„Die Kirche
hat euch nicht vergessen! Sie weist euch nicht zurück.“ Das schreibt der Kardinal
von Europas größtem Bistum an Geschiedene und Wiederverheiratete. Der Brief von Kardinal
Dionigi Tettamanzi von Mailand hat in Italien ein breites Echo hervorgerufen.
Deutsche
erinnert das Schreiben spontan an einen Hirtenbrief oberrheinischer Bischöfe, darunter
des jetzigen Kardinals Lehmann, vor ca. einem Jahrzehnt. In Italien weckt der Brief
deswegen so große Aufmerksamkeit, weil die Kirche der Halbinsel in ihrem Einsatz für
Ehe und Familie oft regelrecht erbittert wirkt. Da setzt Tettamanzi von der Domstadt
im Norden aus einen neuen Ton.
„Der Herr ist denen nahe, deren Herz verwundet
ist“, so der Titel des Briefes. Auszug: „Das Ende einer Ehe ist auch für die
Kirche Grund zu Leiden. Und zu Fragen: Warum lässt der Herr es bloß zu, dass dieses
Band reißen kann, das doch Zeichen seiner völligen und unzerstörbaren Liebe ist? Wenn
dieses Band reißt, dann fühlt sich auch die Kirche dadurch geschwächt.“
Die
Kirche wisse, so der Kardinal weiter, dass es in manchen Fällen „einfach unvermeidlich
ist, sich für eine Trennung zu entscheiden, um die Würde der Personen zu wahren und
tiefere Traumata zu vermeiden – auch um die Größe der Ehe zu bewahren, die sich nicht
in eine Kette bitterer Szenen verwandeln darf.“ Das meine keinesfalls ein Abrücken
von der kirchlichen Lehre, dass die Ehe unauflöslich ist, betont der Kardinal.
Tettamanzi
entschuldigt sich dafür, dass die Kirche im Umgang mit Geschiedenen und Wiederverheirateten
oft so hart wirkt. Er bittet auch um Verständnis dafür, dass die Kirche diese Personen
nicht zur Eucharistie zulässt – trotzdem seien sie, wie er betont, aber dringend zur
Mitfeier der Messe und zur aktiven Teilnahme am Leben der Kirche eingeladen. Ein Punkt
ist dem Mailänder Erzbischof (und Nachfolger des heiligen Ambrosius) so wichtig, dass
er es auch Fernsehteams gegenüber wiederholt: „Die Betroffenen denken ja oft, dass
sie wegen ihrer Lage nur noch am Rand der Kirche stehen oder sogar richtiggehend aus
ihr ausgeschlossen wären. Aber das ist gar nicht wahr.“ Geschiedene und Wiederverheiratete
seien keineswegs exkommuniziert. „Sowohl der pastorale Ton des Erzbischofs
als auch der Inhalt des Briefes liegen auf einer Linie mit der Lehre der Kirche, des
Papstes und der Bischöfe.“ Das sagt der Mailänder Geistliche Silvano Caccia, der
an Tettamanzis Kurie arbeitet. „Gleichzeitig ist dieses Zeichen der Öffnung und
der Bereitschaft zum Dialog doch ein neuer Akzent - gegenüber den Betroffenen und
gegenüber denen, die Seelsorge für Eheleute und Familien machen.“