2008-01-01 10:57:17

Dokument: Papst-Predigt zum Neujahrstag


Papst Benedikt XVI. hat am Morgen des ersten Januar eine Messe in St. Peter gefeiert. Dabei beging er den kirchlichen Welttag des Friedens und das Fest der Gottesmutter Maria. Wir dokumentieren hier die Predigt des Papstes in deutscher Übersetzung.

"Liebe Brüder und Schwestern!
Wir beginnen dieses neue Jahr, und es nimmt uns dabei an die Hand die christliche Hoffnung. Wir beginnen es und rufen den göttlichen Segen auf es herab. Wir erbitten durch die Fürsprache Mariens, die Mutter Gottes, die Gabe des Friedens: für unsere Familien, für unsere Städte, für die ganze Welt. Mit diesem Wunsch grüße ich euch alle, die ihr hier seid, und ich beginne mit den illustren Botschaftern des bei heiligen Stuhl akkreditierten Diplomatischen Korps, die aus Anlass des Weltfriedenstages zu dieser Feier gekommen sind. Ich grüße meinen Staatssekretär Kardinal Tarcisio Bertone, Kardinal Renato Raffaele Martino und alle Mitglieder des päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden. Ich bin ihnen in besonderer Weise dankbar für ihren Einsatz zur Verbreitung der Botschaft für den Weltfriedenstag. Er hat in diesem Jahr das Thema „Die Menschliche Familie, eine Gemeinschaft des Friedens.“
Der Frieden: In der ersten Lesung aus dem Buch Numeri haben wir die Bitte gehört „Der Herr schenke dir Frieden“ (6,26); der Herr schenke euch allen Frieden, euren Familien, der ganzen Welt. Wir alle sehnen uns danach, in Frieden zu leben, dem wahren Frieden, den die Engel in der Weihnachtsnacht verkündet haben. Er ist nicht leicht vom Menschen zu machen und Frucht von politischen Abkommen. Er ist vor allem ein göttliches Geschenk, das wir immer erbitten müssen und gleichzeitig eine Aufgabe, die wir geduldig im Hören auf die Gebote des Herrn vorantreiben müssen. In diesem Jahr wollte ich in der Botschaft für den heutigen Weltfriedenstag die enge Verbindung zwischen der Familie und dem Frieden in der Welt ins Licht rücken. Die natürliche Familie, die gegründet ist auf der Ehe zwischen einem Mann und einer Frau, ist „Wiege des Lebens und der Liebe und die erste und unersetzbare Erzieherin für den Frieden“. Deswegen ist die Familie die „Hauptagentur für den Frieden“. Die Leugnung oder auch nur die Begrenzung der Familienrechte verdunkeln die Wahrheit über den Menschen und bedrohen die Fundamente selbst des Friedens“ (vgl. nn. 1-5) Weil die Menschheit dann eine große Familie ist und in Frieden leben will, kommt sie nicht umhin, sich an den Werten, auf denen die Familiengemeinschaft ruht und sich aufbaut, zu inspirieren. Das von der Vorsehung geleitete Zusammentreffen von mehreren Jahrestagen drängt uns zu einer besonderen Anstrengung, den Frieden in der Welt zu verwirklichen. Es sind jetzt gerade 60 Jahre, seitdem im Jahr 1948 die Vollversammlung der Vereinten Nationen die „Universale Erklärung der Menschenrechte“ veröffentlicht hat. Vor 40 Jahren hat mein verehrter Vorgänger Paul VI. den ersten Weltfriedenstag begangen. In diesem Jahr feiern wir auch den 25 Jahrestag, seitdem der heilige Stuhl die „Charta der Familienrechte“ angenommen hat. „Im Licht dieser bedeutsamen Jahrestage – so schreibe ich am Schluss meiner Botschaft – lade ich jeden Mann und jede Frau ein, sich deutlicher die gemeinsamen Zugehörigkeit zur menschlichen Familie bewusst zu machen, und sich deshalb dafür einzusetzen, dass das Zusammenleben auf der Erde immer mehr diese Überzeugung widerspiegelt, von der die Errichtung eines wahren und dauerhaften Friedens abhängt.“
Unser Denken richtet sich jetzt natürlich auf die Madonna, die wir heute als Mutter Gottes anrufen. Es war Papst Paul VI., der das Fest der Gottesmutter Maria auf den ersten Januar verlegte, das früher am 11. Oktober gefeiert wurde. Vor der liturgischen Reform nach dem Zweiten Vatikanum feierte man nämlich am 1. Tag des Jahres das Gedächtnis der Beschneidung Jesu am 8. Tag nach seiner Geburt. Es war ein Zeichen für die Unterwerfung unter das Gesetz, seine offizielle Einfügung in das auserwählte Volk. Am darauf folgenden Sonntag feierte man den Namen Jesu. Von diesen Jahrestagen finden wir noch eine Spur auf der Seite des Evangeliums, das eben verkündet worden ist. In ihm berichtet der heilige Lukas, dass das Kind acht Tage nach seiner Geburt beschnitten und ihm der Name Jesus gegeben wurde – „wie er vom Engel vor seiner Empfängnis im Schoß seiner Mutter genannt worden war“ (Lk. 2,21). Das heutige ist daher nicht nur ein sehr bezeichnendes marianisches Fest, sondern hat daneben auch einen stark christologischen Inhalt, denn – so können wir sagen – es betrifft vor Maria genau den Sohn, Jesus, wahrer Gott und wahrer Mensch.
Auf das Geheimnis der göttlichen Mutterschaft Mariens, der Teotokos, bezieht sich der Apostel Paulus in seinem Brief an die Galater. Als die Fülle der Zeit kam – schreibt er - sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau, geboren unter dem Gesetz (4,4). In wenigen Worten finden wir zusammen das Geheimnis der Fleischwerdung des ewigen Wortes und die göttliche Mutterschaft Mariens: Das große Privileg der Jungfrau besteht genau darin, Mutter des Sohnes zu sein, der Gott ist. Acht Tage nach Weihnachten liegt dieses marianische Fest also genau an seinem richtigen und logischen Platz. Tatsächlich erfüllten sich in der Nacht von Bethlehem, als sie ihren ersten Sohn gebar, die messianischen Prophezeiungen: „Eine Jungfrau wird empfangen und einen Sohn gebären – so hatte Jesaia vorhergesagt. (7,14). „Siehe du wirst im Schoß empfangen und einen Sohn gebären“ sagte der Engel Gabriel Mara. (Lk, 1,31). Und ein Engel des Herrn – so sagt der Evangelist Mathäus – erscheint Joseph im Traum und versichert ihm „fürchte dich nicht, Maria, deine Braut, zu dir zu nehmen, denn was in ihr gezeugt worden ist, kommt vom Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn gebären“ (Mt.1,20-21)
Der Titel „Mutter Gottes“ ist zusammen mit „Heilige Jungfrau“ der älteste und die Grundlage aller anderen Titel, mit denen die Madonna verehrt worden und von Generation zu Generation im Osten und Westen angerufen worden ist. Auf das Geheimnis ihrer göttlichen Mutterschaft beziehen sich so viele Hymnen und Gebete der christlichen Tradition – wie etwa eine marianische Antiphon der Weihnachtszeit „Alma Redemptoris Mater“ in der wir so beten „Tu quae genuisti natura mirante tuum sanctum genitorem, Virgo prius ac posterius – du hast geboren zum Staunen der Natur deinen heiligen Schöpfer, Jungfrau vorher und nachher“.
Liebe Brüder und Schwestern, wir betrachten heute Maria, die immer jungfräuliche Mutter des eingeborenen Sohnes des Vaters. Wir lernen von ihr, das Kind anzunehmen, das für uns in Bethlehem geboren worden ist. Wenn wir in ihrem Kind den ewigen Sohn des Vaters erkennen und ihn als unseren einzigen Erlöser annehmen, können wir wirklich Kinder Gottes genannt werden, und wir sind ja auch: Söhne im Sohn. Der Apostel schreibt: „Gott sandte seinen Sohn, geboren von der Frau unter dem Gesetz, um die zu erlösen, die unter dem Gesetz waren, damit wir an Kindes Statt angenommen werden.“ (Gal 4,4)
Der Evangelist Lukas wiederholt öfter, dass die Madonna still über diese außerordentlichen Ereignisse meditiert hat, in die Gott sie einbezogen hat. Das haben wir auch in dem kurzen Stück des Evangeliums gehört, das die Liturgie uns heute vorschlägt „Maria bewahrte alle diese Dinge und betrachtete sie in ihrem Herzen“ (Lk, 2,19) Das hier gebrauchte griechische Worte „Symballousa“ bedeutet wörtlich „zusammensetzen“ und lässt an ein großes Geheimnis denken, das Stück für Stück entdeckt wird. Das Kind, das in der Krippe liegt und anscheinend allen Kindern der Welt ähnlich ist, ist gleichzeitig aber ganz anders: es ist der Sohn Gottes, ist Gott, wahrer Gott und wahrer Mensch. Dieses Geheimnis – die Fleischwerdung des Wortes und die göttliche Mutterschaft Mariens – ist groß und sicher nicht leicht mit der nur menschlichen Vernunft zu verstehen.
In der Schule Mariens können wir mit dem Herzen das aufnehmen, was die Augen und der Verstand allein nicht fassen und begreifen können. Es handelt sich tatsächlich um ein so großes Geschenk, dass wir es nur im Glauben aufnehmen können ohne aber alles zu verstehen. Und genau auf diesem Glaubensweg kommt uns Maria entgegen, ist sie uns Hilfe und Führerin. Sie ist Mutter, denn sie hat im Fleisch Jesus geboren. Sie ist es, denn sie hat dem Willen des Vaters ganz angehangen. Der heilige Augustinus schreibt: „Für sie hätte die göttliche Mutterschaft keinerlei Wert gehabt, wenn sie nicht Christus im Herzen getragen hätte – mit einem wundervolleren Geschick als wenn sie ihn nur im Fleisch empfangen hätte. (De sancta Virginitate 3,3) In ihrem Herzen bewahrte sie weiterhin, ja „setzte gleichsam zusammen“ die folgenden Ereignisse, von denen sie Zeugin und Mitgestalterin wurde – bis zum Tod am Kreuz und zur Auferstehung ihres Sohnes Jesus.
Liebe Brüder und Schwestern, nur wenn wir im Herzen bewahren und „zusammen setzen“ und eine Einheit finden all dessen, was wir erleben, können wir auf den Spuren Mariens in das Geheimnis Gottes eintreten, der aus Liebe Mensch geworden ist und uns gerufen hat, ihm zu folgen auf den Straßen der Liebe – eine Liebe, die wir täglich übersetzen müssen in einen großmütigen Dienst an den Brüdern. Möge das neue Jahr, das wir heute voll Vertrauen beginnen, eine Zeit sein, in der wir voranschreiten in diesem Wissen des Herzens, das die Weisheit der Heiligen ist. Bitten wir, dass der Herr – wie wir in der ersten Lesung gehört haben – sein Antlitz über uns leuchten lasse, dass er uns gnädig sei und uns segne. (vg. Num. 6,24-7) Wir können sicher sein: wenn wir nicht müde werden, sein Antlitz zu suchen, wenn wir nicht der Versuchung zu Mutlosigkeit und Zweifel nachgeben, wenn wir trotz aller Schwierigkeiten, denen wir begegnen, immer in Ihm verankert bleiben, werden wir die Macht seiner Liebe und seines Erbarmens erfahren. Das schwache Kind, das die Jungfrau heute der Welt zeigt, wird uns zu Friedenstiftern machen, zu seinen Zeugen, dem Fürst des Friedens. Amen."

((Übs.: Pater Eberhard v. Gemmingen SJ)










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