Als „großes und eindrucksvolles Dokument des katholischen und weithin auch des christlichen
Verständnisses über die Hoffnung“ hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz,
Karl Kardinal Lehmann, die neue Enzyklika von Papst Benedikt XVI. „SPE SALVI – über
die christliche Hoffnung“ gewürdigt, die heute in Rom veröffentlicht worden ist. Der
„zugleich meditative und reflexive“ Text wolle viele Leser zu den „Lern- und Übungsorten
der Hoffnung“ führen und ziele „auf eine große Ermutigung im Zeichen der christlichen
Hoffnung“. In das Dokument seien „viele Erkenntnisse aus der Diagnose unserer Gegenwart,
den theologischen Disziplinen, philosophischen Überlegungen und verschiedenen Zeugnissen
aus Geschichte und Gegenwart“ eingegangen und es enthalte Hinweise auf „wichtige Pioniere
des neuzeitlichen Denkens“. Die deutschen Bischöfe dankten dem Papst „für diese wertvolle
Unterstützung im Umgang mit unserem Glaubensbekenntnis“. Die Würdigung im
Wortlaut: Würdigung der zweiten Enzyklika von Papst Benedikt XVI., „Über
die christliche Hoffnung ‚SPE SALVI‛“, veröffentlicht am 30. November 2007 in
Rom, von Karl Kardinal Lehmann, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz 1.
Papst Benedikt XVI. hat vor knapp zwei Jahren, nämlich an Weihnachten 2005, seine
erste Enzyklika „Gott ist die Liebe“ (Deus Caritas est) unterzeichnet und am 25. Januar
2006 veröffentlicht. Nach zwei Jahren, im dritten Jahr seines Pontifikates, veröffentlicht
er nun am 30. November 2007 sein zweites Weltrundschreiben. Er wählt damit ein bedeutungsvolles
Datum, nämlich den unmittelbaren Vorabend zum Beginn des Adventes und eines neuen
Kirchenjahres. Zugleich ist es das Fest des heiligen Apostels Andreas, dem in Konstantinopel
eine besondere Verehrung zuteil wird, und das bald nach dem Zweiten Vatikanischen
Konzil zu einem Tag der Begegnung zwischen der katholischen und der orthodoxen Kirche
geworden ist. Der deutsche Titel lautet „Über die christliche Hoffnung“. Die lateinischen
Anfangsworte, nach denen eine Enzyklika zitiert wird, heißen „Spe Salvi“. Die einleitenden
Sätze (vgl. Nr. 1) erinnern bei diesem Titel an eine Formulierung des heiligen Paulus
im Brief an die Römer 8,24: „SPE SALVI facti sumus – auf Hoffnung hin sind wir gerettet“. 2.
Die Enzyklika über die christliche Hoffnung hat in der deutschen Übersetzung 60 Druckseiten.
Sie ist in sieben Hauptabschnitte eingeteilt, denen eine knappe Einleitung vorausgeht
und ein Schlussgebet zu Maria, Stern der Hoffnung, folgt. Der Text ist in genau 50
Artikel gegliedert. Die 40 Anmerkungen belegen die meisten Zitate. Die deutsche Übersetzung
erscheint in den Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 179, herausgegeben vom
Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz. Dieser Würdigung ist der Versuch
einer kurzen Zusammenfassung der Enzyklika beigegeben, was selbstverständlich eine
eigene, sorgfältige Lektüre des Textes nicht ersetzen kann. 3. Das philosophische
und theologische Denken vor allem der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts hat im Thema
Hoffnung einen großen Schwerpunkt gefunden. Gewiss haben gerade die negativen Erfahrungen
und die Verwüstungen dieses Jahrhunderts die Frage nach der verbliebenen Hoffnung
so stark aufkommen lassen. Freilich war die Frage schon in der ganzen Neuzeit zentral
vorbereitet. Bei Immanuel Kant haben sich z.B. die verschiedenen Interessen in der
Frage vereint „Was darf ich hoffen?“. Die Antwort sollte von der Religion gegeben
werden. Das dreibändige Werk des Philosophen Ernst Bloch „Das Prinzip Hoffnung“ (Berlin
1954-1959) gehört zu den Grundbüchern der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und
hat bis heute einen großen Einfluss. Nicht vergessen darf man dabei das Denken des
katholischen französischen Philosophen Gabriel Marcel, der uns schon am Ende des Zweiten
Weltkrieges unter dem Titel „Homo viator“ eine Metaphysik der Hoffnung geschenkt hat
(Paris 1945, deutsche Übersetzung: Düsseldorf 1949). So ist es nicht zufällig, dass
auch besonders im deutschen Sprachgebiet bald viele Bemühungen um eine Theologie der
Hoffnung einsetzten, die vor allem mit den Namen Jürgen Moltmann, Gerhard Sauter und
Johann B. Metz verbunden ist. An diesem vertieften Nachdenken über die biblische Hoffnung
haben die meisten theologischen Disziplinen mitgewirkt. Besonders bekannt geworden
ist auch das Dokument „Unsere Hoffnung“ der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der
Bundesrepublik Deutschland aus dem Jahr 1975 (vgl. Offizielle Gesamtausgabe I, 84-111). Der
Text der Enzyklika hat eine eigene, selbstständige Gedankenführung, aber man spürt,
dass Papst Benedikt XVI. selbstverständlich diese geistigen Bewegungen und Denkversuche
kennt und sich auch mit ihnen auseinandersetzt. Soweit in dem Weltrundschreiben das
Verständnis der „letzten Dinge“ angesprochen wird, darf man nicht vergessen, dass
Joseph Ratzinger die Eschatologie, also die Lehre von Tod und Ewigem Leben, als Theologe
maßgeblich mitbestimmt hat. Dies ist besonders im letzten Teil der Enzyklika zu spüren
(vgl. die Erstauflage „Eschatologie“, Regensburg 1977, also vor 30 Jahren, und die
Neuausgabe unter demselben Titel, Regensburg 2007). 4. Auch wenn der Text zum größten
Teil in einer einfachen, gut verständlichen Sprache geschrieben ist, darf man nicht
übersehen, wie viele Erkenntnisse aus der Diagnose unserer Gegenwart, den theologischen
Disziplinen, philosophischen Überlegungen und verschiedenen Zeugnissen aus Geschichte
und Gegenwart direkt oder indirekt eingegangen sind. Das große europäische Denken,
z.B. bei Plato und Kant, wird ebenso angesprochen wie die hohe Dichtung, z.B. von
Dostojewski. Die Kirchenväter der ersten Jahrhunderte und mittelalterliche Theologen
kommen ebenso zur Sprache wie neuere Klassiker der Theologie, so z.B. H. de Lubac.
Mit großem Abstand ragt dabei der heilige Augustinus hervor, dem Joseph Ratzinger
schon von seiner Doktorarbeit her besonders verbunden ist. Große Gestalten christlicher
Spiritualität aus der Weltkirche veranschaulichen durch ihr Zeugnis das Gesagte, so
z.B. der vietnamesische Kardinal Nguyen Van Thuan und der ebenfalls vietnamesische
Märtyrer Paul Le-Bao-Thin. Hinweise auf wichtige Pioniere des neuzeitlichen Denkens
wie Francis Bacon, Karl Marx und aus der Gegenwart Theodor W. Adorno und Max Horkheimer
fallen auf. Der Katechismus der katholischen Kirche findet besonders gegen Ende häufig
Erwähnung. Im Übrigen spürt man auch besonders in den ersten Passagen, aber auch bis
zum Ende eine spürbare, tiefer gehende Beschäftigung mit den Ergebnissen der biblischen
Exegese, vor allem des Neuen Testaments. Auch wenn vieles davon in den Text eingegangen
ist, so hat Papst Benedikt XVI. bei seiner großen Souveränität gegenüber diesen geistigen
Partnern und seiner sprachlichen Gestaltungskunst einen Text geschrieben, der zugleich
meditativ und reflexiv ist. Es finden sich schöne Zeugnisse aus der Glaubensgeschichte,
aber auch viele gelungene eigene Formulierungen. Bei der Darlegung der katholischen
Lehre von den „letzten Dingen“ (vgl. Nr. 32-48) steigert sich nochmals die sprachliche
Kraft und Schönheit in der Darstellung, z.B. im Blick auf die Aussagen über Ewiges
Leben, Himmel, Hölle und Fegefeuer. 5. Behutsam führt der Papst nach einer knappen
Einleitung (Nr. 1) den Leser vom Zeugnis der Bibel über die Hoffnung (Nr. 2-9) zu
einem Kernproblem neuzeitlicher Auseinandersetzungen mit dem biblischen Glauben, nämlich
zur Frage nach dem Ewigen Leben (Nr. 10-12). Er geht dann einem alten Einwand nach,
die christliche Hoffnung sei individualistisch und zeigt die universale Dimension
christlicher Hoffnung auf (Nr. 13-15). Ausführlich wird gezeigt, wie der christliche
Hoffnungsglaube in der Neuzeit grundsätzlich, aber besonders in der Folge der Französischen
Revolution und des Fortschrittsglaubens im 19. Jahrhundert umgewandelt wird (Nr. 16-23).
Daraus ergibt sich nun die wahre Gestalt der christlichen Hoffnung, die jetzt im Zentrum
entfaltet werden kann (Nr. 24-31). Im umfangreichsten Abschnitt werden die „Lern-
und Übungsorte der Hoffnung“ in drei größeren Schritten entfaltet (Nr. 32-48). Der
Leser soll besonders darauf aufmerksam gemacht und zu diesem Ziel geführt werden.
Eine gewisse Zusammenfassung des Papstes zur Vorbereitung auf diesen Höhepunkt erfolgt
besonders in Nr. 30. Ein umfangreiches Gebet an Maria, „Stern der Hoffnung“ (Nr. 49-50),
beschließt den dichten Text. 6. Der Papst hat wiederum, ähnlich wie in seiner
ersten Enzyklika „Gott ist die Liebe“, ein großes Dokument geschrieben und veröffentlicht,
das an das erste Weltrundschreiben anschließt. Es ist ein sorgfältig gewobener Text,
der – besonders im biblischen Teil – exegetische Informationen, geschichtliche Zusammenhänge,
systematisch-theologische Überlegungen, dogmengeschichtliche Resultate, spirituelle
Zeugnisse u.a. auf relativ kurzem Raum eindrucksvoll zusammenfügt. Viele Passagen
laden zum meditativen Verweilen ein. Der Text ist im Blick auf die Einladung an viele
Leser („an alle Christgläubigen“, wie der Titel zeigt) ohne Polemik und möchte viele
gewinnen. An den seltenen Stellen, an denen für die orthodoxen und protestantischen
Leser Verschiedenheiten des Glaubensverständnisses erscheinen, wie z.B die ausführlichere
Darstellung des so genannten Fegefeuers und des Gebetes für die Toten (vgl. Nr. 46-48),
gibt sich der Papst größte Mühe, die tieferen Motive für die katholische Lehre einsichtig
zu machen. Darum kann man auch mit dem vorgelegten Text gut und fruchtbar arbeiten
im Zusammenhang der Predigtvorbereitung, der Katechese und des Religionsunterrichtes,
aber auch in der Erwachsenenbildung und nicht zuletzt in den verschiedenen Sparten
der Theologie selbst. Er zeigt auch Gemeinsames für alle Christen auf (vgl. z.B. die
wichtigen Ausführungen zum Sinn der Gerichtsaussagen: Nr. 41-48) und möchte über die
verbleibenden Unterschiede das ökumenische Gespräch fördern. Der Papst hat ein
großes und eindrucksvolles Dokument des katholischen und weithin auch des christlichen
Verständnisses über die Hoffnung geschrieben. Er spricht im Kern viele Bedenken und
Ängste des heutigen Menschen und in der gegenwärtigen Menschheit an. Er zielt im Durchgang
durch die Schwierigkeiten und Widrigkeiten des Lebens, ohne sie herunterzuspielen,
auf eine große Ermutigung im Zeichen der christlichen Hoffnung. Die deutschen
Bischöfe danken Papst Benedikt XVI. für diese wertvolle Unterstützung im Umgang mit
unserem Glaubensbekenntnis und möchten herzlich zu einer eigenen Lektüre einladen.