Die Debatte um den
Kosovo dauert an: Russland warnt vor einer „unkontrollierbaren Krise“, Kirchenvertreter
rufen zum Schutz der serbischen Minderheit und werben um Verständnis für die Unabhängigkeitsbestrebungen
der Albaner.
Die USA und die Mehrheit der EU-Staaten drängen auf die Eigenständigkeit
des Kosovo. Das sei verständlich, sagt der langjährige deutsche Europa-Bischof Josef
Homeyer. Doch - gerade erst von einem Besuch im Kosovo zurückgekommen - gibt er auch
zu Bedenken: „Einerseits verständlich, dass Serbien das für seine Identität so
ungemein bedeutsame Kosovo nicht aufgeben will; andererseits muss man aber sehen,
dass die Bevölkerungsmehrheit der muslimischen Albaner im Kosovo sich aufgrund der
bisherigen Erfahrungen mit den Serben von Serbien bedroht fühlt und auf Unabhängigkeit
drängt, ja besteht.“ Für Don Matteo di Fiore, Leiter des Salesianerwerks in
Pristina und im Kosovo, gibt es keinen Zweifel: Das Volk will die Unabhängigkeit.
„Die Lage hier ist schon seit Jahren gespannt, vor allem, weil das Volk nicht weiß,
wo seine Zukunft liegt. Die Menschen leiden also unter Unsicherheit und Angst, die
Situation hat aber auch wirtschaftliche und soziale Folgen. Der Kosovo ist das ärmste
Land Europas, 15 Prozent der Bevölkerung leben in extremster Armut.“ Jenseits
der politischen Debatte hat die Kirchen, nicht nur die katholische, in erster Linie
vor allem ihren Dienst getan, sagt Hohmeyer: „Ja, sie hat sich enorm bemüht,
und das muss man wohl von allen Kirchen sagen, die schreckliche Not vor Ort zu sehen,
wahrzunehmen und das ihr mögliche zu tun, die Menschen vor Ort zu stützen.“ Das
Moskauer Patriarchat verknüpft die künftige Gestaltung seiner Beziehungen zum Heiligen
Stuhl mit dessen Haltung in der Kosovo-Frage. Wenn die katholische Kirche den Dialog
mit der Orthodoxie tatsächlich vertiefen wolle, könnte sie das durch den Einsatz für
den Schutz der orthodoxen Christen und heiligen Stätten im Kosovo, der „geistigen
Wiege des serbischen Volkes“, zum Ausdruck bringen, sagte Alexij II. gegenüber einer
Belgrader Tageszeitung. Bischof Hohmeyer mahnt besonnen: „Ich sehe in der
Äußerung des Moskauer Patriarchats letztlich Solidarität mit der serbisch-orthodoxen
Kirche, was ja wiederum verständlich ist.“ Vom Heiligen Stuhl werde es keine
Aussage zur politischen Fragestellung geben, das sei sicher. Doch - und da sind sich
alle christlichen Konfessionen einig: Der Verbleib der serbisch-orthodoxen Minderheit
müsse gesichert werden, ebenso wie die Sicherheit der serbisch-orthodoxen Klöster. Eine
Entscheidung ist noch nicht in Sicht, am 19.12. berät der UN-Sicherheitsrat über das
weitere Vorgehen. Hohmeyer: „Viele meinen und hoffen, auch ich: Wenn es zu einer
Entkrampfung zwischen Kosovo und Serbien kommen sollte, die eine Vorraussetzung für
die von beiden Seiten gewünschte Mitgliedschaft in der EU ist, könnte sich eine tragfähige
Beziehung zwischen beiden entwickeln.“ Die internationale Gemeinschaft sei
mit einer möglichen Unabhängigkeit der serbischen Provinz noch lange nicht aus der
Verantwortung entlassen, betont der Salesianer Fiore: „Die Vereinten Nationen waren
hier sehr stark vertreten, aber vielleicht nicht sehr effektiv. Doch Veränderung muss
aus dem Volk heraus kommen. Mit der Unabhängigkeit könnte eine neue Phase der Politik
beginnen, die Vereinten Nationen und Europa müssten dann das Land zu einer Ordnung
führen, zu ausreichender wirtschaftlicher, sozialer und politischer Autonomie.“ (rv/agenturen
17.12.2007 bp)