Am Sonntag hat Benedikt
XVI. eine Heilige Messe gemeinsam mit den neuen Kardinälen gefeiert. Wir dokumentieren
den Wortlaut der Predigt in einer Übersetzung von P. Eberhard von Gemmingen SJ: Meine
Herren Kardinäle, verehrte Brüder im Bischofs- und Priesteramt, verehrte Damen
und Herren, liebe Brüder und Schwestern, In diesem Jahr wird das Fest Christkönig,
die Krönung des liturgischen Jahres, durch die Aufnahme von 23 neuen Mitgliedern des
Kardinalskollegiums bereichert. Ich habe sie – gemäß der Tradition – eingeladen, mit
mir die Eucharistie zu feiern. An jeden von ihnen richte ich meinen herzlichen Gruß
und weite ihn mit brüderlicher Liebe aus an alle hier anwesenden Kardinäle. Ich bin
auch froh, die Delegationen aus verschiedenen Ländern begrüßen zu können, sowie das
beim Heiligen Stuhl akkreditierte diplomatische Korps, sowie schließlich die Bischöfe,
Priester, Ordensfrauen und Ordensmänner und alle Gläubigen, besonders jene, die aus
den Diözesen gekommen sind, die der pastoralen Sorge einiger der neuen Kardinäle anvertraut
sind. Die liturgische Wiederkehr von Christkönig bietet unserer Feier einen bedeutsamen
Hintergrund, der sich herleitet von den biblischen Texten und von ihnen erleuchtet
wird. Wir finden uns gleichsam im Angesicht eines eindrucksvollen Frescos mit drei
Szenen: Im Mittelpunkt die Kreuzigung nach dem Bericht des Evangelisten Lukas. Auf
einer Seite die Königssalbung Davids durch die Ältesten Israels, auf der anderen Seite
der Christushymnus, mit dem Sankt Paulus den Brief an die Kolosser eröffnet. Das ganze
wird beherrscht von der Figur Christi, dem einzigen Herrn, vor dem wir alle Brüder
sind. Die gesamte Hierarchie der Kirche, jedes Charisma und jedes Amt, wir alle und
jeder Einzelne ist im Dienste seiner Herrschaft. Wir müssen vom zentralen Ereignis
ausgehen: Das Kreuz. Hier manifestiert Christus sein einzigartiges Königtum. Auf dem
Kalvarienberg treten zwei gegensätzliche Haltungen gegenüber. Einige Persönlichkeiten
zu Füßen des Kreuzes, unter ihnen auch einer der beiden Räuber, wenden sich voll Verachtung
an den Gekreuzigten: Wenn Du Christus bist, der Messiaskönig – so sagen sie – dann
rette dich selbst und steig vom Kreuz herunter. Jesus aber offenbart seine eigene
Ehre indem er dort bleibt, als am Kreuz geopfertes Lamm. Mit ihm verbindet sich überraschenderweise
der andere Räuber, indem er implizit das Königtum des unschuldigen Gerechten bekennt
und ihn anruft: Gedenke meiner, wenn du in dein Reich kommst. (Lukas 23.42) Kyrill
von Alexandrien kommentiert: „Du siehst ihn gekreuzigt und du nennst ihn König. Du
glaubst, dass der der Leid und Schmach erträgt, zur göttlichen Glorie gelangen wird.“
(Kommentar zu Lukas, Homelie 153) Nach dem Johannes-Evangelium ist die göttliche
Glorie schon anwesend, wenn auch verborgen durch die Entstellung am Kreuz. Aber auch
in der Sprache des Lukas wird die Zukunft vorweggenommen, wenn Jesus dem guten Räuber
verspricht: Heute noch wirst du mit mir im Paradiese sein. (Lukas 23,43) Dazu bemerkt
der Heilige Ambrosius: „Der betete, dass der Herr sich seiner erinnern möge, wenn
er in sein Reich gekommen sein wird. Aber der Herr antwortete: Wahrlich, wahrlich
ich sage dir, h e u t e noch wirst du mit mir im Paradiese sein. Leben bedeutet, bei
Christus sein, denn: wo Christus ist, dort ist auch das Reich.“ (Erklärung des Lukas,
10, 121) Die Anklage: „Dieser ist der König der Juden“ geschrieben auf einer Tafel,
angenagelt über dem Haupt Jesu wird so zur Verkündigung der Wahrheit. Der Heilige
Ambrosius merkt an: „Es ist richtig, dass die Aufschrift oben am Kreuz hängt, denn
– wenn der Herr auch am Kreuz hängt – so erstrahlt er doch von der Höhe des Kreuzes
mit königlicher Macht. (ebd. 10, 131) Die Szene der Kreuzigung stellt – nach den
vier Evangelien – den Moment der Wahrheit dar, in dem der Vorhang des Tempels zerreißt
und der Heilige der Heiligen erscheint. Im gekreuzigten Jesus geschieht die größte
Offenbarung Gottes, die in dieser Welt möglich ist, denn Gott ist die Liebe, und der
Tod Jesu am Kreuz ist der größte Akt der Liebe der ganzen Geschichte. Daher ist auf
dem Kardinalsring, den ich den neuen Mitgliedern des Kollegiums bald überreichen werde,
die Kreuzigung abgebildet. Das wird – liebe Brüder Neu-Kardinäle – für euch immer
eine Einladung sein, euch daran zu erinnern, wessen König ihr Diener seid, auf welchem
Thron er erhöht worden ist, und wie Er treu gewesen ist bis zum Ende, um mit göttlicher
Barmherzigkeit Sünde und Tod zu besiegen. Die Mutter Kirche, die Braut Christi, gibt
euch dieses Zeichen zum Andenken an ihren Bräutigam, der sie geliebt und sich für
sie hingegeben hat. So seid ihr – wenn ihr den Kardinalsring tragt – immer daran erinnert,
das Leben für die Kirche zu geben. Wenn wir nun unseren Blick auf die Szene von
der Königssalbung Davids wenden, die uns in der ersten Lesung vorgestellt wird, so
beeindruckt uns ein wichtiger Aspekt seines Königtums, nämlich seine „korporative“
Dimension. Die Alten Israels gehen nach Hebron, schließen einen Bund mit David, erklären,
dass sie sich als mit ihm verbunden betrachten und dass sie mit ihm eins sein wollen.
Wenn wir diese Figur auf Christus beziehen, so scheint mir, so bietet sich dieses
Bundesversprechen sehr gut an als eines, das ihr euch zu eigen machen könnt, liebe
Brüder Kardinäle. Auch ihr, die ihr den „Senat der Kirche“ bildet, könnt Jesus sagen:
„Wir betrachten uns als dein Bein und Fleisch.“ (2 Sam 5,1) Wir gehören dir, und mit
dir wollen wir eine Einheit sein. Du bist der Hirte des Volkes Gottes, du bist das
Haupt der Kirche (vgl. 2 Sam 5,2). In dieser großen Eucharistiefeier wollen wir unseren
Bund mit Dir erneuern, unsere Freundschaft , denn nur in dieser intimen und tiefen
Beziehung, Jesus, unser König und Herr, erhalten die uns übertragen wurde Würde und
die dazu gehörende Verantwortung Sinn und Wert. Es bleibt uns noch, den dritten
Teil des „Tryptichons“ zu bewundern, das der Wortgottesdienst uns vorgestellt hat:
den christologischen Hymnus aus dem Brief an die Kolosser. Machen wir uns vor allem
das Gefühl der Freude und Dankbarkeit zu eigen, das aus ihm hervorgeht durch die Tatsache,
dass das Reich Christi „das Los der Heiligen im Lichte“ nicht nur eine von weitem
gesehene Sache ist, sondern eine Wirklichkeit. Wir sind berufen, an ihr teilzunehmen,
wir sind dank des Heilswerks des Sohnes Gottes in sie hineinversetzt. (vgl. Kol 1,12-14)
Diese Danksagung öffnet den Geist des heiligen Paulus für die Betrachtung Christi
und seines Geheimnisses in seinen hauptsächlichen Dimensionen: Die Schöpfung aller
Dinge und ihre Versöhnung. Für den ersten Aspekt besteht die Herrschaft Christi in
dem Faktum, dass „alle Dinge durch Ihn und im Blick auf Ihn geschaffen sind und in
Ihm bestehen“ (Kol 1,16). Die zweite Dimension konzentriert sich auf das Ostergeheimnis:
durch den Tod des Sohnes am Kreuz, hat Gott alle Geschöpfe mit sich versöhnt, hat
Frieden zwischen Himmel und Erde gemacht. Durch seine Auferweckung von den Toten hat
Er Ihn zum Ersten der neuen Schöpfung gemacht, zur „Fülle“ aller Wirklichkeit und
„Haupt des mystischen Leibes“, der die Kirche ist. (vgl. Kol 1,18-20) Wir stehen damit
erneut vor dem Kreuz, dem Zentralereignis des Geheimnisses Christi. In der paulinischen
Vision ist das Kreuz eingerahmt von der ganzen Heilsökonomie, wo die Herrschaft Christi
sich in ihrer ganzen kosmischen Weite entfaltet. Dieser Text des Apostels drückt
eine so kräftige Synthese der Wahrheit und des Glaubens aus, dass wir davon nicht
unbeeindruckt bleiben können. Die Kirche ist Erbin des Geheimnisses Christi: sie ist
es in aller Demut und jeden Schatten von Stolz oder Arroganz, denn es handelt sich
um das höchste Geschenk, das sie ohne jedes Verdienst empfangen hat. Sie ist gerufen,
es gratis der ganzen Menschheit aller Zeiten als Sinn und Heilshorizont anzubieten.
Es handelt sich nicht um eine Philosophie, um eine Gnosis – auch wenn es Weisheit
und Wissen einschließt. Es ist das Mysterium Christi, ist Christus selbst, der inkarnierte,
gestorbene und auferstandene Logos, eingesetzt als König des Universums. Wie kann
man angesichts dessen nicht einen Ausruf dankbarer Begeisterung spüren, dass man zugelassen
wird, die Herrlichkeit dieser Offenbarung zu betrachten? Wie kann man nicht gleichzeitig
die Freude und die Verantwortung spüren, diesem König zu dienen, seine Herrschaft
durch Leben und Wort zu bezeugen? Das ist in besonderer Weise unser Auftrag, liebe
Brüder Kardinäle: Der Welt die Wahrheit Christi, der Hoffnung für jeden Menschen und
die ganze Menschheitsfamilie zu bezeugen. Auf der Linie des II. Vatikanischen Ökumenischen
Konzils waren meine verehrten Vorgänger, die Diener Gottes Paul VI., Johannes Paul
I. und Johannes Paul II echte Herolde der Herrschaft Christi in der heutigen Welt.
Es ist für mich ein Grund des Trostes, immer auf euch zählen zu können, sei es als
Einzelne, sei es in kollegialer Form, damit auch ich diese grundlegende Aufgabe des
Petrusamtes erfüllen kann. In enger Verbindung mit dieser Mission gibt es einen
Aspekt, den ich zum Schluss ansprechen und eurem Gebet empfehlen will: Der Friede
zwischen allen Jüngern Christi als Zeichen des Friedens, den Jesus in der Welt aufrichten
wollte. Wir haben im Christushymnus die große Botschaft gehört: Gott hat es gefallen,
durch das Kreuz Christi Frieden im Universum zu stiften (vgl. Kol 1,20). Also die
Kirche ist der Teil der Menschheit, in dem sich schon die Herrschaft Christi zeigt,
der als ihr privilegiertes Zeichen den Frieden hat. Sie ist das neue Jerusalem, noch
unvollkommen, denn sie pilgert in der Geschichte, aber sie ist in der Lage, in gewisser
Weise das himmlische Jerusalem vorauszunehmen. Hier können wir uns schließlich beziehen
auf den Antwortpsalm Nr. 121: Er gehört zu den so genannten Aufstiegspsalmen und ist
ein Freudenhymnus der Pilger, die vor den Toren der heiligen Stadt, sich mit dem Friedensruf
an sie wenden: Shalom. Nach einer verbreiteten Etymologie wurde Jerusalem interpretiert
als „Stadt des Friedens“, des Friedens, den der Messias, der Sohn Davids, in der Fülle
der Zeiten herstellen sollte. In Jerusalem erkennen wir die Figur der Kirche, das
Sakrament Christi und seines Reiches. Liebe Brüder Kardinäle, dieser Psalm drückt
sehr gut den Liebesgesang zur Kirche aus, den ihr sicher im Herzen tragt. Ihr habt
euer Leben in den Dienst der Kirche gestellt. Und jetzt seid ihr berufen, eine Aufgabe
von noch größerer Verantwortung zu übernehmen. Es mögen die Worte des Psalms in euch
voll erklingen: Erbittet Frieden für Jerusalem (Vers 6) Das Gebet für den Frieden
und die Einheit ist eure erste und Hauptaufgabe, damit die Kirche „dicht gebaut und
fest gefügt“ (Vers 3) sei, Zeichen und Instrument der Einheit für das ganzen Menschengeschlecht
(Lumen Gentium 1). Ich lege also, - nein: legen wir - diese eure Sendung unter den
Schutz der Mutter der Kirche, der allerseligsten Jungfrau Maria. Ihr - die sie verbunden
ist mit ihrem Sohn auf Kalvaria und als Königin aufgenommen zur Rechten seiner Herrlichkeit
- vertrauen wir die neuen Purpurträger an, das Kardinalskollegium und die ganze katholische
Gemeinschaft. Sie ist berufen, in die Furchen der Geschichte das Reich Christi auszusäen,
des Herrn des Lebens und Friedensfürsten. (rv)