2007-11-30 11:59:49

Die Kernsätze der neuen Enzyklika


„Marx ist tot – Menschen, hofft auf Gott!“ So fasst eine italienische Zeitung an diesem Freitag die Kernthese der Enzyklika zusammen. Hier sind für Sie die Kernsätze aus „Spe salvi“.

Glaube ist Hoffnung

Erlösung ist uns in der Weise gegeben, dass uns Hoffnung geschenkt wurde, eine verlässliche Hoffnung, von der her wir unsere Gegenwart bewältigen können... Hoffnung ist... ein Zentralwort des biblischen Glaubens; so sehr, dass die Wörter Glaube und Hoffnung an verschiedenen Stellen als austauschbar erscheinen.... Wer Hoffnung hat, lebt anders...

Gott kennenlernen – den wahren Gott, das bedeutet Hoffnung empfangen... Das Christentum hatte keine sozialrevolutionäre Botschaft gebracht... Jesus war ... kein Befreiungskämpfer... Was Jesus... gebracht hat, war etwas ganz anderes: ... die Begegnung mit dem lebendigen Gott und so die Begegnung mit einer Hoffnung ,die stärker war als die Leiden der Sklaverei und daher von innen her das Leben und die Welt umgestaltete.... Das änderte, auch wenn die äußeren Strukturen gleich blieben, von innen her die Gesellschaft...

Nicht die Gesetze der Materie und der Evolution sind die letzte Instanz, sondern Verstand, Wille, Liebe – eine Person.... Der Himmel ist nicht leer. Das Leben ist nicht bloßes Produkt der Gesetze und des Zufalls... Gott hat sich in Christus gezeigt..., und so erhält das Warten auf Gott eine neue Gewissheit. Es ist Warten auf Kommendes von einer schon geschenkten Gegenwart her. Es ist Warten in der Gegenwart Christi...

Ewiges Leben – was ist das?

Wir möchten irgendwie das Leben selbst, das eigentliche, das dann auch nicht vom Tod berührt wird... Wir können nicht aufhören, uns danach auszustrecken... Das Wort „ewiges Leben“ versucht, diesem unbekannt Bekannten einen Namen zu geben. Es ist notwendigerweise ein ... ungenügendes Wort... Wir können nur versuchen, aus der Zeitlichkeit, in der wir gefangen sind, herauszudenken und zu ahnen, dass Ewigkeit... etwas wie der erfüllte Augenblick ist, in dem uns das Ganze umfängt und wir das Ganze umfangen. Es wäre der Augenblick des Eintauchens in den Ozean der unendlichen Liebe, in dem es keine Zeit... mehr gibt. ... In dieser Richtung müssen wir denken, wenn wir verstehen wollen, worauf die christliche Hoffnung zielt...

Diese auf Gemeinschaft hin orientierte Sicht des „seligen Lebens“ zielt zwar über die gegenwärtige Welt hinaus, hat aber gerade so auch mit Weltgestaltung zu tun... (In der Neuzeit) wird diese „Erlösung“... nicht mehr vom Glauben erwartet, sondern von dem neu gefundenen Zusammenhang von Wissenschaft und Praxis. Der Glaube wird dabei... auf eine andere Ebene – die des bloß Privaten... – verlagert... Diese programmatische Sicht hat den Weg der Neuzeit bestimmt und bestimmt auch noch immer die Glaubenskrise der Gegenwart, die ganz praktisch vor allem eine Krise der christlichen Hoffnung ist...

Wandlungen des Hoffnungsglaubens in der Neuzeit

Karl Marx hat ... mit sprachlicher und denkerischer Kraft... (den) – wie er meinte – endgültigen Schritt der Geschichte zum Heilen hin... auf den Weg zu bringen versucht. Nachdem die Wahrheit des Jenseits entschwunden sei, gelte es nun, die Wahrheit des Diesseits zu etablieren.... (Doch er) hat vergessen, dass der Mensch immer ein Mensch bleibt. Er hat den Menschen vergessen, und er hat seine Freiheit vergessen... Er glaubte, wenn die Ökonomie in Ordnung sei, sei von selbst alles in Ordnung... (Aber) der Mensche ist eben nicht nur Produkt der ökonomischen Zustände, und man kann ihn allein von außen her, durch das Schaffen günstiger ökonomischer Bedingungen, nicht heilen...

Eine Selbstkritik der Neuzeit im Dialog mit dem Christentum und seiner Hoffnungsgestalt ist notwendig... (Darin) muss auch eine Selbstkritik des neuzeitlichen Christentums eingehen, das von seinen Wurzeln her sich selbst immer wieder neu verstehen lernen muss... Wenn dem technischen Fortschritt nicht Fortschritt in der moralischen Bildung des Menschen... entspricht, dann ist er kein Fortschritt, sondern eine Bedrohung... Die Vernunft des Könnens und Machens (muss) dringend durch die Öffnung der Vernunft für die rettenden Kräfte des Glaubens, für die Unterscheidung von Gut und Böse ergänzt werden...

Der Mensch braucht Gott, sonst ist er hoffnungslos

Der Mensch braucht Gott, sonst ist er hoffnungslos. Diese Aussage des heiligen Paulus erweist sich vom Verlauf der Neuzeit her als ganz realistisch und schlichtweg als wahr... Der rechte Zustand der menschlichen Dinge... kann nie einfach durch Strukturen allein gewährleistet werden, wie gut sie auch sein mögen... Weil der Mensch immer frei bleibt, ... wird es nie das endgültig eingerichtete Reich des Guten in dieser Welt geben. Wer die definitiv für immer bleibende bessere Welt verheißt, macht eine falsche Verheißung...

Nicht die Wissenschaft erlöst den Menschen. Erlöst wird der Mensch durch die Liebe... Durch (Jesus) sind wir Gottes gewiß geworden – eines Gottes, der nicht eine ferne „Erstursache“ der Welt darstellt...
In diesem Sinn gilt, dass, wer Gott nicht kennt, zwar vielerlei Hoffnungen haben kann, aber im letzten... ohne die große, das ganze Leben tragende Hoffnung ist. Die wahre, die große und durch alle Brüche hindurch tragende Hoffnung des Menschen kann nur Gott sein – der Gott, der uns... liebt...

„Für alle“

Das Mitsein mit Jesus Christus nimmt uns in sein „Für alle“ hinein, macht es zu unserer Seinsweise. Es verpflichtet uns für die anderen... Die Liebe Gottes zeigt sich in der Verantwortung dem andern gegenüber... Hoffnung im christlichen Sinn ist immer auch Hoffnung für die anderen... Sie ist aktive Hoffnung... Gewiß, wir können das Reich Gottes nicht selber „bauen“ – was wir bauen, bleibt immer Menschenreich... Und wir können ... den Himmel nicht durch unsere Werke „verdienen“.... Aber (dennoch bleibt) wahr, dass unser Tun nicht gleichgültig ist vor Gott und daher nicht gleichgültig für den Gang der Geschichte...

Leiden

Nicht die Vermeidung des Leidens, nicht die Flucht vor dem Leiden heilt den Menschen, sondern die Fähigkeit, das Leiden anzunehmen und in ihm zu reifen, in ihm Sinn zu finden durch die Vereinigung mit Christus... Das Maß der Humanität bestimmt sich ganz wesentlich im Verhältnis zum Leid und zum Leidenden... Eine Gesellschaft, die die Leidenden nicht annehmen... kann, ist eine grausame und inhumane Gesellschaft... Leiden mit dem anderen, für den anderen ... – das sind grundlegende Elemente der Humanität...

Dem christlichen Glauben kommt in der Geschichte der Humanität gerade diese Bedeutung zu, dass er im Menschen auf neue Weise ... die Fähigkeit zu diesen für seine Menschlichkeit entscheidenden Weisen des Liebens entbunden hat...

Gerechtigkeit und Gnade – die Begegnung mit ihm

Eine Welt, die sich selbst Gerechtigkeit schaffen muss, ist eine Welt ohne Hoffnung... Niemand und nichts bürgt dafür, dass nicht weiter der Zynismus der Macht... die Welt beherrscht. (Doch) Gott weiß Gerechtigkeit zu schaffen... Ja, es gibt die Auferstehung des Fleisches. Es gibt Gerechtigkeit. Es gibt den „Widerruf“ des vergangenen Leidens... Daher ist der Glaube an das Letzte Gericht zuallererst... Hoffnung...

Ich bin überzeugt, dass die Frage der Gerechtigkeit das eigentliche... Argument für den Glauben an das ewige Leben ist... Gott ist Gerechtigkeit und schafft Gerechtigkeit... Aber in seiner Gerechtigkeit ist zugleich Gnade... Das Begegnen mit (Christus) ist der entscheidende Akt des Gerichts. Vor seinem Anblick schmilzt alle Unwahrheit. Die Begegnung mit ihm ist es, die uns umbrennt und freibrennt zum Eigentlichen unserer selbst...

Keiner lebt allein... Keiner wird allein gerettet... An das Herz des anderen zu rühren, ist nie zu spät und nie vergebens... Als Christen sollten wir uns nie nur fragen: wie kann ich mich selber retten? Sondern auch: wie kann ich dienen, damit andere gerettet werden und dass anderen der Stern der Hoffnung aufgeht?"

(zusammengestellt von Stefan Kempis, Radio Vatikan)








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