Kein Raum in Bethlehems
Herbergen: Zum ersten Mal seit sieben Jahren sind die Gästehäuser und Hotels in der
Geburtsstadt Jesu zu Weihnachten ausgebucht. Wie ein britischer Journalist vor Ort
berichtet, sind alle 2.000 Betten in der Stadt im Westjordanland belegt. Das israelische
Ministerium für Tourismus erwartet über die Weihnachtsfeiertage 60.000 Pilger aus
dem Ausland, vor allem in Bethlehem, Jerusalem und Nazareth. Das sind 20.000 mehr
als vor einem Jahr. Wer dieser Tage Bethlehem besucht, sieht jedoch kaum Weihnachtsschmuck.
Statt Weihnachtsliedern hört man weiterhin Klagen. Der katholische Kustos des Heiligen
Landes, Pierbattista Pizzaballa, betont: „Es hat dieses Jahr einen Mini-Aufschwung
in Bethlehem gegeben durch den christlichen Tourismus, der 2007 endlich wieder richtig
angezogen hat, Gott sei Dank. Das hat Bethlehem gut getan – aber die Lage bleibt doch
weiter sehr schwierig, und zwar vor allem für die Christen. 1977 waren die Christen
in Bethlehem eine absolute Mehrheit – heute liegen sie unter 10 Prozent! Die Statistik
wirkt etwas besser, wenn man die umliegenden Dörfer mit zu Bethlehem zählt, aber wenn
wir bei Bethlehem selber bleiben, dann liegen die Christen dort unter zehn Prozent.
Das ist ein Problem. Ein Drama. Sehr schwierig.“ Besuchermagnet ist wieder
der Heiligabendgottesdienst in der Geburtskirche. Sie steht dort, wo der Gottessohn
der Überlieferung nach geboren wurde. Andere Pilgerstellen im Heiligen Land haben
es schwerer, so Pizzaballa. „Pilgern hilft jedem. Natürlich zunächst der christlichen
Gemeinschaft vor Ort, die zum Teil von der Pilger-Industrie lebt. Aber wenn nun jemand
sagt: Ich pilgere nicht ins Heilige Land, denn dadurch lasse ich ja auch Geld in Israel,
und das will ich nicht – dann antworte ich: Man kann nicht auf der einen Seite die
Mauer anklagen und doch gleichzeitig selbst eine Barriere anderer Art bauen. Aber
dort ist gerade ein nicht erklärter Krieg um jeden Zentimeter Bodens im Gang, denn
irgendwann wird man ja mal über Jerusalems Zukunft reden müssen, und wer dann da mehr
Land hat, hat auch mehr mitzureden.“ Für die Christen im Heiligen Land ist
nicht nur der Konflikt zwischen Israel und Palästina ein Problem. Acht orthodoxe und
sechs katholische Gemeinschaften teilen sich die Kirchen. „Das Hauptproblem
der Christen in Israel besteht darin, geeint zu bleiben und nicht schlichtweg übersehen
zu werden. Wir reden hier von fünf Millionen Juden und einer Million Moslems – da
werden Sie verstehen, dass 20.000 Christen da nicht groß auffallen und Schwierigkeiten
haben, wahrnehmbar und einig zu sein. Nicht in der Masse aufzugeben. Denn der kulturelle
Kontext hilft ihnen natürlich nicht. Ich habe ein paar Jahre an der Hebräischen Universität
von Jerusalem studiert und erinnere mich, dass es da kein Weihnachten gab, kein Ostern
und keinen Sonntag – der Sonntag war ein normaler Arbeitstag. Natürlich zwingt dich
keiner, an Weihnachten in die Schule zu gehen, aber wenn an dem Tag dann gerade ein
wichtiges Examen ist, musst du natürlich doch hingehen.“ (rv 24.12.2007 mg)