Vatikan: Papst sagt nach Protesten Besuch in römischer Uni ab
Papst Benedikt XVI.
hat seinen für Donnerstag geplanten Besuch an der römischen Universität „La Sapienza“
abgesagt. Am Dienstag abend teilte der Vatikan dies mit. Wörtlich heißt es in dem
Kommunique:
„Nach den bekannten Ereignissen dieser Tage hinsichtlich des
Besuchs des Heiligen Vaters in der Universität 'La Sapienza', der auf Einladung
des Rektors am Donnerstag, 17. Januar, erfolgen sollte, hielt man es für opportun,
den Termin zu verschieben. Der Papst wird aber den vorbereiteten Text übermitteln.“
Hintergrund:
67 Professoren hatten einen Protestappell veröffentlicht und Studenten das Rektorat
der Universität besetzt. Nach mehrstündigen Verhandlungen hatten die Demonstranten
die Erlaubnis erhalten, während der Papstrede wenige Meter entfernt eine Protestkundgebung
abzuhalten.
In Italien haben sich Regierung und Opposition schockiert über
die Absage geäußert. Ministerpräsident Romano Prodi in den Abendnachrichten des
ersten staatlichen Fernsehkanals:
„Das erste Gefühl ist, dass ich diese
Zeichen der Intoleranz scharf verurteile, die zu dieser Absage geführt haben. Ich
halte es für unnanehmbar, dass der Papst nicht an einer Universität sprechen kann,
die ein Ort des Dialogs und der Kultur ist - und die Umstände, die dazu geführt, haben
mich wirklich traurig gemacht. Ich hoffe, dass man die Entscheidung rückgängig macht
oder dass der Papst das bald nachholt.“
Der Rektor der Universität La Sapienza,
Renato Guarini, hält den geplatzten Besuch für eine vertane Chance: „Ich nehme
die Entscheidung des Heiligen Stuhls zur Kenntnis und akzeptiere sie, wenn auch mit
großem Bedauern. Das Treffen mit dem Papst wäre ein wichtiger Moment für Gläubige
und Nichtgläubige gewesen, eine Gelegenheit zum Nachdenken über die ethischen und
gesellschaftlichen Probleme. Das Hören auf die Stimme eines Gelehrten, der zu den
Themen unserer Zeit Stellung nimmt, wäre ein Antrieb für die Gewissensfreiheit und
alle, die sich weltlicherseits mit den Problemen des Lebens beschäftigen.“
Als
erste offizielle Reaktion aus dem Vatikan hat sich der Präsident des Päpstlichen Kulturrats
zu Wort gemeldet. Erzbischof Gianfranco Ravasi bedauert die Entwicklung und sieht
tiefere Gründe.
„Meiner Ansicht nach zeigt diese Affäre in ihrem Kern eine
Niederlage der Kultur. Kultur meint wesentlich Begegnung und Dialog, der auch Meinungsverschiedenheiten
beinhalten kann und unterschiedliche Perspektiven. Von Kultur kann man hingegen nicht
mehr sprechen, wenn dieser Dialog explodiert und zur reinen Negation wird, zur reinen
Ablehnung, ohne die Möglichkeit einer Verständigung.“
Es handelt sich nicht
so sehr um ein Problem des Papstes, glaubt der Kurienerzbischof:
„Wir haben
es mit einer Art kulturellem Fundamentalismus zu tun, der sich in dieser grundsätzlichen
Ablehnung gezeigt hat – eine Dialogverweigerung. Allerdings ist es meines Erachtens
unmöglich, Religion und Theologie aus dem gesellschaftlichen Dialog auszuschließen.
Deswegen glaube ich, dass diese Angelegenheit nicht so sehr ein Tiefpunkt im Dialog
mit der Religion ist, sondern sie ist insgesamt ein Tiefpunkt in der Kulturgeschichte.“
Professoren
und Studenten, die gegen die Anwesenheit des Papstes protestierten, warfen ihm vor,
in einer 1990 als Kardinal Joseph Ratzinger an der selben Universität gehaltenen Rede
den Prozess der Inquisition gegen den Physiker und Astronomen Galileo Galilei (1564-1642)
gerechtfertigt zu haben. Gleichzeitig hielten sie ihm seine Haltung gegen Abtreibung
und homosexuelle Partnerschaften vor.