Alle Getauften haben
Recht, aber auch die Pflicht zu missionieren – das heißt, das Wort Gottes, die Wahrheit,
in die Welt zu tragen. Das beschneidet keineswegs die Freiheit des „Empfängers“, stellt
das neue Missionsdokument aus der Glaubenskongregation klar. Insofern versucht es,
„den Freiheitsanspruch des Menschen mit dem Wahrheitsanspruch zu versöhnen“, sagte
uns der Mainzer Pastoraltheologe P. Michael Sievernich SJ in einer ersten Analyse. „Das
Besondere des Textes ist es, dass er angesichts der Relativismen, die ja nicht zu
leugnen sind, auf der einen Seite eine legitime Pluralität, auch innerhalb der Kirche,
auch innerhalb der Theologie, durchaus bestätigt – und absetzt von einem indifferenten
Pluralismus, der alles und jedes zulässt. Hier setzt das Dokument auf die Wahrheitsfähigkeit
des Menschen, die nicht seiner Freiheit widerspricht. Es ist der Versuch, den Freiheitsanspruch
des Menschen, den das Dokument sehr stark betont, mit dem Wahrheitsanspruch zu versöhnen.“ Als
Mittel zur Mission benennt das Dokument zum einen die Verkündigung des Wortes, zum
anderen das gelebte Beispiel. Zwang hat keinen Platz in der Evangelisierung: „Der
entscheidende Punkt scheint mir der zu sein, dass dieser Anspruch (an Mission) klar
verknüpft wird mit jeder Absage an irgendwelchen Zwang, an irgendwelche Gewalt, an
irgendwelchen Druck, weil eben die Wahrheit sich nur durch ihre eigene Evidenz verbreiten
kann und nicht durch äußeren Druck, den es ja in der Missionsgeschichte durchaus immer
wieder gegeben hat. Dieses Dokument sagt deutlich: kein Zwang, kein Druck, sondern
der Anspruch oder das Ansprechen der Freiheits- und Wahrheitsfähigkeit des Menschen,
der dann aus eigener Freiheit selber sich zum Glauben an Jesus Christus entscheiden
muss.“ Sievernich fällt an dem Dokument besonders positiv auf, „dass
es den Inkulturationsbegriff aufgreift, Inkulturation als Bereicherung versteht, also
die Verwurzelung des Evangeliums in allen Kulturen der Welt und in allen Herzen der
Menschen – und auf der anderen Seite sehr stark die Rolle des Heiligen Geistes als
Protagonist der Mission bezeichnet. Sodass man tatsächlich sagen könnte: Bevor der
Missionar kommt, ist der Heilige Geist schon da gewesen…!“ Allerdings hätte
das Dokument gerade mit Blick auf die Inkulturation noch einen Schritt weiter gehen
können, findet der Mainzer Pastoraltheologe. Denn: „Nicht nur die Kirche des
Westens hat einen Missionsauftrag, sondern den haben im Prinzip alle Ortskirchen -
Ortskirchen, die in verschiedenen Kulturen verwurzelt sind, sei es in Asien, in Amerika,
in Europa. Deshalb hat ja gerade die Lateinamerikanische Kirche in Aparecida beschlossen,
dieses große Missionsthema auf ihre Agenda zu setzen. Alle Ortskirchen sind missionarisch,
weil das Missionarische der Grundzug der Kirche ist. Diesen Punkt hätte ich mir vielleicht
etwas deutlicher gewünscht, aber ich denke das ist auch die Entwicklung der nächsten
Zeit; dieses Erlebnis, dass die gesamte Weltkirche missionarisch ist, das werden wir
in der Zukunft erleben.“ (rv 14.12.2007 gs)