Nur wenige Tage, nachdem der Basler Bischof Kurt Koch zu seiner Reform aufgerufen
hat, gerät das komplizierte Staatskirchenrecht der Schweiz erneut in die Schlagzeilen.
Anlaß ist ein Urteil des Bundesgerichts zum so genannten "Teilaustritt" aus der katholischen
Kirche. Dabei gingen die Richter von ihrer bisherigen Rechtsprechung ab.
Die
katholischen Landeskirchen können von Mitgliedern für einen Austritt nicht verlangen,
dass sie der römisch-katholischen Konfession abschwören - so das Urteil des Bundesgerichts
vom Freitag. Es hatte den Fall einer Frau zu beurteilen, die ihren Austritt aus der
katholischen Kirchgemeinde Luzern erklärt hatte. Die Kirchgemeinde akzeptierte
diesen "Teilaustritt" allerdings nicht: Erforderlich sei vielmehr die Erklärung, nicht
mehr der römisch-katholischen Konfession anzugehören. Aber dem widersprechen nun die
Lausanner Richter: Für einen Austritt dürfe eine solche Erklärung nicht verlangt werden.
Dies verletze die Glaubens- und Gewissensfreiheit gemäss Art. 15 der Bundesverfassung.
Nach Ansicht der Richtermehrheit muss außerdem klar zwischen der Landeskirche
und der Weltkirche unterschieden werden. Erstere sei ein rein staatskirchenrechtliches
Konstrukt und nicht Teil der Weltkirche. Die beiden unterlegenen Richter hatten
argumentiert, dass nach dem Luzerner System jeder Katholik automatisch Mitglied in
der Landeskirche sei. Diese auch in anderen Kantonen bestehende Verknüpfung habe zur
Folge, dass nicht nur der Austritt aus der Landeskirche erklärt werden könne.
Die katholische Landeskirche Luzern will jetzt mit den kirchlichen Instanzen beraten,
wie der Entscheid umzusetzen ist und welche Konsequenzen er auf die Leistungen der
einzelnen Kirchgemeinden hat. Die Katholische Volkspartei der Schweiz hat das Urteil
begrüßt; ihre Stellungnahme trägt den Titel "Bundesgericht hilft beim Umbau des Staatskirchenrechts".
Damit sei jetzt der, so wörtlich, "Moneykatholizismus auch auf staatskirchlicher Ebene
beendet". Jetzt müßten die Kirchengemeinden "Flexibilität zeigen und auch Gläubige
aufnehmen mit Wohnsitz ausserhalb des Kirchgemeindeterritoriums, was letztlich auf
eine freie Wahl der Kirchgemeinde hinausläuft". Im Kern haben die Richter entschieden,
dass bei einem Kirchenaustritt streng zwischen Landeskirche und der Weltkirche unterschieden
werden muß. Das erinnert an eine Ermahnung des Vatikans vom Mai letzten Jahres. Der
Päpstliche Rat für die Interpretation von Gesetzestexten hatte klargestellt, dass
es für einen Kirchenaustritt nicht reiche, wenn der Name des Austretenden aus dem
staatlichen Register von Kirchenangehörigen gestrichen werde. Der Vatikan nennt für
einen gültigen Kirchenaustritt - vereinfacht zusammengefaßt - drei Schritte: die persönliche
Entscheidung dazu, ihre öffentliche Bekanntgabe - und die Entgegennahme dieser Entscheidung
durch die kirchlichen, nicht durch die zivilen Behörden.
Die Schweizer Bischofskonferenz
wollte den Entscheid des Bundesgerichts vorerst nicht kommentieren. Sie wolle das
schriftliche Urteil abwarten, hiess es auf Anfrage. (kipa/apic/rv 17.11.2007 sk)