2007-11-21 18:22:20

Italien/China: Missionar als Maler


RealAudioMP3 Die Jesuitenmission in China hat nicht nur große Missionare, sondern auch große Wissenschaftler und Künstler hervorgebracht. Einer von ihnen war Giuseppe Castiglione. Der Jesuitenpater wirkte in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts als hochgeschätzter Hofmaler beim Kaiser von China und schuf Werke, in denen er sein europäisches Erbe auf höchst originelle Weise mit der chinesischen Maltradition verschmolz. Im römischen „Museo del Corso“ ist nun eine Ausstellung zu sehen, die erstmals eine nennenswerte Zahl von Werken aus der Verbotenen Stadt – also dem gigantischen Kaiserpalast von Peking – zeigt.

Jesuitenmissionar Matteo Ricci und andere hatten den Boden gut bereitet. Schon seit der Ming-Zeit, also vor 1644, waren die europäischen Missionare in China geschätzt, erklärt Federica Romagnoli, auf China spezialisierte Kunsthistorikerin und Beraterin der Ausstellung.

„…und zwar vor allen Dingen wegen ihrer technischen Kenntnisse, also etwa in der Astronomie oder Mathematik. Beispielsweise entstand das kaiserliche Observatorium in Peking aus der Zusammenarbeit von Jesuitenpatres mit den Chinesen, und der Kaiser beauftragte einen Jesuiten mit der Leitung des Observatoriums. Kurz und gut – als Castiglione in Peking ankam, gab es schon eine gute Tradition von Integration und auch Neugier der Chinesen auf die Europäer und ihre Kenntnisse, die ihnen neu waren.“

In seiner Jugend hatte Giuseppe Castiglione, aus Mailand gebürtig, eine gute Kunstausbildung erhalten. 1718 traf der junge Jesuit in China ein und machte bald Karriere als kaiserlicher Hofmaler in der Verbotenen Stadt. Ein zeitgenössisches Bild zeigt den bereits arrivierten kaiserlichen Hofmaler, in seinem schwarzen Talar mit weißem Priesterkragen. Selbstbewusst sieht er aus, neben ihm stehen Angehörige der kaiserlichen Familie, meist in gelb, der imperialen Farbe schlechthin.

Er war wohl letzten Endes eher Maler als Missionar, meint Federica Romagnoli. Als Maler aber war er groß. Castiglione schenkte der chinesischen Kunst zwei typische Errungenschaften europäischer Kunst: das Porträt und die Perspektive. Das Porträt war in China überhaupt nicht bekannt, während die Perspektive anders aussah.

Ein west-östliches Reitergemälde bildet einen der Höhepunkte der Schau. Romagnoli:

„Es erinnert stark an entsprechende Darstellungen italienischer und spanischer Kunst. Der Kaiser ist monumental auf seinem Pferd dargestellt in seiner Rüstung, mit allen Insignien der Macht. Die ganze Darstellung leuchtet in satten Farben, das Gesicht gibt die tatsächlichen Züge des Kaisers wieder – anders als bisherige Darstellungen, die einem außerordentlich strengen Formenkanon gehorchen mussten, und die keinen Platz für Individualität ließen. Die Landschaft dagegen ist in zarten, transparenten Farben gehalten – sie zeigt sich ganz der chinesischen Maltradition verbunden.“

Dieselbe reizvolle Synthese von europäischer und chinesischer Maltradition findet sich in jenem Bild Castigliones, das den Kaiser und ein Dutzend seiner Kinder beim Neujahrsfest zeigt. Dem europäischen Betrachter springt allerdings ins Auge: Hier hapert es mit der Perspektive.

„Die chinesische Perspektive ist nicht wie bei uns eine starre Flucht. Es ist, als wäre es eine Abfolge von verschiedenen Blickwinkeln. Als ob jemand in einem Zug fährt und dabei ein und dasselbe Objekt aus mehreren Perspektiven GLEICHZEITIG sieht.“

Dahinter steht, fügt die Kunsthistorikerin und China-Spezialistin Nicoletta Celli hinzu, ein grundlegender kultureller Unterschied in der Zeitwahrnehmung.

„Für einen Europäer wie Castiglione ist Perspektive etwas Statisches, so als wäre ein Augenblick festgefroren in der Zeit. Da gibt es immer nur einen Fluchtpunkt, und der ist fix. Anders in der östlichen Sichtweise: Da vergeht sozusagen die Zeit auch in einem Gemälde! Denn der Fluchtpunkt ist beweglich, es kann mehrere Fluchtpunkte in ein und demselben Gemälde geben. Wir haben es da mit zwei verschiedenen philosophischen Standpunkten zwischen Ost und West zu tun.“

Was die Funktion der Kunst am chinesischen Kaiserhof betrifft, dürfte Castiglione keine großen Unterschiede zu Italien festgestellt haben. Jeder europäische Fürst, Kaiser oder Papst jener Zeit nutzte Kunst zur Darstellung oder – besser noch – zur Erhöhung seiner eigenen Macht. Der Verweis auf die eigene Geschichte, die Abstammung von einer möglichst prestigereichen Dynastie stimulierte das Kunstschaffen vieler europäischer Jahrhunderte. Nicht anders war es in Peking.

„Hier sehen wir zehn Albumblätter mit Jagdszenen – Castiglione hat hier auf Geheiß des Kaisers dessen zehn Lieblingshunde gemalt. Die Darstellung der Jagd hatte eine wichtige Funktion. Denn anders als in Europa, wo die Fürsten die Jagd als standesgemäßen Zeitvertreib ansahen, diente sie Kaiser Qianlong als Verweis auf die Geschichte seiner Dynastie. Der Kaiser stammte aus der Mandschurei, einer Region, deren Bewohner Nomaden waren und von der Jagd lebten.“

Im fernen Europa traf indes Papst Benedikt XIV. eine wichtige Entscheidung über die Art und Weise christlicher Mission. Die Jesuiten hatten – gerade auch in China - immer den Standpunkt vertreten, dass die zum Christentum bekehrten Menschen ihre traditionellen Riten und Zeremonien anderer Religionen behalten dürfen. Damit war unter Benedikt XIV. Schluss – er verbot die chinesischen Riten. Das Christentum geriet unter Druck, zahlreiche Missionare mussten das Land verlassen. Der Jesuit Castiglione, mehr Maler als Missionar, war davon nicht betroffen. Als er 1766 starb, erhob ihn Kaiser Qianlong posthum zum Beamten und ließ ihn nach einem traditionell chinesischen Ritus beerdigen.

Die Verbotene Stadt zu Besuch in der Ewigen Stadt: eine Ausstellung im Museo del Corso macht`s möglich. Die Schau "Capolavori della Città Proibita" mit Werken Giusppe Castigliones und anderen wichtigen Exponaten aus der Verbotenen Stadt ist bis März 2008 zu sehen.
(rv 21.11.2007gs)








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