Der Bundestag berät
ab diesem Donnerstag über die umstrittene Lockerung des Stammzellengesetzes. Bisher
kann in Deutschland nur an embryonalen Stammzellen geforscht werden, die vor dem 1.
Januar 2002 und im Ausland gewonnen wurden. Jetzt ist unter anderem eine Verschiebung
dieses Stichtags auf den 1. Mai 2007 im Gespräch. Industrie und Forschung hatten eine
Änderung der strengen deutschen Gesetzgebung gefordert. Die katholische Kirche ist
dagegen: „Denn das Stammzellgesetz entscheidet, wie wir als Gesellschaft über das
Lebensrecht des menschlichen Embryos denken“, sagt Anton Losinger, erst am Mittwoch
offiziell zum Mitglied im Deutschen Ethikrat ernannt und Weihbischof in Augsburg.
„Insofern haben wir als Kirche ein verstärktes Interesse daran, dass das Stammzellgesetz
nicht geändert wird, dass auch der Stichtag nicht beseitigt wird, und dass das Lebensrecht
und die Würde des embryonalen Menschen in Gänze anerkannt werden.“ Vier fraktionsübergreifende
Gesetzentwürfe zur Stammzellenforschung werden im Bundestag in erster Lesung behandelt.
Die zweite und dritte Lesung sind für Mitte März geplant. Losinger stellt sich auf
lange Beratungen ein, erhofft sich aber zumindest ein sehr deutliches Votum zugunsten
des Lebensrechts, „vielleicht auch aufgrund unserer sehr spezifischen deutschen Geschichte“. Die
auch bei Bischöfen in Kritik geratene Bundesforschungsministerin Annette Schavan sei
in einem echten Dilemma, so Losinger: „Sie hat als glaubwürdige Christin natürlich
das gleiche Menschenbild und die gleiche Ehrfurcht vor dem Lebensrecht, andererseits
steht sie in den Zwängen der europäischen Forschungsförderung, bei der sie natürlich
nicht die Macht hat, alle notwendigen Dinge vorzugeben und zu bestimmen.“ Losinger
fordert ein Umdenken, auch in der Vergabe von Forschungsgeldern: Embryonale Stammzellenforschung
setzt das Töten menschlicher Embryos voraus. Die adulte Stammzellenforschung zeigt
dagegen bereits jetzt messbare Erfolge zum Beispiel bei der Behandlung von Herzinfarkt-Patienten. „Die
einmalige Verschiebung des Stichtags hat einen wirklichen Pferdefuß. Ich würde mir
schon in dieser ersten Lesung einen deutlichen Impuls im Hinblick auf die Konsequenzen
erwarten, die eine Aufhebung des Stichtags und damit die Aufhebung des hohen Standards
des Lebensschutzes in Deutschland mit sich bringen würde.“ Deutschland sei aufgrund
der strengen Gesetzgebung auf dem Gebiet der adulten Stammzellforschung derzeit führend,
so Losinger. „Und ich denke, wir können diese Führung durch richtiges Timen und die
richtige Vergabe von Forschungsmitteln ausbauen.“ (rv 14.02.2008 bp)