2008-01-28 12:54:07

Irak: Gewalt macht krank


RealAudioMP3 Terror und Chaos machen krank: Im Irak leiden gemäß einer Studie des irakischen Gesundheitsministeriums 35 Prozent der Menschen unter psychischen Störungen. Gewalt in den Familien und Alkoholismus haben zugenommen. Der Grund für den Anstieg ist die Sicherheitslage im Land in den vergangenen Jahren. Am meisten leiden diejenige, die vom sozialen Umfeld ausgeschlossen werden. Dies sind vor allem Angehörige von Minderheiten wie beispielsweise die Christen.

Die Christen im Irak bilden von jeher nur eine religiöse Minderheit, die einer andersgläubigen Mehrheit gegenübersteht. Kirchengeschichtlich entstammen sie überwiegend dem syrischen oder aramäischen, daneben vor allem dem armenischen Christentum. Zwar kämpfen seit 2005 die schiitischen und sunnitischen Muslime im Irak über die Machtstellung im Land. Die Christen werden dabei als muslimische Feinde angesehen. Der lateinische Erzbischof von Bagdad, Bischof Jean-Benjamin Sleiman, möchte deshalb den Dialog untereinander fördern.

„Die Gewalt scheint in unserem Land wie eine Welle im offenen Meer zu sein. Sie steigt und sinkt ständig. Der Anstieg wird vor allem durch die Weigerung zum Dialog verursacht. Der Anstieg der Gewaltwelle überrascht dann alle. Es gibt dann noch ein weiteres beängstigendes Phänomen: Die unkontrollierbare Angriffe auf unschuldige Menschen. Das hat sich in letzter Zeit sehr stark verbreitet.“

Dennoch verbreiten US-amerikanische Medien – gestützt auf Pressemeldungen ihrer Regierung – die Nachricht, dass die Gewaltwelle im Irak sinkt.

„Es geht nicht darum, ob es statistisch gesehen mehr oder weniger Gewalt gibt. Tatsache ist, dass im Augenblick keine Lösungen angegeben werden, wie wir aus dieser Sackgasse wieder rauskommen. Es gibt kein Anzeichen, dass man für die Wiederversöhnung arbeitet. Das wäre sehr wichtig. Denn die Ruhe und Ordnung wird in einigen wenigen Quartieren einzig durch die massive Präsenz von Soldaten hergestellt. Das ist aber keine Lösung.“

 
Die Zahl der noch im Irak verbliebenen Christen könne nicht exakt festgestellt werden, jedoch sollen Schätzungen zufolge mehre hunderttausend Christen geflohen sein. Der lateinische Erzbischof von Bagdad ist besorgt.

„Das ist eine dramatische Angelegenheit. Es herrscht viel Ungerechtigkeit gegenüber den irakischen Christen. Die Vergabe von Visa scheint willkürlich zu sein. Es gibt nämlich Fälle, bei denen Iraker ein Ausreisevisum erhalten haben, obwohl sie es eigentlich nicht nötig hätten. Denn den Christen wird allgemein gesagt, sie sollten weggehen. Wer das fordert, möchte vielleicht das Leben der Christen sichern. Doch es wäre wünschenswert, wenn alle mehr für Gerechtigkeit und Frieden in diesem Land unternehmen würden.“

Die christliche Minderheit im Irak, die rund drei Prozent der Gesamtbevölkerung von 27 Millionen Menschen stellt, befürchtet eine „religiösen Säuberung“. Stattdessen braucht das Land andere Zustände, so Bischof Sleiman.

„Wenn hier endlich Gerechtigkeit und Frieden herrschen würde, dann würde man nicht mehr zwischen Muslime, Juden und Christen unterscheiden. Doch stattdessen herrscht hier ein kollektiver Narzissmus. Jedes Quartier bietet nur einer Gruppe Zuflucht und schottet sich von den anderen ab. Das Problem der Christen im ganzen Nahen Osten zeigt ein ähnliches Phänomen auf größerer Ebene.“

Der Westen ist also gefordert, mehr für den Irak zu tun. Der Einfall der USA und die Präsenz der ausländischen Soldaten sind längerfristig keine Lösung, so Jean-Benjamin Sleiman.

„Den Krieg alleine zu führen, ist einfach, doch den Frieden alleine wieder herzustellen, ist unmöglich. Es braucht einen breiten Konsens auf internationaler Ebene, um die Situation im Irak zu verbessern. Ich glaube, dass die Kirche viel dazu beitragen kann. Sie ist – theologisch gesehen – für die Herstellung des Friedens da.“

 
(rv 28.01.2008 mg)








All the contents on this site are copyrighted ©.