Die Bischöfe des Landes, die sich bis diesen Samstag im Heiligen Land aufhalten, blicken
in einem gemeinsamen Schreiben auf den Papstbesuch in Österreich zurück und rufen
dazu auf, „die Chancen zu nützen, die den Menschen in Österreich gegeben sind“. In
erster Linie gehe es darum, tiefer zu graben und auch tiefer zu denken, „als dies
jetzt oft vorgeschlagen wird“. Werde das getan, würden wieder mehr Menschen das Evangelium
„als w irklich frohmachende, wenn auch nicht bequeme Botschaft“ neu für sich entdecken.
Die Österreichischen Bischöfe hielten im Heiligen Land ihre diesjährige Herbst-Vollversammlung
ab. Zugleich wollten sie mit dieser Reise ein Zeichen der Solidarität mit den bedrängten
Christen in der Heimat Jesu setzen. (rv/zenit/kap 10.11.2007 mg)
Hier
der gesamte Hirtenbrief der österreichischen Bischöfe vom Berg der Seligpreisungen
in Galiläa
Liebe katholische Christen in Österreich, Brüder und Schwestern
im Glauben!
Zwei Monate nach dem Besuch von Papst Benedikt XVI. in Österreich
und seiner Reise als Pilger nach Mariazell haben wir Bischöfe eine Pilgerfahrt in
das Heilige Land unternommen. Hier - am Ursprung des Christentums - haben wir gebetet;
wir haben bei unserer hier abgehaltenen Herbstkonferenz über Impulse aus dem Besuch
des Heiligen Vaters und über den weiteren Weg der Kirche in Österreich inmitten unserer
Weltkirche nachgedacht. Und wir haben auch in vielen Begegnungen unsere Solidarität
mit den Christen des Heiligen Landes in ihrer schwierigen Situation zum Ausdruck gebracht.
"Auf
Christus schauen", das war das Leitwort des päpstlichen Besuches in Österreich.
In Nazareth, Betlehem, Jerusalem und in der diese Städte umgebenden Landschaft
haben wir versucht, diesen Auftrag tiefer zu erfassen. Über diesen Boden ist ja
Jesus als Kind und als Mann von Nazareth gegangen. Hier hat er die Apostel berufen,
hat die Feste der Menschen mitgefeiert, hat Wunden von Leib und Seele geheilt,
hat unerhörte, Mund und Herz öffnende Worte gesagt und dann wieder in der Einsamkeit
gebetet. Hier hat er mit den Jüngern das letzte Abendmahl gefeiert, hier war sein
Kreuz aufgerichtet und hier befand sich sein leeres Grab. Und schließlich wurde
zu Pfingsten hier der Heilige Geist über die Urgemeinde ausgegossen.
In
Galiläa hat der auferstandene Christus die Jünger in die Welt und in ihre Geschichte
hinein gesendet, das Evangelium zu verkünden und zu taufen. Und er hat ihnen und
der ganzen Kirche ein großes Versprechen mit auf den Weg gegeben. Es lautet: "Siehe,
ich bleibe bei euch alle Tage bis zur Vollendung der Weltzeit."
Hier in
Galiläa, nahe dem Ort, wo Jesus die unvergänglichen Worte der Bergpredigt gesprochen
hat, schreiben wir diesen Brief nach Österreich. Wir tun es im Vertrauen, dass
Jesus Christus der Kirche auch in unserem Land auf dem Weg in die Zukunft beistehen
wird, wie er es bisher getan hat.
Liebe Christen! Wenn wir realistisch,
aber auch hoffnungsvoll auf die Kirche und die Zivilgesellschaft in Österreich
blicken, dann sehen wir vieles, das uns Freude macht. Wir sehen aber auch vieles,
das uns Sorgen bereiten muss. Die Gesellschaft ist in einem raschen Wandel begriffen.
Es gibt in ihr viel Kreativität und Kraft für tragfähig Neues. Andererseits ist
aber viel bewährt Tragendes von Aushöhlung und Zerfall bedroht. Dies betrifft besonders
Familie und Ehe, die Solidarität mit den noch Ungeborenen und mit kranken alten
Menschen und den Mut zu mehr Kindern.
Auch in unserer Kirche gibt es beides.
Es gibt sehr viele lebendige ältere und junge Christen und christliche Gemeinschaften, insbesondere
auch Pfarrgemeinden. Andererseits gibt es einen großen Mangel an Glaubenswissen
und wenig religiöse Ergriffenheit bei vielen Getauften. Und es gibt eine Versuchung
zur Resignation bei nicht wenigen ernsthaften Christen. Dies auch bei Priestern
und Ordensleuten angesichts von Schwächen in manchen Bereichen des kirchlichen
Lebens. Die Gründe dafür sind zahlreich. Wir sollten uns davor hüten, einige der
Hauptursachen voneinander zu trennen und gegeneinander auszuspielen. So ist der
Rückgang der Teilnahme am Sonntagsgottesdienst keineswegs nur auf den Mangel an
Priestern zurückzuführen.
Als Bischöfe stehen wir inmitten dieser Spannungen.
Wir dürfen ihnen nicht ausweichen und wollen sie nicht kleinreden. Wir sind aber
davon überzeugt, dass wir in der Kirche Österreichs tiefer graben und auch tiefer
denken müssen, als dies jetzt oft vorgeschlagen wird. Erst dann werden die Quellen
unseres Glaubens wieder reichlicher fließen können. Viel mehr Christen werden das
Evangelium dann als wirklich frohmachende, wenn auch nicht bequeme Botschaft entdecken.
Dann wird auch die Zahl jener Christen zunehmen, die ihre Berufung zu einem entschiedenen,
tapferen und fröhlichen Christsein annehmen, ob nun als Laienchristen, oder als
Priester, Diakone, Ordensleute. Sie alle und besonders die als Pastoralassistentinnen
und -assistenten, im Religionsunterricht, in den Pfarrgemeinderäten oder im Laienapostolat tätigen
Männer und Frauen bitten wir um ihr missionarisches Glaubenszeugnis. Ein Blick
auf die lebendige Kirche in anderen Ländern, wo es viel weniger Strukturen und
finanzielle Mittel gibt, könnte uns ermutigen, die Chancen zu nützen, die uns in
Österreich gegeben sind.
Im Heiligen Land konnten wir Bischöfe auch jungen
Christen aus vielen Ländern begegnen, die uns das Zeugnis eines fröhlichen Glaubens gegeben
haben. Manche haben eine Bekehrung erlebt und sind unterwegs zu einem geistlichen
Beruf. Im Blick auf sie grüßen wir besonders die jungen Christen unserer Diözesen
und wir grüßen alle Katholiken in Österreich vom Berg der Seligpreisungen in Galiläa.
In Galiläa hat Jesus die Jünger berufen und dort hat er von ihnen nach seiner Auferstehung
Abschied genommen. "Er geht euch voraus nach Galiläa", hatte der Engel den Jüngern
zu Ostern am leeren Grab Christi gesagt. Das ist auch ein Wort an uns alle. Christus
geht uns voraus auf dem Pilgerweg unseres Lebens und Glaubens. Wir sind gerufen,
Ihm nachzufolgen, indem wir auf Ihn schauen, auf Sein Wort hören und Ihn anderen
Menschen zeigen. Das wird zu großem Segen sein. Diesen Segen wünschen wir ihnen
allen.
Die Bischöfe Österreichs
Mittwoch, 7. November 2007, am Berg
der Seligpreisungen in Galiläa