„Marx ist tot – Menschen, hofft auf Gott!“ So fasst eine italienische Zeitung an diesem
Freitag die Kernthese der Enzyklika zusammen. Hier sind für Sie die Kernsätze aus
„Spe salvi“.
Glaube ist Hoffnung
Erlösung ist uns in der Weise
gegeben, dass uns Hoffnung geschenkt wurde, eine verlässliche Hoffnung, von der her
wir unsere Gegenwart bewältigen können... Hoffnung ist... ein Zentralwort des biblischen
Glaubens; so sehr, dass die Wörter Glaube und Hoffnung an verschiedenen Stellen als
austauschbar erscheinen.... Wer Hoffnung hat, lebt anders...
Gott kennenlernen
– den wahren Gott, das bedeutet Hoffnung empfangen... Das Christentum hatte keine
sozialrevolutionäre Botschaft gebracht... Jesus war ... kein Befreiungskämpfer...
Was Jesus... gebracht hat, war etwas ganz anderes: ... die Begegnung mit dem lebendigen
Gott und so die Begegnung mit einer Hoffnung ,die stärker war als die Leiden der Sklaverei
und daher von innen her das Leben und die Welt umgestaltete.... Das änderte, auch
wenn die äußeren Strukturen gleich blieben, von innen her die Gesellschaft...
Nicht
die Gesetze der Materie und der Evolution sind die letzte Instanz, sondern Verstand,
Wille, Liebe – eine Person.... Der Himmel ist nicht leer. Das Leben ist nicht bloßes
Produkt der Gesetze und des Zufalls... Gott hat sich in Christus gezeigt..., und so
erhält das Warten auf Gott eine neue Gewissheit. Es ist Warten auf Kommendes von einer
schon geschenkten Gegenwart her. Es ist Warten in der Gegenwart Christi...
Ewiges
Leben – was ist das?
Wir möchten irgendwie das Leben selbst, das eigentliche,
das dann auch nicht vom Tod berührt wird... Wir können nicht aufhören, uns danach
auszustrecken... Das Wort „ewiges Leben“ versucht, diesem unbekannt Bekannten einen
Namen zu geben. Es ist notwendigerweise ein ... ungenügendes Wort... Wir können nur
versuchen, aus der Zeitlichkeit, in der wir gefangen sind, herauszudenken und zu ahnen,
dass Ewigkeit... etwas wie der erfüllte Augenblick ist, in dem uns das Ganze umfängt
und wir das Ganze umfangen. Es wäre der Augenblick des Eintauchens in den Ozean der
unendlichen Liebe, in dem es keine Zeit... mehr gibt. ... In dieser Richtung müssen
wir denken, wenn wir verstehen wollen, worauf die christliche Hoffnung zielt...
Diese
auf Gemeinschaft hin orientierte Sicht des „seligen Lebens“ zielt zwar über die gegenwärtige
Welt hinaus, hat aber gerade so auch mit Weltgestaltung zu tun... (In der Neuzeit)
wird diese „Erlösung“... nicht mehr vom Glauben erwartet, sondern von dem neu gefundenen
Zusammenhang von Wissenschaft und Praxis. Der Glaube wird dabei... auf eine andere
Ebene – die des bloß Privaten... – verlagert... Diese programmatische Sicht hat den
Weg der Neuzeit bestimmt und bestimmt auch noch immer die Glaubenskrise der Gegenwart,
die ganz praktisch vor allem eine Krise der christlichen Hoffnung ist...
Wandlungen
des Hoffnungsglaubens in der Neuzeit
Karl Marx hat ... mit sprachlicher
und denkerischer Kraft... (den) – wie er meinte – endgültigen Schritt der Geschichte
zum Heilen hin... auf den Weg zu bringen versucht. Nachdem die Wahrheit des Jenseits
entschwunden sei, gelte es nun, die Wahrheit des Diesseits zu etablieren.... (Doch
er) hat vergessen, dass der Mensch immer ein Mensch bleibt. Er hat den Menschen vergessen,
und er hat seine Freiheit vergessen... Er glaubte, wenn die Ökonomie in Ordnung sei,
sei von selbst alles in Ordnung... (Aber) der Mensche ist eben nicht nur Produkt der
ökonomischen Zustände, und man kann ihn allein von außen her, durch das Schaffen günstiger
ökonomischer Bedingungen, nicht heilen...
Eine Selbstkritik der Neuzeit im
Dialog mit dem Christentum und seiner Hoffnungsgestalt ist notwendig... (Darin) muss
auch eine Selbstkritik des neuzeitlichen Christentums eingehen, das von seinen Wurzeln
her sich selbst immer wieder neu verstehen lernen muss... Wenn dem technischen Fortschritt
nicht Fortschritt in der moralischen Bildung des Menschen... entspricht, dann ist
er kein Fortschritt, sondern eine Bedrohung... Die Vernunft des Könnens und Machens
(muss) dringend durch die Öffnung der Vernunft für die rettenden Kräfte des Glaubens,
für die Unterscheidung von Gut und Böse ergänzt werden...
Der Mensch braucht
Gott, sonst ist er hoffnungslos
Der Mensch braucht Gott, sonst ist er hoffnungslos.
Diese Aussage des heiligen Paulus erweist sich vom Verlauf der Neuzeit her als ganz
realistisch und schlichtweg als wahr... Der rechte Zustand der menschlichen Dinge...
kann nie einfach durch Strukturen allein gewährleistet werden, wie gut sie auch sein
mögen... Weil der Mensch immer frei bleibt, ... wird es nie das endgültig eingerichtete
Reich des Guten in dieser Welt geben. Wer die definitiv für immer bleibende bessere
Welt verheißt, macht eine falsche Verheißung...
Nicht die Wissenschaft erlöst
den Menschen. Erlöst wird der Mensch durch die Liebe... Durch (Jesus) sind wir Gottes
gewiß geworden – eines Gottes, der nicht eine ferne „Erstursache“ der Welt darstellt... In
diesem Sinn gilt, dass, wer Gott nicht kennt, zwar vielerlei Hoffnungen haben kann,
aber im letzten... ohne die große, das ganze Leben tragende Hoffnung ist. Die wahre,
die große und durch alle Brüche hindurch tragende Hoffnung des Menschen kann nur Gott
sein – der Gott, der uns... liebt...
„Für alle“
Das Mitsein mit
Jesus Christus nimmt uns in sein „Für alle“ hinein, macht es zu unserer Seinsweise.
Es verpflichtet uns für die anderen... Die Liebe Gottes zeigt sich in der Verantwortung
dem andern gegenüber... Hoffnung im christlichen Sinn ist immer auch Hoffnung für
die anderen... Sie ist aktive Hoffnung... Gewiß, wir können das Reich Gottes nicht
selber „bauen“ – was wir bauen, bleibt immer Menschenreich... Und wir können ... den
Himmel nicht durch unsere Werke „verdienen“.... Aber (dennoch bleibt) wahr, dass unser
Tun nicht gleichgültig ist vor Gott und daher nicht gleichgültig für den Gang der
Geschichte...
Leiden
Nicht die Vermeidung des Leidens, nicht
die Flucht vor dem Leiden heilt den Menschen, sondern die Fähigkeit, das Leiden anzunehmen
und in ihm zu reifen, in ihm Sinn zu finden durch die Vereinigung mit Christus...
Das Maß der Humanität bestimmt sich ganz wesentlich im Verhältnis zum Leid und zum
Leidenden... Eine Gesellschaft, die die Leidenden nicht annehmen... kann, ist eine
grausame und inhumane Gesellschaft... Leiden mit dem anderen, für den anderen ...
– das sind grundlegende Elemente der Humanität...
Dem christlichen Glauben
kommt in der Geschichte der Humanität gerade diese Bedeutung zu, dass er im Menschen
auf neue Weise ... die Fähigkeit zu diesen für seine Menschlichkeit entscheidenden
Weisen des Liebens entbunden hat...
Gerechtigkeit und Gnade – die Begegnung
mit ihm
Eine Welt, die sich selbst Gerechtigkeit schaffen muss, ist eine
Welt ohne Hoffnung... Niemand und nichts bürgt dafür, dass nicht weiter der Zynismus
der Macht... die Welt beherrscht. (Doch) Gott weiß Gerechtigkeit zu schaffen... Ja,
es gibt die Auferstehung des Fleisches. Es gibt Gerechtigkeit. Es gibt den „Widerruf“
des vergangenen Leidens... Daher ist der Glaube an das Letzte Gericht zuallererst...
Hoffnung...
Ich bin überzeugt, dass die Frage der Gerechtigkeit das eigentliche...
Argument für den Glauben an das ewige Leben ist... Gott ist Gerechtigkeit und schafft
Gerechtigkeit... Aber in seiner Gerechtigkeit ist zugleich Gnade... Das Begegnen mit
(Christus) ist der entscheidende Akt des Gerichts. Vor seinem Anblick schmilzt alle
Unwahrheit. Die Begegnung mit ihm ist es, die uns umbrennt und freibrennt zum Eigentlichen
unserer selbst...
Keiner lebt allein... Keiner wird allein gerettet... An das
Herz des anderen zu rühren, ist nie zu spät und nie vergebens... Als Christen sollten
wir uns nie nur fragen: wie kann ich mich selber retten? Sondern auch: wie kann ich
dienen, damit andere gerettet werden und dass anderen der Stern der Hoffnung aufgeht?"
(zusammengestellt
von Stefan Kempis, Radio Vatikan)