In Vietnam spielen
sich - fernab vom Fernsehauge der Welt-Öffentlichkeit - Szenen ab, die an die friedliche
Revolution in Osteuropa erinnern: Betende Demonstranten, um eine Marienstatue geschart,
von nervösen Polizisten des kommunistischen Regimes bespitzelt. Es sind Szenen aus
der Stadt Hanoi. Seit langem schon fordern die Katholiken des Landes die Rückgabe
von Kircheneigentum, das in den fünfziger und sechziger Jahren von den Kommunisten
enteignet worden war. In Hanoi nun spitzt sich die Angelegenheit, nur einen Steinwurf
von der Kathedrale entfernt, zu. Seit Wochen hält dort eine friedliche Gebets-„Demonstration“
an. Vu Quoc Dung von der „Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte“:
„Wir
befürchten, dass ein gewaltsamer Eingriff unmittelbar bevorsteht. Es gibt dafür Anzeichen
- z.B. gab es in den letzten Tagen eine rege Mobilisierung von Polizei- und Militärfahrzeugen
in der Nähe des Geländes; die Teilnehmer der Mahnwache werden seither gefilmt, und
die Staatspresse startet eine Verleumdungskampagne gegen die katholische Kirche. -
Man muss sehen, dass dieser Landstreit schon seit über fünfzig Jahren ausgetragen
wird. Das kommt also nicht von heute auf morgen. Auslöser des aktuellen Unmuts ist
die ständige Verletzung des Status quo, der zwischen Staat und Kirche bis zur Beilegung
des Streits vereinbart worden war.“
Es gebe im Moment zahlreiche Kontakte
zwischen Regime und Kirche, so der Experte weiter. Die Kirchenführung des Landes und
der Vatikan - der derzeit mit Vietnam über diplomatische Beziehungen verhandelt -
hoffen auf eine gütliche Einigung des Konflikts auf dem Verhandlungsweg.
Hören
Sie in unserem Audio-Angebot ein Interview mit Vu Quoc Dung von der „Internationalen
Gesellschaft für Menschenrechte“. Stefan Kempis fragte ihn nach der augenblicklichen
Lage in Hanoi.
(rv 31.01.2008 sk)
Wir
dokumentieren hier den Text einer Presse-Mitteilung der „Internationalen Gesellschaft
für Menschenrechte“ zum Thema Katholiken-Demo in Hanoi.
Seitdem das Volkskomitee
der Stadt Hanoi ein Ultimatum vor drei Tagen verstreichen ließ, wonach der Erzbischof
eine Versammlung von Katholiken auf dem Gelände der Nuntiatur auflösen, eine Pieta-Statue
und ein Kreuz entfernen sollte, ist es am Bischofssitz angespannt ruhig. Trotz Kälte
und Regen hält eine Gruppe von 40 Katholiken Tag und Nacht eine Mahnwache, um der
Forderung des Erzbischofs nach Rückgabe eines Gebäudes Nachdruck zu verleihen. Seit
dem 29. Januar 2008 beobachtet die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte
(IGFM) eine rege Mobilisierung von Polizei und Militärfahrzeugen in der Nähe des Geländes.
Die Teilnehmer der Mahnwache werden seither gefilmt. Die IGFM befürchtet, dass ein
gewaltsamer Eingriff unmittelbar bevorsteht. Die IGFM ruft die vietnamesische Regierung
zur Besonnenheit und zum Verzicht von Gewalt auf. Auf dem ca. ein Hektar großen
Gelände des Bischofsitzes von Hanoi befindet sich neben der Kathedrale, dem Priesterhaus
und dem Priesterseminar auch noch der Sitz des damaligen Nuntius. Nach der Machtübernahme
der Kommunisten in Nordvietnam war der Nuntius 1959 des Landes verwiesen und die Nuntiatur
beschlagnahmt worden. Der Erzbischof von Hanoi ist nun der Meinung, dass das Nuntiatur-Gebäude
und das dazu gehörende Grundstück Eigentum der Kirche in Vietnam seien. Die Regierung
behauptet, ein (regierungsfreundlicher) Priester habe das Gelände dem Staat im Jahre
1961 geschenkt. Die Regierung hatte bereits den Bau einer Mauer durchgesetzt,
die einen Teil der Räumlichkeiten vom Bischofssitz trennt. Diese Räumlichkeit wird
kommerziell genutzt. Neben einem Restaurant und einem Kraftstudio wurden auf dem Nuntiatur-Gelände
bis vor einigen Jahren auch eine Trinkbar und ein Nachtklub betrieben. Dessen laute
Musik war bis in die tiefe Nacht zu hören und störte die Ruhe der Priester in der
Bischofsresidenz. Viele Katholiken behaupten, dass der frühere Bischof durch diese
nächtliche Ruhestörung krank geworden sei. Auslöser des aktuellen Unmuts ist die ständige
Verletzung des Status quo, der zwischen Staat und Kirche bis zur Beilegung des Streits
vereinbart worden war. Ungeachtet der Beschwerde des Erzbischofs wurde nämlich im
Dezember der Garten zum kommerziellen Parkplatz verwandelt, eine Bank in der zweiten
Etage des Restaurants eingerichtet und die früheren Nuntiaturräumlichkeiten umgebaut.
Nachdem Erzbischof Ngo Quang Kiet in einem offenen Brief am 15. Dezember 2007 die
Diözese auf die Probleme hingewiesen hat, eskaliert mit jedem Tag die Situation. Katholiken
in Hanoi wollen die Erosion stoppen. Die Katholiken halten der Regierung vor,
mit einer Hinhaltetaktik die Kirche einerseits durch Bauvorhaben vor vollendeten Tatsachen
zu stellen und andererseits sich eine bessere Verhandlungsposition zu schaffen. Seit
dem 18.12.2007 versuchen daher Katholiken in Hanoi mit verschiedenen Aktionen, das
Gelände abzusichern. Mit der Errichtung einer Pieta-Statue und danach eines 4 Meter
hohen Kreuzes haben sich die Katholiken einen Wallfahrtsort geschaffen und mit dem
gemeinsamen Gebet eine adäquate Form des Versammelns gefunden, die vom Gesetz gedeckt
ist. Trotz verschiedener Provokationen der Sicherheitskräfte verhielten sich die Katholiken
bisher weitgehend friedlich und äußerst diszipliniert. Die Regierung wirft ihnen
nun vor, sich unrechtmäßig versammeln zu haben. Die Kirche erwiderte, dass sie sich
im Rahmen des Gesetzes bewege, denn nach der „Verordnung über Glauben und Religion“
dürften Religionsgemeinschaften religiöse Aktivitäten innerhalb ihrer kirchlichen
Räumlichkeiten durchführen. Und das Bischofgelände betrachtet die Kirche als ihr Eigentum.
Außerdem seien keine Transparente oder Sprechchöre gegen die Regierung zu sehen oder
zu hören. Auch der Besuch von Premierminister Nguyen Tan Dung bei dem Erzbischof
am 30.12.2007 und der Besuch des Vorsitzenden der vietnamesischen Bischofskonferenz
am 16.1.2008 in Hanoi brachten keinen Durchbruch. So war zu hören, dass die Regierung
bereit sei, die Nuntiatur in Hanoi, den Wallfahrtsort La-Vang in Quang Tri und das
Päpstliche Institut in Dalat an die katholische Kirche zurückzugeben unter der Bedingung,
dass die Kirche alle weiteren Streitigkeiten über konfisziertes Kircheneigentum beendet.
Die Kirche lehnte diesen Kuhhandel ab. Die Lage eskalierte, als die Behörden den
Zugang zur Nuntiatur und damit zur Pieta auch am Tag versperrten. Nach der Feier anlässlich
des 90. Geburtstages von Kardinal Pham Dinh Tung am 25.1.2008 marschierten 2.000 bis
3.000 Katholiken zur Nuntiatur. Dabei kam es zu Handgreiflichkeiten, bei dem mehrere
Menschen verletzt wurden. Die Regierung stellte daraufhin ein Ultimatum und forderte
den Erzbischof von Hanoi auf, „die illegalen Aktivitäten einzustellen“. Zurzeit
verhandeln der Vatikan und Vietnam über die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen.
Anfang letzten Jahres besuchte der vietnamesischen Premierminister den Papst.