Papst: Ansprache an Kardinäle beim Konsistorium. Volltext.
„Apostel Gottes und
Zeugen des Evangeliums“ mit besonderer Verantwortung: Das sind laut Benedikt XVI.
die neuen Kardinäle. 23 verdiente Kirchenmänner erhob der Papst im öffentlichen Konsistorium
am Samstag Vormittag in den Kardinalsstand, unter ihnen der deutsche Kurienerzbischof
Paul Josef Cordes, dienstältester Kuriale, der deutschstämmige Brasilianer Odilo Scherer
aus Sao Paolo und der Patriarch von Bagdad, Emmanuel III. Delly.
Hier die Ansprache
des Papstes an die neuen Kardinäle in einer deutschen Übersetzung von P. Max Cappabianca
OP:
Hier in der Basilika im Vatikan, dem Herz der christlichen Welt, findet
heute wieder ein wichtiges und feierliches kirchliches Ereignis statt: Ein öffentliches
ordentliches Konsistorium zur Kreierung von 23 neuen Kardinälen mit der Überreichung
des Biretts und der Zuweisung der Titelkirche. Das ist ein Ereignis, das jedes Mal
besondere Freude auslöst, nicht nur bei denen, die mit diesen Riten in das Kardinalskollegium
aufgenommen werden, sondern in der ganzen Kirche, die sich an diesem beredten Zeugnis
der katholischen Einheit erfreuen. Die Zeremonie selbst verdeutlicht durch ihre Struktur
die Bedeutung der Aufgabe, zu der die neuen Kardinäle in enger Zusammenarbeit mit
dem Nachfolger des Heiligen Petrus berufen sind; das Volk Gottes ist eingeladen dafür
zu beten, dass diese unseren Brüder Christus immer treu bleiben – wenn nötig bis zum
Opfer des eigenen Lebens, und dass sie sich allein von seinem Evangelium leiten lassen.
Wir scharen uns daher gläubig um sie und erheben vor allem ein Dankgebet zu unserm
Herrn.
In dieser Stimmung der Freude und der dichten Spiritualität grüße ich
jeden von euch, liebe Brüder, die ihr von heute an Mitglieder des Kardinalskollegiums
seid. Ihr seid auserwählt, gemäß einer alten Tradition in der Leitung der Kirche die
engsten Mitarbeiter des Nachfolger des Heiligen Petrus zu sein. Ich grüße und danke
Erzbischof Leonardo Sandri, der in eurem Namen ein Grußwort gesprochen und die Bedeutung
und Wichtigkeit dieses kirchlichen Ereignisses deutlich gemacht hat. Ich möchte außerdem
an Ignacz Jez erinnern, den der Gott aller Gnade kurz vor der Berufung zu sich gerufen
hat, um ihn einen anderen Kranz zu reichen: Denn der ewigen Herrlichkeit in Christus.
Dann grüße ich euch alle hier anwesenden Kardinäle und auch alle, die nicht persönlich
hier sein können, die uns aber im Geiste verbunden sind, Die Feier eines Konsistoriums
ist immer eine gute Gelegenheit, urbi et orbi – der Stadt und dem Erdkreis
– ein Zeugnis zu geben von jener einzigartigen Einheit, mit der die Kardinäle mit
dem Papst, dem Bischof von Rom, vereint sind. Bei dieser feierlichen Gelegenheit möchte
ich auch die Regierungsdelegationen grüßen und alle, die aus allen Teilen der Welt
gekommen sind, wie auch die Familienangehörigen, die Freunde, die Priester, die Ordensfrauen
und -männer und die Gläubigen aller Ortskirchen, aus denen die neuen Kardinäle stammen.
Und ich grüße schließlich alle, die hier zusammengekommen sind, um sich um die neuen
Kardinäle zu scharen und ihre Festfreude ihre Wertschätzung und Zuneigung auszudrücken,
Mit der heutigen Feier werdet ihr, liebe Brüder, voll und ganz in die ehrwürdige
Kirche von Rom eingegliedert, deren Hirt der der Nachfolger des Petrus ist. Im Kardinalskollegium
lebt das alte Presbyterium des Bischofs von Rom weiter; ihre Mitglieder übten ihre
pastoralen und liturgischen Aufgaben in den verschiedenen Kirchen aus, und ließen
es zugleich nicht fehlen an ihrer wertvollen Zusammenarbeit in der Erfüllung der verschiedenen
Aufgaben, die mit dem universalen apostolischen Aufgabe zusammenhängen. Die Zeiten
haben sich geändert, und die große Familie der Jünger Christi ist verbreitet auf allen
Kontinenten bis zu den fernsten Enden der Erde, diese Familie spricht praktisch alle
Sprachen der Welt, und zu ihr gehören Völker aller Kulturen. Die Verschiedenheit der
Mitglieder des Kardinalskollegiums, sowohl was die geographische als auch die kulturelle
Herkunft angeht, bringt dieses von der Vorsehung gewollte Wachstum zum Ausdruck. Zugleich
verdeutlicht es aber auch die veränderten pastoralen Anforderungen, auf die der Papst
reagieren muss. Die Universalität, die Katholizität der Kirche spiegelt sich deshalb
in der Zusammensetzung des Kardinalskollegiums wider: Sehr viele sind Diözesanbischöfe,
andere stehen im direkten Dienst des Heiligen Stuhls, andere haben sich wertvolle
Verdienste in spezifischen pastoralen Feldern erworben.
Jeder von euch, liebe
und verehrte Brüder und neuen Kardinäle, stellt einen Teil des mystischen Körpers
Christi dar, der die weltweit Kirche ist. Ich weiß, wie viel Mühe und Opfer die Seelsorge
heute abverlangt, aber ich kenne auch die Großherzigkeit, die euren täglichen apostolischen
Dienst trägt. Deshalb ist es mir jetzt wichtig, euch meine aufrichtige Wertschätzung
auszudrücken für den treuen Dienst, den ihr in vielen Jahren der Arbeit in verschiedenen
Bereichen des kirchlichen Dienstes geleistet habt. Mit der Erhebung zur Kardinalswürde
seid ihr dazu berufen, diesen Dienst mit noch größerer Verantwortung und in engster
Gemeinschaft mit dem Bischof von Rom auszuüben. Ich denke nun mit Zuneigung an die
Gemeinden, die eurer Sorge anvertraut sind und besonders diejenigen, die besonders
von Leid geprüft sind und von Herausforderungen und Schwierigkeiten aller Art. Wie
könnte ich unter ihnen in diesem Moment der Freude meinen Blick mit Anteilnahme und
Zuneigung nicht den lieben christlichen Gemeinden im Irak zuwenden? Diese unsere Schwestern
und Brüder im Glauben erfahren an ihrem eigenen Leib die dramatischen Konsequenzen
eines andauernden Konflikts und leben in einer äußerst fragilen und delikaten politischen
Situation. Mit der Berufung des Patriarchen der chaldäischen Kirche in das Kardinalskollegium
wollte ich konkret meine spirituelle Nähe und meine Zuneigung zu jenen Menschen ausdrücken.
Wir wollen gemeinsam, verehrte liebe Brüder, erneut die Solidarität der ganzen Kirche
mit den Christen in jenem geliebten Land ausdrücken, und wir rufen dazu auf, zum barmherzigen
Gott beten, dass sich die ersehnte Versöhnung und der Frieden für alle beteiligten
Völker verwirkliche.
Wir haben eben das Wort Gottes gehört, dass uns hilft,
besser das feierliche Ereignis zu verstehen, das wir gerade erleben. In der Evangeliumsperikope
hat Jesus gerade zum dritten Mal an das Schicksal erinnert, das ihn in Jerusalem erwartet.
Aber der Karrierismus der Jünger gewinnt Oberhand über die Angst, die sie für einen
Augenblick gespürt hatten. Nach dem Bekenntnis des Petrus in Cäsarea und der Diskussion
auf dem Weg über die Frage, wer von ihnen der größte sei, ist es der Ehrgeiz, der
die Zebedäussöhne dazu drängt, für sich selbst die besseren Plätze im messianischen
Reich am Ende der Zeiten einzufordern. Im Verlangen nach Privilegien wissen die beiden
sehr genau, was sie wollen, wie auch die anderen zehn – trotz ihrer „tugendhaften“
Empörung. In Wirklichkeit wissen sie aber nicht, was sie verlangen. Es ist Jesus,
der es ihnen klar macht, indem er in Begriffen spricht, die deutlich sich unterscheiden
von dem „Dienst“, den sie erwarten. Er korrigiert ihr falsches Verständnis von Verdienst,
nach dem der Mensch Rechte gegenüber Gott erwerben könnte.
Der Evangelist
Markus erinnert uns daran, verehrte liebe Brüder, dass jeder wahre Schüler Christi
nur eine einzige Sache erstreben kann: Sein Leid zu teilen ohne jeden Lohn einzufordern.
Der Christ ist dazu berufen, wie ein Sklave zu werden und so den Spuren Jesu zu folgen,
indem er sein Leben freigebig und absichtslos für die anderen hingibt. Nicht die Suche
nach Macht und Erfolg, sondern die demütige Selbsthingabe für das Wohl der Kirche
muss jede Handlung von euch und jedes eurer Worte kennzeichnen. Die wahre christliche
Größe besteht in der Tat nicht im Herrschen, sondern im Dienen. Jesus wendet sich
heute erneut an jeden von uns, wenn er sagt, er sei „nicht gekommen, um sich dienen
zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.“
(Mk 10,45) Das ist das Ideal, das Richtschnur für euren Dienst ist. Liebe Brüder,
wenn ihr in das Kardinalskollegium aufgenommen werdet, erbittet und vertraut euch
der Herr den Dienst der Liebe an: Liebe zu Gott, Liebe zu seiner Kirche, Liebe zu
den Brüdern mit einer größtmöglichen und uneingeschränkten Hingabe, usque ad sanguinis
effusionem, wie es in der Formel zur Überreichung des Kardinals-Biretts heißt
und wie es die rote Farbe eurer Gewänder verdeutlicht, die ihr tragt.
Ihr
seid Apostel Gottes, der die Liebe ist, und ihr seid Zeugen der Hoffnung des Evangeliums:
Das erwartet von euch das christliche Volk. Die heutige Zeremonie unterstreicht die
große Verantwortung, die darin auf jeden von euch lastet, verehrte liebe Brüder, und
die bestätigt wird im Wort des Apostels Petrus, das wir eben erst gehört haben: „Haltet
in eurem Herzen Christus, den Herrn, heilig! Seid stets bereit, jedem Rede und Antwort
zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die euch erfüllt.“ (1 Petr 3,15). Eine solche
Verantwortung bewahrt einen nicht vor Risiken, im Petrusbrief heißt es weiter: „Es
ist besser, für gute Taten zu leiden, wenn es Gottes Wille ist, als für böse.“ Christus
verlangt von euch, vor den Menschen seine Wahrheit zu bezeugen, sein Schicksal anzunehmen
und zu teilen und dies „bescheiden und ehrfürchtig und mit einem reinen Gewissen“
(1 Petr 3,15f.) zu tun, das heißt mit jener inneren Demut, die die Frucht der Zusammenarbeit
mit der Gnade Gottes ist.
Liebe Schwestern und Brüder, morgen habe ich die
Freude, in dieser Basilika am Christköngsfest zusammen mit den neuen Kardinälen die
Eucharistie zu feiern und ihnen den Kardinalsring zu überreichen. Das wird eine wichtige
und gute Gelegenheit sein, unsere Einheit in Christus zu bestärken und um unseren
gemeinsame Bereitschaft zu erneuern, mit totaler Hingabe zu dienen. Begleitet sie
mit eurem Gebet, damit sie ihrer Aufgabe mit voller und bleibender Hingabe entsprechen.
Wenden wir uns nun vertrauensvoll an Maria, der Königin der Apostel. Ihre spirituelle
Gegenwart heute in diesem besonderen Abendmahlssaal möge für die neuen Kardinäle und
für uns alle ein Unterpfand sein für die bleibende Gabe des Heiligen Geistes, der
die Kirche leitet auf ihrem Weg durch die Geschichte. (rv)