einem Teilaspekt in Beschlag nehmen zu lassen und die
Wurzeln aus dem Blick zu verlieren. Ich plädiere dafür, an die Gendertheorie ohne
Vorurteile, aber mit wachsamem Blick heranzugehen.“
Susanne Kummer, die
im Namen der Österreichischen Bischofskonferenz am Frauenkongress teilnahm, erklärt,
dass christliche Denker in die Debatte um kulturelle Zuschreibungen von Frauen- und
Männerrollen viel einzubringen haben: nämlich das rechte Maß zwischen einer Unter-
und einer Überbewertung des menschlichen Leibes.
„In der Gendertheorie
findet eher eine Unterbewertung des Leibes statt, indem man ihn quasi für nicht relevant,
für sinnlos hält. Wir erleben aber in einer stark naturwissenschaftlich geprägten
Kultur leider auch die umgekehrte Tendenz, dass aufgrund biologischer Daten gleichsam
Rollenfixierungen zugeschrieben werden, unter Schlagwörtern wie „Die Macht der Gene“
– also eine Art von biologischem Determinismus. Da ist der christliche Ansatz für
mich ein Lösungsansatz, diese Spannung auszuhalten zwischen Naturwesen und UND Kulturwesen.
Wir sind beides, dh wir gestalten unser Leben, aber nicht einfach aus dem Nichts heraus,
sondern es gibt Vorgaben, die Aufgaben sind.“ (rv 14.02.2008 gs)