Die Auseinandersetzung um den Pfarr-Administrator von Röschenz, Franz Sabo, geht in
eine neue Runde. Der Basler Bischof Kurt Koch, der Sabo vor zwei Jahren die "missio
canonica" entzogen hat, widersprach an diesem Montag einem Urteil des Kantonsgerichts
Basel-Landschaft zum Fall Sabo. Es stimme nicht, dass er dem rebellischen Priester
vor dem Entzug der kirchlichen Lehrbeauftragung kein rechtliches Gehör gewährt habe.
Sein Eindruck sei, dass das Urteil des Kantonsgerichts "von vornherein festgestanden"
habe. Es gehe jetzt nicht mehr nur um Röschenz, so Bischof Koch in einer Mitteilung:
Vielmehr seien mit dem Urteil "schwerwiegende Fragen grundsätzlicher Art und noch
kaum in ihrer ganzen Tragweite absehbare Konsequenzen aufgeworfen worden". Der Bischof
zieht den Entscheid aber nicht an das Bundesgericht weiter - denn dies käme einer
Anerkennung der Zuständigkeit des Kantonsgerichtes bei kirchlichen Angelegenheiten
gleich, was er vor seinem Gewissen nicht verantworten könne.
Nach Überzeugung
des Basler Bischofs ist jetzt die Exekutive der Römisch-katholischen Landeskirche
Basel-Landschaft, also der Landeskirchenrat, gefordert. Es liege in der Verantwortung
des Landeskirchenrates, den in der Kirchgemeinde Röschenz in kirchlicher und staatskirchenrechtlicher
Sicht nach wie vor bestehenden Unrechtszustand zu beseitigen und wieder geordnete
Rechtsverhältnisse herzustellen", heißt es in der sechsseitigen bischöflichen Stellungnahme.
"Erfreulicherweise" sei die rechtliche Kompetenz dazu dem Landeskirchenrat vom Kantonsgericht
anerkannt worden.
Scharfe Kritik übt Bischof Koch an der Feststellung des Kantonsgerichts,
kirchliche Gerichte würden die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verletzen
und es sei keine weltliche Überprüfung möglich. "Dieser selbstherrliche Anspruch auf
staatliche Überprüfung des kirchlichen Rechts und die damit einhergehende ungeheuerliche
Infragestellung der ganzen Rechtsordnung der römisch-katholischen Kirche, mit der
der Kanton Basel-Landschaft mit einem völkerrechtlichen Konkordat verbunden ist, darf
in keiner Weise hingenommen werden (...)", schreibt Koch. Angesichts dieses Affronts
habe er sich verpflichtet gefühlt, den Heiligen Stuhl über diese öffentliche Disqualifizierung
seiner Rechtsordnung und über diese gravierende Missachtung des Konkordats durch das
Baselbieter Kantonsgericht umgehend zu informieren.
Wir dokumentieren hier
die Erklärungen des Bistums Basel zum Fall Sabo.
Pressemitteilung
Solothurn, 12. November 2007
Nach dem Vorliegen der schriftlichen Begründung
des Urteils des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom 5. September 2007 über das Arbeitsverhältnis
von Herrn Franz Sabo in der Kirchgemeinde Röschenz und nachdem sich der Landeskirchenrat
Basel-Landschaft dazu mit einer sehr kritischen Urteilsanalyse öffentlich geäussert
hat, gibt Bischof Dr. Kurt Koch zuhanden der Öffentlichkeit die nachfolgende Stellungnahme
ab.
Zu Beginn hält Bischof Kurt Koch fest, dass am Gerichtsurteil die Tatsache
positiv zu werten sei, dass das Kantonsgericht bestätigt, ein Seelsorger könne in
der römisch-katholischen Kirche „nur mit einer missio canonica angestellt werden“,
„da er diese für seine Arbeit, nämlich eine kirchenrechtlich korrekte und gültige
Seelsorge, zwingend benötigt“. Ebenso wird klar festgehalten, dass die Erteilung wie
auch der Entzug der missio canonica „innerkirchliche Vorgänge“ sind, die sich „im
Grundsatz einer staatlichen Kontrolle und Aufsicht entziehen“.
Trotzdem wurde
von dieser wichtigen grundsätzlichen Tatsachenfeststellung im Gerichtsverfahren und
in der schriftlichen Begründung des Gerichtsurteils durchgehend kein Gebrauch gemacht.
Im Gegenteil, das ganze Gerichtsverfahren beinhaltet genau die „staatliche Kontrolle
und Aufsicht“. Daher betont der Bischof, dass eine Anerkennung des Urteils des Kantonsgerichts
Basel-Landschaft einer Kapitulation der Kirche vor dem Staat gleich käme.
Bischof
Kurt Koch weist im weiteren darauf hin, dass die Hauptbegründung für den Entzug der
missio canonica – das zerrüttete Vertrauensverhältnis zwischen Herrn Sabo und dem
Bischof - nicht anerkannt, sondern als „Leerformel“ disqualifiziert wird, was inakzeptabel
ist. Ebenso weist der Bischof den Vorwurf, er habe das rechtliche Gehör nicht gewährt,
als unbegründet zurück. Daraus ist zu schliessen, dass es dem Kantonsgericht nicht
um eine entscheidungsoffene Urteilsberatung ging, sondern es sei vielmehr von vorneherein
festgestanden, wie das Urteil zu lauten habe.
Angesichts dieses Urteils kann
es jetzt nicht mehr allein um den Fall Röschenz gehen. Mit dem Urteil sind vielmehr
schwerwiegende Fragen grundsätzlicher Art und noch kaum in ihrer ganzen Tragweite
absehbare Konsequenzen aufgeworfen worden. Da diese offenen Fragen im Verhältnis von
Staat und Kirche nicht mit einem occasionellen Urteil eines kantonalen Gerichtes als
bereits beantwortet betrachtet werden dürfen, muss auf jeden Fall ein für die Katholische
Kirche verhängnisvoller Präzedenzfall vermieden werden. Deshalb weiss sich der Bischof
in seinem Gewissen verpflichtet, das Urteil des Kantonsgerichts zurückzuweisen. Aus
demselben Grund ist ein Weiterzug an das Bundesgericht nicht möglich.
Was die
konkrete Situation in der Kirchgemeinde Röschenz betrifft, liegt es nun in der Verantwortung
des Landeskirchenrates Basel-Landschaft, den in kirchlicher und staatskirchenrechtlicher
Sicht nach wie vor bestehenden Unrechtszustand zu beseitigen und wieder geordnete
Rechtsverhältnisse herzustellen. Die rechtliche Kompetenz dazu ist dem Landeskirchenrat
jedenfalls – erfreulicherweise – vom Kantonsgericht Basel-Landschaft anerkannt worden.
Zum
kirchenrechtlichen Hintergrund der Stellungnahme von Bischof Kurt Koch empfehlen wir
die Lektüre der Vorbemerkungen des Generalvikars.
Hans-E. Ellenberger
Vorbemerkung
des Generalvikars zur Stellungnahme des Bischofs von Basel zum Urteil des Kantonsgerichts
Basel-Landschaft
Die Stellungnahme des Bischofs von Basel zum Urteil
des Kantonsgerichts Basel-Landschaft kann nur verstanden werden, wenn berücksichtigt
wird, dass sie sich allein auf den Sachverhalt des Entzugs der missio canonica an
einen als Pfarradministrator (nicht als Pfarrer!) eingesetzten Priester bezieht. Diese
Präzisierung ist insofern bedeutsam, als bei einem Missio-Entzug bzw. Amtsenthebung
eines Pfarrers (nicht nur weil er gewählt ist, sondern auch aus kanonistischen Gründen)
ein aufwändigeres Verfahren durchgeführt werden muss, bevor das entsprechende Dekret
erlassen werden kann.
Der Begriff missio canonica (lateinisch für kanonische
Sendung) wird in der Kirchenrechtswissenschaft und in der kirchlichen Verwaltung für
verschiedene Formen von Ermächtigungen von Personen zur Tätigkeit in der Kirche gebraucht.
Bischöfe und andere Leitungsverantwortliche ermächtigen damit Kleriker und Laien,
im Namen der Kirche am Sendungsauftrag der Kirche mitzuwirken. Bei uns wird der Begriff
missio canonica gebraucht, um die Verleihung eines Amtes im kanonischen Sinn auszudrücken.
Ein Priester erhält also mittels der missio canonica das Amt als Pfarrer, Pfarradministrator,
Vikar oder Mitarbeitender Priester verliehen. Umgekehrt bedeutet der Entzug der missio
canonica, dass dem Priester das vormals verliehene Amt entzogen wird. Da das kanonische
Recht für diesen Vorgang aber unterschiedliche Formen und Verfahrensweisen kennt,
ist der Entzug der missio canonica rechtlich differenziert anzugehen.
Wenn
die Landeskirchenverfassung von „kirchlicher Sendung“ spricht, greift sie damit den
Begriff missio canonica auf. Die Verfassung bindet durch die Verwendung dieses Begriffs
das Landeskirchenrecht – zumindest teilweise – an das kanonische Recht. Konkret geschieht
dies, indem die Verfassung die „kirchliche Sendung“ zur Anstellungsvoraussetzung für
alle Seelsorgenden macht (vgl. § 46, 47, 49 Abs. 1 und 53 Abs. 2 Landeskirchenverfassung
Basel-Landschaft). Folglich kann die Landeskirche oder eine Kirchgemeinde niemanden
als Seelsorgenden anstellen, ohne dass der Bischof vorher durch die Erteilung der
missio canonica seine Zustimmung erteilt hat. In gleicher Weise gilt: der Landeskirchenrat
oder eine Kirchgemeinde kann niemand weiter beschäftigen, dem der Bischof die missio
canonica entzogen hat.
Solothurn, 12. November 2007
Stellungnahme
des Bischofs von Basel zum Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft
Nachdem
ich die schriftliche Begründung des Urteils des Kantonsgerichts Basel-Landschaft vom
5. September 2007 über das Arbeitsverhältnis von Herrn Franz Sabo in der Kirchgemeinde
Röschenz zur Kenntnis nehmen konnte und nachdem sich der Landeskirchenrat Basel-Landschaft
dazu mit einer sehr kritischen Urteilsanalyse öffentlich geäussert hat, gebe ich zuhanden
der Öffentlichkeit die folgende Stellungnahme ab.
Positiv am Gerichtsurteil
ist die Tatsache zu werten, dass das Kantonsgericht unmissverständlich festhält und
bestätigt, dass ein Seelsorger in der römisch-katholischen Kirche „nur mit einer missio
canonica angestellt werden“ kann, „da er diese für seine Arbeit, nämlich eine kirchenrechtlich
korrekte und gültige Seelsorge, zwingend benötigt“ (4.4) Ebenso wird klar festgehalten,
dass die Erteilung wie auch der Entzug der missio canonica „innerkirchliche Vorgänge“
sind, die sich „im Grundsatz einer staatlichen Kontrolle und Aufsicht entziehen“ (8.6).
Von dieser wichtigen grundsätzlichen Tatsachenfeststellung wurde freilich
im Gerichtsverfahren und in der schriftlichen Begründung des Gerichtsurteils durchgehend
kein Gebrauch gemacht. Im Gegenteil verwickelt sich das Kantonsgericht in einen fundamentalen
Selbstwiderspruch zu seiner grundsätzlichen Tatsachenfeststellung. Denn das ganze
Gerichtsverfahren beinhaltet genau die „staatliche Kontrolle und Aufsicht“. Mit der
Behauptung, dass überall dort, wo das kirchliche Handeln des Bischofs Auswirkungen
auf das staatliche Recht habe, das kirchliche Recht dem staatlichen Recht unterstellt
werden müsse, sieht sich das Gericht als kompetent und legitimiert, „zu prüfen, ob
der Entzug der missio canonica gültig ist, damit sie als Grundlage für eine das öffentlich-rechtliche
Anstellungsverhältnis auflösende bzw. diese Auflösung befehlende Verfügung dienen
kann“. Nicht nur wird behauptet, dass die korporative Freiheit der römisch-katholischen
Kirche – auch und sogar – „im innerkirchlichen Bereich ihre Grenzen beim staatlichen
bzw. landeskirchlichen Recht“ finde (8.7), sondern es wird auch in Anspruch genommen,
dass „die aus Art. 29 BV fliessenden Grundrechtsbedingungen“ stärker zu gewichten
seien „als die in der Landeskirchenverfassung enthaltenen Verweise auf Lehre und Rechtsordnung
der römisch-katholischen Kirche“ und deshalb „grundsätzlich innerkirchlichem Recht“
vorgehen (8.9). Daraus wird geschlossen, dass bei einer „Güterabwägung zwischen dem
Selbstbestimmungszweck der Kirche und staatlichem Rechtsgüterschutz“ dem letzteren
der absolute Vorrang gegeben werden müsse (7.6). Solche Behauptungen kommen einer
Unterordnung des kirchlichen unter das staatliche Recht gleich und machen die unter
Punkt 1. genannte grundsätzliche Tatsachenfeststellung zu Makulatur.
Um diesen fundamentalen Selbstwiderspruch zwischen der Grundsatzerklärung,
dass es sich bei der Erteilung und beim Entzug der missio canonica um eine rein kirchliche
Angelegenheit handelt, und dem dazu konträren Handeln des Gerichts zu verschleiern,
hat das Gericht folgendes Vorgehen gewählt: Es hat auf eine inhaltliche Auseinandersetzung
mit der ganzen Sachproblematik verzichtet und sich auf eine rein formale, beziehungsweise
formalistische Argumentation zurückgezogen, und zwar dahingehend, dass sowohl beim
bischöflichen Entzug der missio canonica als auch bei der Verfügung des Landeskirchenrates
an die Kirchgemeinde Röschenz, der suspendierte Priester Sabo sei zu entlassen, Formfehler
geschehen seien, die „nicht geheilt“ werden könnten (9.6), und dass folglich der Missio-Entzug
nicht gültig sei. Doch diese formalistische Argumentation des Gerichts kann nicht
darüber hinwegtäuschen, dass das Gericht damit gerade eine inhaltliche Entscheidung
gefällt hat. Denn dieses Urteil impliziert eine faktische Nichtigkeitserklärung des
bischöflichen Missio-Entzuges durch das staatliche Gericht. Dieses Urteil kann ich
auf keinen Fall akzeptieren, sondern weise es vor allem aus zwei Gründen kategorisch
zurück: Erstens bliebe mir als Bischof, um meine Verantwortung nach dem Gerichtsurteil
überhaupt noch wahrnehmen zu können, nur noch die Möglichkeit, Herrn Sabo die Missio
zurückzugeben, den vom Gericht beanstandeten Formfehler zu korrigieren und dann Herrn
Sabo die missio canonica wieder zu entziehen. Ein solches absurdes Vorgehen, das in
der Öffentlichkeit zweifellos als solches wahrgenommen würde, darf niemand, am wenigsten
ein sich rechtsstaatlich verstehendes Gericht, einem Bischof zumuten. Zweitens würde
dieses Vorgehen de facto eine Anerkennung meinerseits bedeuten, dass ein staatliches
Gericht das Recht hat, sich in derart gravierender Weise in kirchliche Angelegenheiten
einzumischen. Dies wäre ein fataler Präzedenzfall, den ich auf jeden Fall vermeiden
muss. Dies bin ich der ganzen Kirche in der Schweiz einfach schuldig. Aus diesen beiden
Gründen muss ich diesen Gerichtsentscheid als für mich und meine kirchliche Verantwortung
irrelevant und mich in keiner Weise bindend zurückweisen. Die Erteilung und der Entzug
der missio canonica ist und bleibt eine kirchliche Angelegenheit, über die der Staat
nicht zu verfügen hat.
Dazu weiss ich mich ferner verpflichtet,
weil die inhaltliche Begründung des Gerichtsentscheids auf äusserst schwachen Füssen
steht. Es ist zwar auch in kirchlicher Sicht unbestritten, dass ein Missio-Entzug
begründet und dem betroffenen Seelsorger rechtliches Gehör gewährt werden muss. Problematisch
ist aber die Beurteilung dieser Sachverhalte durch das Kantonsgericht, wie bereits
der Landeskirchenrat unmissverständlich festgestellt hat.
a) Das
Gericht hat erstens geurteilt, der Entzug der missio canonica sei „nicht in ausreichender
Dichte begründet“ worden (10.7). Die Hauptbegründung eines zerrütteten Vertrauensverhältnisses
zwischen Herrn Sabo und mir als Bischof wird nicht anerkannt, sondern als „Leerformel“
disqualifiziert. Dieses Urteil ist unhaltbar und bezeugt keine objektive Beurteilung
durch das Kantonsgericht. Denn erstens ist das völlig zerrüttete Vertrauensverhältnis
genügend dokumentiert, hat es doch Herr Sabo mit seinen Attacken gegen die Kirche
in aller Öffentlichkeit selbst demonstriert und zudem in einer Buchpublikation festgeschrieben.
Zweitens hat Herr Sabo selbst in seinem Schreiben (bei den Gerichtsakten) an mich
vom 25.9.05, den Tatbestand eines zerrütteten Vertrauensverhältnisses seinerseits
bestätigt. Drittens ist es schlicht unvorstellbar, dass man bei einem kantonalen Angestellten,
der den Regierungsrat und den Staat dauernd öffentlich beschimpfen und verunglimpfen
würde, ein zerrüttetes Vertrauensverhältnis nicht selbstverständlich anerkennen würde
und dass es niemandem in den Sinn käme, diesbezüglich von einer „Leerformel“ zu sprechen.
Unwillkürlich fragt man sich, aus welchen Gründen sich dies bei der römisch-katholischen
Kirche anders verhalten soll.
b) Das Gericht hat zweitens geurteilt, sowohl
ich als auch der Landeskirchenrat hätten Herrn Sabo das rechtliche Gehör nicht gewährt.
Diese unverständliche und unhaltbare Behauptung kann das Gericht nur deshalb aufstellen,
weil es in einer absolut formalistischen Fixierung nur die Fakten vor dem 9. Februar
2005 anerkennt, als Bischofsvikar Kurt Grüter Herrn Sabo mündlich mitteilen musste,
dass der Entzug der missio canonica unausweichlich geworden sei, und alle anderen
Fakten und Ereignisse nach dem 9. Februar 2005 als irrelevant, weil „nachgeschoben“,
erklärt. Dabei hatten nach dem 9. Februar 2005 nochmals je zwei Gespräche zwischen
Herrn Sabo und mir und dem Kirchgemeinderat Röschenz und mir stattgefunden, in denen
nicht nur die Gründe für den Missio-Entzug besprochen, sondern nach Auswegen in der
verfahrenen Situation gesucht wurde. Ich bin sogar soweit gegangen, dass ich Herrn
Sabo eine Auszeit von einem halben Jahr angeboten habe, während dem das Erzbistum
Bamberg und das Bistum Basel für seinen Lebensunterhalt aufkommen werden, was Herr
Sabo postwendend abgelehnt hat. Obwohl ich also sehr viel mehr unternommen habe, um
die eingetretene problematische Sachlage zu klären und eine Lösung zu finden, als
staatliches Recht vorschreibt, und obwohl auch der Landeskirchenrat zur Überzeugung
gekommen ist, dass mit den verschiedenen Gesprächen nach dem 9. Februar 2005 die staatliche
Anforderung des rechtlichen Gehörs gewährleistet worden sei, wischt das Kantonsgericht
dies alles vom Tisch und erklärt es für irrelevant. Es ist offensichtlich, dass das
Kantonsgericht die Fiktion vorgenommen hat, die missio canonica sei Herrn Sabo am
9. Februar 2005 entzogen worden (tatsächlich erfolgte der Missio-Entzug aber am 30.
September 2005), und zwar mit dem Zweck, alle nachfolgenden Verfehlungen von Herrn
Sabo als nicht Gegenstand des Entzugs der missio canonica zu erklären. Hier dürfte
auch der Grund liegen, dass das Kantonsgericht in einer rein formalistischen Argumentation
auf den Sachverhalt fixiert bleibt, das rechtliche Gehör sei Herrn Sabo nicht so gewährt
worden, wie es der Gerichtspraxis des Kantonsgerichts Basel-Landschaft entspreche.
Dieser auf Willkür beruhende Formalismus des Urteils bildet eine für unsere demokratische
Rechtskultur verhängnisvolle Erscheinung.
c) Das Gericht gesteht zwar
ein, dass der Inhalt der Gespräche zwischen Herrn Sabo und mir „zwischen den Parteien
umstritten sei“: „Die Beschwerdeführerin geht in Übereinstimmung mit Franz Sabo davon
aus, dass bei diesem Gespräch eine Vertrauensbasis im Hinblick auf den gesamten Verlauf
des Konfliktes geschaffen werden sollte. Die Vorinstanz und das Bistum sind hingegen
der Ansicht, dass Franz Sabo in diesem Gespräch zum Entzug der missio canonica angehört
und ihm auch eine Begründung geliefert worden sei“ (9.6). Wiewohl das Gericht diese
Situation als „umstritten“ beurteilt und wiewohl es anerkennt, dass von kirchlicher
Seite sehr viel grössere Anstrengungen unternommen worden sind, um die verfahrene
Situation zu lösen, als die alleinige Form des rechtlichen Gehörs, macht es sich anschliessend
in einer äusserst parteilichen Weise die Sicht von Herrn Sabo und des Kirchgemeinderates
Röschenz zu eigen, ohne dies zu begründen.
Leider werfen
auch einige vorprozessuale Handlungen des Herrn Gerichtspräsidenten Fragen auf. Um
nur das gravierendste Beispiel zu nennen, beschränke ich mich auf das sogenannte Angebot
des Gerichtspräsidenten zu Einigungsverhandlungen. Seltsam und den Gepflogenheiten
nicht entsprechend war bereits die Tatsache, dass diese Einladung zu Einigungsverhandlungen
zunächst den Medien bekannt gegeben wurde, bevor die Parteien mit Schreiben vom 1.
Februar 2007 informiert worden sind. Noch verworrener freilich ist der Inhalt dieses
Schreibens:
Der Gerichtspräsident schreibt, dass bei einem solchen
Einigungsgespräch „das kanonische Recht und die innerkirchlichen Belange berücksichtigt
werden müssen“. Deshalb würde er die „Vergleichsverhandlung“ im Beisein eines früheren
Landeskirchenratspräsidenten führen, welcher in staatskirchenrechtlichen und innerkirchlichen
Angelegenheiten über eine langjährige Erfahrung und über ein spezielles Fachwissen
verfüge. Weiter vermerkt der Gerichtspräsident, dass im Fall einer gerichtlichen Beurteilung
die genannte Person dem Spruchkörper nicht angehören werde, „um auch nach aussen jeden
Anschein der Befangenheit des Gerichts zu vermeiden“.
Schliesslich gab der
Gerichtspräsident die unabdingbaren Voraussetzungen für Einigungsverhandlungen bekannt:
„Im Weiteren dürfen keine Vorbedingungen gestellt werden und alle Teilnehmenden verpflichten
sich, während der Einigungsgespräche andere Beteiligte provozierende Handlungen zu
unterlassen“. Tatsache aber ist, dass sowohl der Anwalt des Kirchgemeinderates Röschenz
als auch derjenige von Herrn Sabo – aus mir wohl einsehbaren Gründen – dem Gerichtspräsidenten
mitgeteilt haben, dass sie die von ihm vorgeschlagene Person für die Durchführung
der Einigungsverhandlungen ablehnen. Zudem liess der Anwalt von Herrn Sabo den Gerichtspräsidenten
wissen, dass Herr Sabo nur zu Einigungsverhandlungen erscheine, wenn der Bischof „persönlich
eingeladen und anwesend sei“. Wiewohl damit der Kirchgemeinderat Röschenz und Herr
Sabo klare „Vorbedingungen“ gestellt haben, die der Gerichtspräsident in seinem Schreiben
vom 1. Februar 2007 unmissverständlich ausgeschlossen hatte, und wiewohl damit der
Kirchgemeinderat Röschenz und Herr Sabo ihrerseits Einigungsverhandlungen verunmöglicht
haben, hat der Gerichtspräsident nach aussen kommuniziert, alle Parteien mit Ausnahme
des Bischofs wären für Einigungsverhandlungen bereit gewesen. Dieses Verhalten war
wahrlich keine gute Voraussetzung, um auf eine ausgewogene Beurteilung hoffen zu dürfen.
Alle diese Fakten lassen für mich keinen anderen Schluss zu als den, dass
es sich beim Kantonsgericht nicht um eine entscheidungsoffene Urteilsberatung gehandelt
haben kann, dass vielmehr von vorneherein feststand, wie das Urteil zu lauten hatte
und dass dazu eine für die Öffentlichkeit nachvollziehbare Begründung gefunden werden
musste.
Damit dürfte hinlänglich deutlich sein, dass
es nach dem Urteil des Kantonsgerichts nicht mehr allein um den Fall Röschenz gehen
kann, dass vielmehr schwerwiegende Fragen grundsätzlicher Art aufgeworfen sind und
noch kaum in ihrer ganzen Tragweite absehbare Konsequenzen bedacht werden müssen,
und zwar genauerhin in vierfacher Hinsicht:
a) Das Gerichtsurteil
provoziert in erster Linie Fragen an die in den Bistumskantonen herrschenden staatskirchenrechtlichen
Systeme selbst. Dass die rein kirchliche Angelegenheit der Erteilung oder des Entzugs
der missio canonica überhaupt von einem staatlichen Gericht beurteilt wird, hat seinen
entscheidenden Grund in diesen staatskirchenrechtlichen Systemen. Der Fall Röschenz
zeigt zudem einmal mehr, dass das Leben der Kirche mit dieser staatskirchenrechtlichen
Struktur nur funktioniert, wenn beide Seiten demselben Ziel verpflichtet sind und
einvernehmlich handeln wollen. Im Konfliktfall aber versagt diese Zusammenarbeit völlig,
weil dann das Staatskirchenrecht stets Vorrang vor dem Kirchenrecht beansprucht und
ihn auch durchsetzen kann und sich die Kirche vor dem Staatskirchenrecht und, wie
das Gerichtsurteil zeigt, sogar vor staatlichem Recht zu beugen hätte. Wiewohl die
staatskirchenrechtlichen Systeme Auxiliargefässe sind, die den Zweck haben, das kirchliche
Leben administrativ und finanziell zu unterstützen, dienen sie im Konflikt gerade
nicht der Kirche, sondern stellen ihre Freiheit radikal in Frage. Sollte das Vorhaben,
die staatskirchenrechtlichen Systeme gegen die Kirche zu missbrauchen, wie dies bei
Röschenz in eklatanter Weise der Fall ist, Schule machen – die Kirchgemeinde Kleinlützel
ist ein weiteres Beispiel dafür - , würde die Kirche keine andere Möglichkeit mehr
haben als die, für eine völlige Trennung von Kirche und Staat einzutreten. Hier ist
ein Umdenken unbedingt angesagt. Dieses muss mit einer kritischen Zurückweisung des
Gutachtens von Felix Hafner und Urs Brosi „Bischöfliche Personalentscheide und landeskirchliches
Recht“ beginnen, das der Landeskirchenrat Basel-Landschaft in Auftrag gegeben hat
und auf das sich das Kantonsgericht in seinen Entscheidungen stützt. In diesem Gutachten
wird eine problematische Sicht der staatskirchenrechtlichen Systeme und ihres Verhältnisses
zur Kirche vertreten. Dieses Gutachten berücksichtigt vor allem nicht, dass der Bischof
kein staatliches Organ ist und auch das Arbeitsverhältnis eines Priesters nicht mit
dem Bistum abgeschlossen wird.
b) Das Gerichtsurteil wirft auch Schatten
auf das Verhältnis von Staat und Kirche. Wenn der Staat für sich in Anspruch nimmt,
eine Oberaufsicht über die Kirche auszuüben und ihr eigenes Recht zu überprüfen, dann
handelt es sich nicht mehr um eine kritisch-loyale Partnerschaft von Kirche und Staat,
sondern um eine dem neuzeitlichen Verständnis des Verhältnisses von Kirche und Staat
widersprechende Unterordnung der Kirche unter den Staat. In meiner Loyalitätserklärung,
die ich als neu ernannter Bischof von Basel gegenüber den Regierungsvertretern aus
den zehn Diözesankantonen am 23. Februar 1996 abgegeben habe, habe ich keineswegs
eine Subordination der Kirche unter den Staat anerkannt, sondern zugesichert, mich
für eine kritisch-loyale Partnerschaft zwischen Kirche und Staat einzusetzen, und
habe deshalb gesagt: „So dienen beide, Kirche und Staat, letztlich demselben Ziel,
dem Frieden und der Gerechtigkeit unter den Menschen. Dies kann aber nur gelingen,
wenn Kirche und Staat sich zueinander kritisch-loyal verhalten.“ Von einer kritisch-loyalen
Partnerschaft von Staat und Kirche ist freilich beim Urteil des Kantonsgerichts kaum
etwas zu spüren. Es erinnert mich vielmehr in unseliger Weise an das Jahr 1873, als
der Basler Bischof Eugène Lachat den Pfarrer von Starrkirch-Dulliken suspendieren
musste, die Solothurner Regierung diese Entscheidung aber nicht akzeptierte und in
konzertierter Aktion mit den anderen Bistumskantonen den Bischof von Basel absetzte:
Am 16. April 1873 erschien der Polizeidirektor im Bischofshaus in Solothurn und forderte
den Bischof zum Verlassen des Hauses auf. Auch wenn es den Diözesankantonen heute
kaum mehr möglich ist, den Diözesanbischof wegen einer Suspendierung eines Priesters
abzusetzen, so ist die Mentalität, die hinter der schriftlichen Begründung des Urteils
des Kantonsgerichts Basel-Landschaft verborgen ist, von diesem unseligen Geist des
19. Jahrhunderts nicht frei.
c) Das Urteil des Kantonsgerichts berührt
auch das völkerrechtliche Konkordat, das die Diözesankantone des Bistums Basel mit
dem Apostolischen Stuhl im Jahr 1828 geschlossen haben und dem sich der Kanton Basel-Landschaft
mit einer Zusatzvereinbarung im Jahre 1978 angeschlossen hat. Denn auf den Einwand
meines Anwaltes während der Gerichtsverhandlung, dass Herr Sabo es unterlassen habe,
zunächst das kirchliche Rechtsmittel der Beschwerde zu ergreifen, hat das Gericht
lapidar und ohne jede Begründung geantwortet, Herr Sabo hätte den innerkirchlichen
Rechtsweg deshalb nicht beschreiten müssen, weil das kirchliche Verfahren „den rechtsstaatlichen
Anforderungen nicht zu genügen“ vermöge. Dieser Affront gegen die Rechtsordnung der
Römisch-katholischen Kirche wird allein damit „begründet“, die kirchlichen Gerichte
würden die EMRK verletzen und es sei „keine weltliche Überprüfung“ möglich (4.2).
Dieser selbstherrliche Anspruch auf staatliche Überprüfung des kirchlichen Rechts
und die damit einhergehende ungeheuerliche Infragestellung der ganzen Rechtsordnung
der Römisch-katholischen Kirche, mit der der Kanton Basel-Landschaft mit einem völkerrechtlichen
Konkordat verbunden ist, darf in keiner Weise hingenommen, sondern muss entschieden
zurückgewiesen werden. Kein souveräner Staat würde es sich gefallen lassen, dass sich
ein anderer Staat, mit dem diplomatische Beziehungen bestehen, derart abfällig über
dessen Rechtsordnung äussert, wie dies das Kantonsgericht über die Rechtsordnung der
Römisch-katholischen Kirche getan hat. Zudem wäre zu verifizieren, ob die Schweiz
nicht mit mehr Ländern, die die EMRK nicht unterzeichnet haben, diplomatische und
handelsrechtliche Beziehungen zu unterhalten pflegt, als mit solchen, die der EMRK
unterstehen; die Handelsbilanz mit China und Indien dürfte jedenfalls für sich sprechen.
Angesichts dieses totalen Affronts des Kantonsgerichts Basel-Landschaft habe ich mich
verpflichtet gefühlt, den Apostolischen Stuhl in Rom über diese öffentliche Disqualifizierung
seiner Rechtsordnung und über diese gravierende Missachtung des Konkordates durch
das Kantonsgericht Basel-Landschaft umgehend zu informieren.
d) Das Urteil
des Kantonsgerichts stellt schliesslich in ökumenischer Sicht eine gravierende Benachteiligung
der Römisch-katholischen Kirche im Verhältnis zu den Evangelisch-reformierten Kirchen
in der Schweiz dar. Denn es dürfte selbstverständlich sein, dass eine Verfügung eines
evangelisch-reformierten Kantonalkirchenratspräsidenten gegenüber einer Kirchgemeinde
von einem staatlichen Gericht nicht derart in Zweifel gezogen würde, wie dies bei
der Römisch-katholischen Kirche offensichtlich möglich ist, wiewohl die kirchliche
und die staatskirchenrechtliche Seite zu demselben Ergebnis gekommen sind. Hier ist
offensichtlich die Rechtsgleichheit zwischen den christlichen Konfessionen verletzt
worden.
Das Urteil des Kantonsgerichts anzuerkennen, käme
einer Kapitulation der Kirche vor dem Staat gleich. Ein solcher Kniefall vor dem Staat
darf einem Bischof aber nicht zugemutet werden. Deshalb weiss ich mich in meinem Gewissen
verpflichtet, das Urteil des Kantonsgerichts zurückzuweisen. Aus denselben Gründen
ist es für mich unmöglich, den Entscheid des Kantonsgerichts an das Bundesgericht
weiterzuziehen. Denn erstens habe ich stets betont, dass eine derart kirchliche Angelegenheit
wie die Erteilung oder der Entzug der missio canonica nicht vor ein staatliches Gericht
gehört, wie bereits Paulus in seinem ersten Brief an die Korinther (6,6) einschärfen
musste. Ein Weiterziehen an das Bundesgericht käme zweitens einer Anerkennung der
Zuständigkeit des Kantonsgerichts Basel-Landschaft bei kirchlichen Angelegenheiten
gleich, was ich, wie gesagt, nicht verantworten kann. Ich bin deshalb dankbar, dass
auch der Landeskirchenrat nicht an das Bundesgericht appelliert.
9. Die
aufgeworfenen Fragen im Verhältnis von Staat und Kirche sind sehr differenziert und
komplex. Sie müssen vordringlich angegangen und aufgearbeitet werden. Sie können deshalb
unmöglich mit einem occasionellen Entscheid eines kantonalen Gerichts als bereits
beantwortet gelten. Dazu ist das Urteil des Kantonsgerichts mit zu vielen Unwägsamkeiten,
ungeprüften Vorentscheidungen und Falschbeurteilungen belastet.
10. Was die
konkrete Situation in der Kirchgemeinde Röschenz betrifft, liegt es nun in der Verantwortung
des Landeskirchenrates, den in kirchlicher und staatskirchenrechtlicher Sicht nach
wie vor bestehenden Unrechtszustand zu beseitigen und wieder geordnete Rechtsverhältnisse
herzustellen. Die rechtliche Kompetenz dazu ist dem Landeskirchenrat jedenfalls –
erfreulicherweise – vom Kantonsgericht Basel-Landschaft anerkannt worden.