Schweiz: "Kirche-Staat-Verhältnis ist nicht sinnvoll geregelt"
Der Fall Röschenz
in der Schweiz hat gezeigt, dass die staatskirchenrechtliche Struktur in der Schweiz
Lücken hat: Was soll geschehen, wenn es zum schweren Konflikt kommt zwischen staatlichem
und kirchlichem Recht. P. Eberhard von Gemmingen sprach dazu mit dem Schweizer Fach-Juristen
Franz-Xaver Weber. Der meinte gleich... „Dieses System ist insofern nicht sinnvoll
geregelt, als genau für diesen Fall des Konflikts keine Regelung vorhanden ist.“ Verbirgt
sich nicht hinter dem Konflikt die gesellschaftliche Tatsache, dass die meisten Schweizer
mit Kirche nichts mehr zu tun haben wollen, dass sie nicht mehr hinter der Idee der
gewünschten vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Staat und Kirche stehen. „Ich
würde das nicht so kategorisch sagen. Ich glaube: hauptsächlich besteht die Spannung
zwischen den Organen der staatskirchenrechtlichen Körperschaften und der katholischen
Kirche. Viele Kirchgemeinden und Landeskirchenräte haben sich auch in Folge der Spannungen,
die es gegeben hat in der Kirche Schweiz vor 10 Jahren und mehr auf eine eigentliche
Oppositionsrolle gegen die katholische Kirche eingeschworen. Und darum ist eigentlich
der Konflikt zwischen den staatskichenrechtlichen Strukturen und der Kirche zu orten
und weniger zwischen den Gläubigen und der katholischen Kirche – wobei natürlich nicht
zu verkennen ist, dass ein Teil der Gläubigen durch diese Opposition, die die staatskirchenrechtlichen
Institutionen gegen die Organe der katholischen Kirche gemacht haben, angesteckt worden
sind. Dadurch sind sie natürlich auch etwas auf Distanz zur Kirche gegangen, was sehr
bedauerlich ist.“ Besteht hier ein Konflikt zwischen kirchlicher Basis und
den Amtsträger? Oder streiten sich nur die Menschen in den staatskirchlichen Behörden
und die Bischöfe? „Also meine Beurteilung ist, dass „Basis“ eine Art ideologischer
Begriff geworden ist. Wenn man genau bedenkt, was „Basis“ ist, dann sind das eigentlich
alle Gläubigen. Viele der Gläubigen sind immer noch kirchentreu. Sie gehen zwar weniger
in die Kirche als früher, aber interessieren sich eigentlich nicht groß um die institutionellen
Systemfragen. Wenn dann nachher von den staatskirchenrechtlichen Körperschaften die
„Basis“ erwähnt wird, dann ist das eigentlich eine Begriffsbestimmung, die nur einen
Teil des gläubigen Volkes betrifft. Es wird dann aber von den staatskirchenrechtlichen
Körperschaften gesagt, es seien alle. Und das stimmt einfach nicht.“ Wie können
nun Kirche und Staat diesen Konflikt lösen? Wie geht es weiter? „Ich denke,
es ist Besonnenheit angezeigt. Was ich schon häufig immer wieder festgestellt habe,
ist dass das Verhältnis zwischen der Kirche und den Staatskircherechtlichen Körperschaften
auf eine neue positive Grundlage gestellt werden muss. Und diese positive Grundlage
die sehe ich im gegenseitigen Respekt der Religionsfreiheit und der Organisationsfreiheit.
Das heißt: der Staat und die staatskirchenrechtlichen Körperschaften sind Organe des
Staates. Er hat sich auch im Zusammenhang mit dem Prozess der Konferenz für Sicherheit
und Zusammenarbeit in Europa verpflichtet, den Kirchen und Religionsgemeinschaften
ihr eigenes Recht anzuerkennen, sodass auf dieser Basis eine Lösung möglich ist indem
man sagt: Kirchliche Hierarchie, kirchliche Organe haben ihre Verantwortung, und diese
Verantwortung wird geschützt. Und die staatskirchenrechtlichen Körperschaften haben
dienende Funktion und haben sich noch stärker diesem Bekenntnis anzuschließen, dass
sie eigentlich im Dienste der katholischen Kirche eingesetzt worden sind und nicht
ihren „eigenen Zug“ fahren dürfen.“ Was ist zu tun: Soll die katholische Kirche
den Status öffentlich-rechtlich aufgeben und eine Privatvereinigung werden wie die
Freikirchen oder soll sie nur ihren rechtlichen Status modifizieren und neu absichern.
„Es gibt vielleicht zwei Positionen, die man vertreten könnte: Die eine ist
diese Radikalposition mit Trennung von Kirche und Staat. Dabei zieht sich die katholische
Kirche ins Privatrecht zurück. Diese Lösung, der ich einige Sympathie entgegenbringe,
steht vielleicht dem entgegen, dass doch Kirche in der Welt von heute steht. Und sie
verkennt, dass es auch eine Dimension materieller Art hat. Das spricht eigentlich
dafür, dass man ein System suchen sollte, in dem diese beiden wichtigen Institutionen,
Kirche und Staat eine einvernehmliche Lösung finden, die aber für den Konfliktfall
Regeln hat, die keine Eskalation, wie es jetzt im Fall von Röschenz gekommen ist,
kennt.“ (rv 18.11.2007 gem/mg)