Kommentar des Botschafters am Heiligen Stuhl, Hans Henning Horstmann "Es lebe die
Ökumene!"
Deutschland
und Ökumene
Am 23. November, also am Tag vor dem feierlichen Konsistorium,
hatte Papst Benedikt XVI. die Kardinäle zu einem Austausch über die Ökumene eingeladen.
Das Thema ist uns Deutschen wichtig. Deutschland ist das Land, in dem die Reformation
ihren Anfang nahm. Die beiden großen christlichen Kirchen sind heute mit jeweils etwa
30% der Bevölkerung gleich stark. Ökumene ist über kirchliches und persönliches Interesse
hinaus auch ein Thema von öffentlicher Relevanz, das sich auf Gesellschaft und Staat
auswirkt. Der Ökumene hat Papst Benedikt XVI. schon in seiner ersten Predigt hohe
Priorität gegeben. Mit der jüngsten Beratung im Kreis der Kardinäle hat er ein klares
Signal gesetzt: der von der katholischen Kirche seit dem II. Vatikanischen Konzil
eingeschlagene Weg der Ökumene ist unumkehrbar, selbst wenn er lang und bisweilen
beschwerlich ist.Kardinal Kasper hat in seinem Einführungsreferat, das im Osservatore
Romano abgedruckt wurde, auf die Erfolge hingewiesen, die die Ökumene in den letzten
40 Jahren erzielt hat. Dazu gehört die Tatsache, dass der Stuhl Petri zu einem internationalen
Referenzpunkt für die Ökumene geworden ist. Besucher aus allen Kirchen der Welt kommen
nach Rom. Der Heilige Stuhl wird so zu einem Ort ständigen theologischen und kulturellen
Austausches. Dies gilt ebenso für den interreligiösen Dialog. Die Bedeutung kultureller
und religiöser Fragen hat für die friedliche Gestaltung gesellschaftlicher und internationaler
Formen des Zusammenlebens deutlich zugenommen. Die Arbeit des Heiligen Stuhls ist
so im nationalen und internationalen Rahmen zunehmend politisch bedeutsam. Ohne
die Ökumene kann ich mir in Deutschland ein gutes gesellschaftliches Zusammenleben
nicht vorstellen. Die Zusammenarbeit in der Diakonie ist ausgeprägt. Malteser und
Johanniter sind nur ein Beispiel für den gemeinsamen Einsatz für die Armen, Schwachen
und Kranken. Deutschland ist nicht nur das Ursprungsland der Reformation. Es ist auch
ein wesentlicher Impulsgeber der Ökumene. Die ökumenischen Kirchentage sind dafür
ein Beleg. Dem ersten ökumenischen Kirchentag des Jahres 2003 in Berlin folgt nun
im Jahr 2010 in München ein zweite Begegnung, die in hohem Maß auf Gesellschaft und
Politik ausstrahlt. Dass sich die christlichen Kirchen zu gemeinsamen Erklärungen
in ethischen und sozialen Fragen äußern, ist eine gute Entwicklung. Mit Interesse
habe ich deshalb zur Kenntnis genommen, dass vermehrte Zusammenarbeit in gesellschaftlichen
und sozialen Fragen ein Wunsch der Kardinalsversammlung war. Unsere Gesellschaft kann
durch verstärkte Kooperation nur gewinnen. Von Rom aus ist stets die Weltkirche
im Blick. Deshalb heißt aus römischer Sicht Ökumene auch Beziehung zu den orthodoxen
Kirchen. In Deutschland denken wir aufgrund der geschichtlichen und konkreten Situation
zwar zuerst an die Kirchen aus der Reformation. Im Blick auf den europäischen Prozess
ist das ökumenische Bemühen um die Orthodoxie jedoch hoch bedeutsam. Vor allem seit
den letzten Erweiterungen der EU nach Osten haben orthodox geprägte Länder wie Rumänien
und Bulgarien die bereits mit Griechenland seit jeher vertretene orthodoxe Tradition
in Europa verstärkt. Deshalb wünsche ich als Europäer der Ökumene mit der Orthodoxie
jeglichen Erfolg. Sie wird einem noch besseren Zusammenwachsen und gegenseitigen
kulturellen Verständnis in der EU zugute kommen. Der Papst kennt das ökumenische
Gespräch, die vielfältigen lokalen, regionalen und nationalen ökumenischen Arbeiten
in Deutschland sehr gut. Er weiß um die Bedeutung der Ökumene, gerade auch mit den
Kirchen der Reformation. Zur Verständigung in der Rechtfertigungslehre, die 1999 in
Augsburg unterzeichnet wurde, hat er maßgeblich beigetragen. Mit dem Deutschen Kardinal
Bea verbindet sich die Gründung des damaligen Sekretariates für die Einheit der Christen,
mit Kardinal Walter Kasper steht heute ein in Kirche und Staat hoch geschätzter Kardinal
aus Deutschland an der Spitze des Rates für die Einheit der Christen. Hohe Vertreter
der EKD, zuletzt Bischof Dr. Wolfgang Huber, stehen in Gesprächskontakten mit dem
Papst und Vertretern des Heiligen Stuhls. Ökumene wird in Deutschland sehr sensibel
wahr genommen. Papst Benedikt XVI. und sein "Ökumene"-Minister Walter Kasper haben
mit der jüngsten Versammlung dem Thema Ökumene Impulse gegeben. Sie wirken hilfreich
in die Ökumene der Deutschen. Deutsche wollen die ökumenischen Bemühungen verstärken.
Der Dresdner Bischof Johann Reinelt hat jüngst gesagt: "Wir müssen weitermachen. Wir
sind dran."