Schweiz: "Kirche muss bei Missbrauchsfällen transparent sein"
Die katholische Kirche
in der Schweiz wird derzeit von Missbrauchsskandalen durch Geistliche erschüttert.
Im Bistum Lausanne, Genf und Freiburg sprach der für Rechtsfragen zuständige Offizial
Nicolas Betticher von „Mitwisserschaft“ der Kirche, die ihn sehr schmerze. Hintergrund
ist der Fall eines Kapuzinerpaters, der 1989 nach Frankreich versetzt wurde, anstatt
die Tat der Justiz zu melden. Zuletzt hatte Betticher am vergangenen Montag einen
weiteren Verdachtsfall den staatlichen Untersuchungsbehörden gemeldet. Mit Betticher
hat mein Kollege Stefan Kempis gesprochen:
RV: Wie hat das Bistum auf die jüngsten
Pädophilie-Fälle reagiert?
Betticher: „Sicherlich mit einer ganz großen
Klarheit. Wir müssen in den Medien ganz klar auftreten, denn die Glaubwürdigkeit der
Kirche ist tangiert. Es geht ja darum, alte Fälle aufzuarbeiten, die in den achtziger
oder siebziger Jahren passiert sind. Damals war es üblich – wie auch anderswo in der
Gesellschaft – vieles mit zu großem Schweigen zu handhaben. Heute ist die Sache anders:
Man weiß, dass die Pädophilie eine Krankheit ist, die man behandeln muss, und gleichzeitig
hat man neue Richtlinien. Und das muss man ganz klar kommunizieren, damit auch die
Glaubwürdigkeit der Kirche gewährleistet ist.“
RV: Stichwort Richtlinien:
Was macht denn die Schweizer Bischofskonferenz, wenn so etwas vorfällt?
Betticher:
„Die Richtlinien sind seit 2002 in Kraft; Diese Richtlinien sagen ganz klar, dass
man sich sofort um die Opfer kümmert, wenn es Indizien gibt. Und man muss auch den
Täter sofort in den Blick nehmen, wenn möglich therapeutisch, und alles daran setzen,
dass es nicht neue Übergriffe sexueller Art gibt. Das ist das Fundament dieser Richtlinien.“
RV:
Ihr Bistum ist sehr offensiv an die Öffentlichkeit gegangen mit diesem einen, möglicherweise
zwei Fällen, die es im Moment gibt. Ist das die neue Haltung?
Betticher:
„Ich sage einfach: Die Katholiken bei uns wollen wissen: Was ist die Wahrheit? Da
sagt man soviel Negatives in den Medien über die damalige Zeit, über die damalige
Handhabung in den Ordinariaten, nicht nur bei uns sondern auch in Frankreich. Das
ist einfach das Bedürfnis nach Aufklärung da, und deshalb sind wir aktiv vor die Medien
getreten. Und ich denke auch, das dient der Glaubwürdigkeit unserer Kirche.“
(rv
26.01.2008 mc)
Hier können Sie das komplette Interview nachhören.