2008-02-02 11:02:35

D: Marx als „politischer Bischof" in München eingeführt


RealAudioMP3 Reinhard Marx ist an diesem Samstag in sein Amt als Erzbischof von München und Freising eingeführt worden. Weil die Botschaft der Menschwerdung Gottes allen Menschen gelte und in die Mitte der Gesellschaft gehöre, müsse sich die Kirche „gesellschaftlich und politisch einmischen“, betonte der 54-Jährige in seiner ersten Predigt als Oberhirte des wichtigsten bayerischen Bistums.


„Weil Du, verehrter Bruder, die erforderlichen Fähigkeiten besitzt und als Bischof von Trier schon Erfahrung in der Leitung einer Diözese hast, wurdest Du für geeignet befunden, dieses Amt zu übernehmen und es fruchtbringend auszuüben“, verlas Dompropst und Weihbischof Engelbert Siebler aus der päpstliche Ernennungsurkunde, im Original handschriftlich abgefasst und auf Latein. Bei dem Festgottesdienst im Münchner Liebfrauendom wurde Marx von seinem unmittelbaren Amtsvorgänger, Kardinal Friedrich Wetter, und dem Apostolischen Nuntius in Deutschland, Erzbischof Jean-Claude Périsset, zum Bischofssitz geleitet. Wetter überreichte ihm den barocken Bischofsstab von 1700, sonst verwahrt im Domschatz. Um 9 Uhr 57 ließ Marx sich auf der Kathedra, dem antiken Lehr- und Richterstuhl nachempfunden, nieder. Erst damit ergriff er offiziell von seinem Erzbistum Besitz. Vertreter aller Stände, Bischöfe, Priester, Ordensleute und Laien versprachen ihm Treue im Dienst.


Damit ist Marx nun Oberhirte von 1,8 Millionen Katholiken in 755 Pfarrstellen. 1.200 Priestern, rund 2.800 Ordensschwestern und 890 Ordensmänner wirken in seiner Ortskirche. Der Etat des Erzbistums betrug im Jahr 2006 mehr als 400 Millionen Euro. Marx ist der 73. Nachfolger des Hl. Korbinian, der als Wanderbischof im 8. Jahrhundert den Glauben nach Altbayern brachte. Seit Franziskus von Bettinger (1909 bis 1917) ist der Münchner Bischofsstuhl mit der Kardinalswürde verbunden. Marx wird also wohl zum nächsten Konsistorium nach Rom reisen. Bereits am kommenden Fest Peter und Paul erhält er aus der Hand seines Vorvorgängers in München das Pallium als Zeichen der besonderen Verbindung der Erzbischöfe zum Papst in Rom. Der Westfale ist jetzt gleichzeitig geborener Vorsitzender der Freisinger Bischofskonferenz und damit oberster Vertreter des Katholizismus in Bayern. Zwei Drittel der Bevölkerung im größten deutschen Bundesland sind katholisch.


In der modernen Gesellschaft sei Religion präsent und fänden religiöse Fragen und Auseinandersetzungen verstärkt Interesse, sagte Marx in seiner ersten Predigt. Er sei dankbar dafür, dass die Diskussion um Glaube und Religion auch in den Medien große Aufmerksamkeit finde. „Ist das nicht alles etwas übertrieben? Ist ein katholischer Bischof in dieser Kirche noch von so großer Bedeutung?“ Doch Religion, die Frage nach dem Sein, verschwindet nicht, betonte der Sozialethiker. Eine Feier wie diese, sei daher niemals bloßer Personenkult oder Selbstdarstellung der Kirche: „Die Festlichkeit in diesen Tagen, aller Glanz der Liturgie, ja auch der Bischof selbst, ist Mittel zum Zweck. Die Kirche selbst versteht sich als ein Zeichen, Werkzeug und Instrument, damit den Menschen geholfen werde, Gott zu suchen und zu finden, die Frage nach Gott neu zu stellen.“
Ohne diese Überzeugung sei auch kein interreligiöser Dialog möglich, so Marx. Als neuer Bischof stehe er in dieser Verpflichtung. Marx’ Bischofspruch stammt aus dem 2. Korintherbrief: „Wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit.“ Auch diese Überzeugung kam in der ersten Predigt zu Gehör: „Und wenn der Mensch frei sein soll, kann sich Gott nicht aufzwingen mit Gewalt, sondern er muss einen Weg gehen, die Freiheit des Menschen zu respektieren und zu fördern. … Er bindet sich an Menschen, die in voller Freiheit den Weg des Glaubens gehen wollen, die von seinem Heiligen Geist gestärkt, eine neue Familie Gottes bilden.““
In Interviews hatte Marx angekündigt, ein politischer Bischof sein zu wollen. Auch am Samstag Morgen betonte er das gesellschaftliche und öffentliche Engagement der Kirche: „Gerade in der Verkündigung des Menschgewordenen Gottes bringt die Kirche das in die Gesellschaft, was Grundlage wahrer Humanität ist: Der Mensch hat eine Würde, die nicht vom Menschen abhängt, die vielmehr von Gott selbst gegeben ist. Und so muss sich ein Bischof und die Kirche in gewisser Weise politisch und gesellschaftlich einmischen und zu Wort melden. Die Kirche ist nicht nur für sich selber da. Ich empfinde meinen Dienst auch für alle Menschen, die in diesem Erzbistum wohnen, für alle Menschen, die auf das Wort des Evangeliums hören möchten.“ Die Kollekte während des Festgottesdienstes gab erstes Zeugnis seines Engagements: Sie soll zur Resozialisierung straffällig gewordener Jugendlicher beitragen.

Mehr als 56 Bischöfe waren zur Amtseinführung gekommen, Vertreter aus Ökumene, Politik und Gesellschaft. Der erste neue Erzbischof nach einem Vierteljahrhundert war nicht nur einen Stabwechsel, sondern bedeutet auch einen historischen Einschnitt. Marx: „Jeder Bischof ist durch Persönlichkeit und Charakter verschieden, aber die Sendung ist dieselbe. … Als neuer Erzbischof von München und Freising werde ich sicher nicht allen Erwartungen entsprechen können und dürfen.“ Wie eine Antwort wirkte das Grußwort von Kardinal Karl Lehmann, rund eine Woche vor seinem Abschied als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz: „Erzbischof Reinhard bringt viele Gaben in diesen Dienst mit. Er ist bestens vorbereitet für die Aufgaben, sowohl in der Kirche als auch für unser vielfältiges Zeugnis in der Gesellschaft. … Mit seiner Offenheit und seiner Lebensfreude, seiner Bodenhaftung und seiner Menschlichkeit wird er auch als Westfale schnell einen Zugang zu den Menschen in Bayern gewinnen.“ Seine ökumenische Offenheit und Kompetenz sei auch im Blick auf den für 2010 in München geplanten 2. Ökumenischen Kirchentag wichtig.


Vor dem Dom warteten Schützenabordnungen aus Bayern, Westfalen und Rheinland-Pfalz. Ein Festzug führte zur Residenz und einem Empfang mit dem Ministerpräsidenten. Der erste öffentliche Auftritt für den sozial-politischen Bischof. Am Freitag hatte er den laut Bayern-Konkordat von 1924 vorgeschriebenen Treueid auf die bayerische Verfassung abgelegt. Dieser Staatskirchenvertrag räumt dem Freistaat auch ein indirektes Mitspracherecht bei der Ernennung eines Erzbischofs ein – in der Regel jedoch reine Formsache.


(rv/pm 02.02.2008 bp; Tonmaterial: Bayerischer Rundfunk)








All the contents on this site are copyrighted ©.