Die Jesuitenmission
in China hat nicht nur große Missionare, sondern auch große Wissenschaftler und Künstler
hervorgebracht. Einer von ihnen war Giuseppe Castiglione. Der Jesuitenpater wirkte
in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts als hochgeschätzter Hofmaler beim Kaiser
von China und schuf Werke, in denen er sein europäisches Erbe auf höchst originelle
Weise mit der chinesischen Maltradition verschmolz. Im römischen „Museo del Corso“
ist nun eine Ausstellung zu sehen, die erstmals eine nennenswerte Zahl von Werken
aus der Verbotenen Stadt – also dem gigantischen Kaiserpalast von Peking – zeigt.
Jesuitenmissionar Matteo Ricci und andere hatten den Boden gut bereitet. Schon
seit der Ming-Zeit, also vor 1644, waren die europäischen Missionare in China geschätzt,
erklärt Federica Romagnoli, auf China spezialisierte Kunsthistorikerin und Beraterin
der Ausstellung.
„…und zwar vor allen Dingen wegen ihrer technischen Kenntnisse,
also etwa in der Astronomie oder Mathematik. Beispielsweise entstand das kaiserliche
Observatorium in Peking aus der Zusammenarbeit von Jesuitenpatres mit den Chinesen,
und der Kaiser beauftragte einen Jesuiten mit der Leitung des Observatoriums. Kurz
und gut – als Castiglione in Peking ankam, gab es schon eine gute Tradition von Integration
und auch Neugier der Chinesen auf die Europäer und ihre Kenntnisse, die ihnen neu
waren.“
In seiner Jugend hatte Giuseppe Castiglione, aus Mailand gebürtig,
eine gute Kunstausbildung erhalten. 1718 traf der junge Jesuit in China ein und machte
bald Karriere als kaiserlicher Hofmaler in der Verbotenen Stadt. Ein zeitgenössisches
Bild zeigt den bereits arrivierten kaiserlichen Hofmaler, in seinem schwarzen Talar
mit weißem Priesterkragen. Selbstbewusst sieht er aus, neben ihm stehen Angehörige
der kaiserlichen Familie, meist in gelb, der imperialen Farbe schlechthin.
Er
war wohl letzten Endes eher Maler als Missionar, meint Federica Romagnoli. Als Maler
aber war er groß. Castiglione schenkte der chinesischen Kunst zwei typische Errungenschaften
europäischer Kunst: das Porträt und die Perspektive. Das Porträt war in China überhaupt
nicht bekannt, während die Perspektive anders aussah.
Ein west-östliches Reitergemälde
bildet einen der Höhepunkte der Schau. Romagnoli:
„Es erinnert stark an
entsprechende Darstellungen italienischer und spanischer Kunst. Der Kaiser ist monumental
auf seinem Pferd dargestellt in seiner Rüstung, mit allen Insignien der Macht. Die
ganze Darstellung leuchtet in satten Farben, das Gesicht gibt die tatsächlichen Züge
des Kaisers wieder – anders als bisherige Darstellungen, die einem außerordentlich
strengen Formenkanon gehorchen mussten, und die keinen Platz für Individualität ließen.
Die Landschaft dagegen ist in zarten, transparenten Farben gehalten – sie zeigt sich
ganz der chinesischen Maltradition verbunden.“
Dieselbe reizvolle Synthese
von europäischer und chinesischer Maltradition findet sich in jenem Bild Castigliones,
das den Kaiser und ein Dutzend seiner Kinder beim Neujahrsfest zeigt. Dem europäischen
Betrachter springt allerdings ins Auge: Hier hapert es mit der Perspektive.
„Die chinesische Perspektive ist nicht wie bei uns eine starre Flucht. Es ist, als
wäre es eine Abfolge von verschiedenen Blickwinkeln. Als ob jemand in einem Zug fährt
und dabei ein und dasselbe Objekt aus mehreren Perspektiven GLEICHZEITIG sieht.“
Dahinter
steht, fügt die Kunsthistorikerin und China-Spezialistin Nicoletta Celli hinzu, ein
grundlegender kultureller Unterschied in der Zeitwahrnehmung.
„Für einen
Europäer wie Castiglione ist Perspektive etwas Statisches, so als wäre ein Augenblick
festgefroren in der Zeit. Da gibt es immer nur einen Fluchtpunkt, und der ist fix.
Anders in der östlichen Sichtweise: Da vergeht sozusagen die Zeit auch in einem Gemälde!
Denn der Fluchtpunkt ist beweglich, es kann mehrere Fluchtpunkte in ein und demselben
Gemälde geben. Wir haben es da mit zwei verschiedenen philosophischen Standpunkten
zwischen Ost und West zu tun.“
Was die Funktion der Kunst am chinesischen
Kaiserhof betrifft, dürfte Castiglione keine großen Unterschiede zu Italien festgestellt
haben. Jeder europäische Fürst, Kaiser oder Papst jener Zeit nutzte Kunst zur Darstellung
oder – besser noch – zur Erhöhung seiner eigenen Macht. Der Verweis auf die eigene
Geschichte, die Abstammung von einer möglichst prestigereichen Dynastie stimulierte
das Kunstschaffen vieler europäischer Jahrhunderte. Nicht anders war es in Peking.
„Hier sehen wir zehn Albumblätter mit Jagdszenen – Castiglione hat hier
auf Geheiß des Kaisers dessen zehn Lieblingshunde gemalt. Die Darstellung der Jagd
hatte eine wichtige Funktion. Denn anders als in Europa, wo die Fürsten die Jagd als
standesgemäßen Zeitvertreib ansahen, diente sie Kaiser Qianlong als Verweis auf die
Geschichte seiner Dynastie. Der Kaiser stammte aus der Mandschurei, einer Region,
deren Bewohner Nomaden waren und von der Jagd lebten.“
Im fernen Europa
traf indes Papst Benedikt XIV. eine wichtige Entscheidung über die Art und Weise christlicher
Mission. Die Jesuiten hatten – gerade auch in China - immer den Standpunkt vertreten,
dass die zum Christentum bekehrten Menschen ihre traditionellen Riten und Zeremonien
anderer Religionen behalten dürfen. Damit war unter Benedikt XIV. Schluss – er verbot
die chinesischen Riten. Das Christentum geriet unter Druck, zahlreiche Missionare
mussten das Land verlassen. Der Jesuit Castiglione, mehr Maler als Missionar, war
davon nicht betroffen. Als er 1766 starb, erhob ihn Kaiser Qianlong posthum zum Beamten
und ließ ihn nach einem traditionell chinesischen Ritus beerdigen.
Die Verbotene
Stadt zu Besuch in der Ewigen Stadt: eine Ausstellung im Museo del Corso macht`s möglich.
Die Schau "Capolavori della Città Proibita" mit Werken Giusppe Castigliones und anderen
wichtigen Exponaten aus der Verbotenen Stadt ist bis März 2008 zu sehen. (rv 21.11.2007gs)