Erstmals haben 400
sunnitische Islamverbände aus ganz Europa eine gemeinsame Erklärung verabschiedet.
In der so genannten Moslem-Charta fordert das Europäische Islamzentrum in Brüssel
eine positive Integration des Islam in die europäische Gesellschaft. Das 26-Punkte-Programm
ist ein Dialogangebot und richtet sich in erster Linie an die Europäer, sagt der Islamfachmann
Pater Hans Vöcking. „„Sie sagen etwa, dass die Muslime eine andere Religionsausübung
haben, ein anderes Ethikverständnis etwa. Und darüber sind sie dann auch bereit, mit
den Politikern oder mit den Verantwortlichen der Zivilgesellschaft zu reden. Das ist
ein Dialogangebot, und das sollte man auf jeden Fall aufgreifen. Im Dialog kann man
dann auch feststellen, was denn wirklich mit den verschiedenen Begriffen gemeint ist,
die in dem Text gebraucht werden.“ Die Charta wehre sich gegen falsche Interpretationen
der Weltreligion Islam. Die 400 Gruppierungen verurteilen darin gemeinsam Terror und
Gewalt im Namen der Religion und betonen die Gleichheit von Mann und Frau. Inhaltlich
blieben jedoch noch Fragen offen, so Vöcking: „Hier erwartet der Europäer doch
mehr Information, zum Beispiel eine Präzision bezüglich der Scharia. Ist das ein traditionelles
Scharia-Verständnis, oder gehen sie schon von einem aktualisierten Verständnis aus,
wo man bestimmte Bereiche der Scharia neu überarbeitet, neu denkt? Zur Frau wird nur
gesagt, dass Mann und Frau gleich sind - aber wie ist denn diese Gleichheit zu verstehen,
ist es eine Seinsgleichheit oder eine Gleichheit vor Gott, oder ist es auch eine Rechtsgleichheit?
Oder gibt es aus der Scharia her doch unterschiedliche Rechte, die beibehalten werden?“ Die
in Brüssel unterzeichnete Moslem-Charta sei klar auf die Situation der rund 20 Millionen
Moslems in Europa zugeschnitten, erklärt Vöcking. Für den internationalen Dialog habe
der Briefwechsel der 138 muslimischen Intellektuellen mit christlichen Religionsführern
eine wesentlich höhere Bedeutung: „Das ist schon ein längerer Prozess, der jetzt
einsetzt. Der Auslöser war ganz bestimmt die Rede des Heiligen Vaters in Regensburg.
Die ersten Reaktionen waren sehr negativ. Aber anschließend hat ein Überlegungsprozess
unter den muslimischen Intellektuellen eingesetzt, und ich glaube, das ist jetzt die
erste Frucht, wenn die Christen, aber auch die Vertreter anderer Religionsgemeinschaften,
auch Buddhisten und Hinduisten und so weiter in diesen Dialog eintreten. Dieser Dialog
kann dann, meine ich, von Dauer sein.“ (rv 11.10.2008 bp)