Die sogenannte Winograd-Kommission
hat Israels Regierung und Militär schwere Versäumnisse während des Libanon-Kriegs
2006 vorgeworfen. Trotz der militärischen Überlegenheit Israels habe man den Krieg
nicht gewonnen, so der Vorsitzende der Kommission, Eliahu Winograd, am Mittwoch. Israels
Ministerpräsident Ehud Olmert unter Druck geraten, die Opposition fordert seinen Rücktritt. Wir
haben mit Lars Hänsel gesprochen, dem Leiter des Israelbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung
in Jerusalem. Für ihn zeugt der Bericht zunächst einmal von der Stärke des politischen
Systems, sich öffentlich auch mit sensiblen Fragen auseinanderzusetzen. Zum Vorwurf,
den Krieg habe Israel verloren, sagt Hänsel, dass es aber auch keinen Sieg der Hisbollah
gab.
„Davon zu sprechen wäre meine ich völlig absurd.
Die Hisbollah steht heute nicht mehr an der Grenze Israels und die Lage im Südlibanon
ist heute völlig anders als vor dem Krieg. Außerdem – und das ist auch ein politischer
Erfolg für Israel – haben internationale Truppen, die jetzt entsprechend der Resolution
1701 im Libanon stehen, bisher verhindern können, dass es neue Angriffe auf Israel
gab. Wir hatten seit dem Krieg hier im Norden Israels absolute Ruhe.“
Papst
Benedikt hatte bei Ausbruch des Krieges im Sommer 2006 seiner Sorge um die Zivilbevölkerung
Ausdruck verliehen. Tatsächlich kamen 1200 Menschen auf libanesischer und 160 auf
israelischer Seite ums Leben. Lars Hänsel gibt aber zu Bedenken:
„Letztlich
ist es schon so, dass Israel in diesen Krieg hineingezogen wurde. Man kann sicherlich
die Frage stellen, ob das überhastet war und ob das gerechtfertigt war. Auf der anderen
Seite muss man auch sehen, dass dieser Raketenbeschuss nicht erst mit dem ersten Kriegstag
begonnen hat, sondern dass es schon früher Raketenbeschuss der Hisbollah auf den Norden
Israels gab. Israel war auch unsicher, wie man auf diese Raketen reagieren soll. Irgendwie
eine Lösung für dieses Problem musste man finden.“
Grundsätzlich bezeichnet
Winograd die Militäroffensive Israels als „fast unentbehrlich“. Das Ja zur Bodenoffensive
sei politisch und professionell angemessen und die Ziele des Militäreinsatzes legitim
gewesen. Direkte Kritik an Olmert vermeidet der 500-seitige Bericht jedoch.
Lars
Hänsel glaubt, dass der Ministerpräsident derzeitige Krise politisch überleben wird:
„Das
bedeutet, dass zunächst erste einmal Olmert versuchen wird, den Annapolis-Prozess
voranzubringen. Die Gespräche mit den Palästinensern sind aufgenommen. Allerdings
sind sie bis jetzt noch nicht substanziell. Bisher ging es um Verfahrensfragen. Ich
glaube, das wird Olmert jetzt weiter betreiben. Er hat am Mittwoch schon angekündigt,
dass er wieder zur Tagesordnung übergehen wird. Und da steht Annapolis ziemlich weit
oben.“
Das größere Problem in der Frage der Wiederbewaffnung der Hisbollah
ist seines Erachtens Syrien.
„Syrien spielt nach wie vor die entscheidende
Rolle auch für die Frage der Stabilität im Libanon, auch für die Frage, wie es politisch
im Libanon weitergeht. Die Frage ist natürlich, wie kann Israel dazu beitragen: Ich
sehe da im Moment nicht, dass Israel irgendetwas macht, das die Situation weiter verschärft.
Ich sehe das als innerlibanesische Angelegenheit, aber auch als eine große Frage an
Syrien: Sicher würde eine Einigung Israels mit Syrien, mit den Golan-Höhen, zur Stabilität
beitragen. Das hätte dann aber eben auch zur Voraussetzung, dass im Rahmen einer solchen
Einigung Syrien sich ein ganzes Stück auch von dem iranischen Einfluss löst und dann
vor allem sich selbst aus dem Libanon raus hält. Aber das halte ich im Moment für
völlig unwahrscheinlich. Die Signale, die derzeit aus Syrien kommen, deuten überhaupt
nicht in diese Richtung.“