2007-11-09 13:58:48

Georgien: Keine demokratische Tradition


RealAudioMP3 Nach massiven Bürgerprotesten und der Verhängung des Ausnahmezustands hat der georgische Staatspräsident Michail Saakaschwili für den 5. Januar eine vorgezogene Präsidentenwahl angekündigt. Ursprünglich war der Urnengang für Ende 2008 geplant. Saakaschwili kündigte an, den Ausnahmezustand in den kommenden Tagen aufheben zu wollen. Hunderte Soldaten hatten zuvor das Zentrum der Hauptstadt Tiflis besetzt. Die frühere Sowjetrepublik Georgien durchläuft eine schwierige Zeit des Übergangs, über die Hälfte der Bevölkerung lebt derzeit unterhalb der Armutsgrenze. Für den Osteuropa-Experten von „Kirche in Not“, Marko Tomashek, ist die Situation in Georgien nur durch den historischen Kontext zu erklären.
 
„Als Georgien Teil der Sowjetunion war, bestimmten die Russen, wer die Macht in Tiflis hat. Jetzt ist das Land unabhängig. Die Macht muss irgendwie ausgeübt werden, doch die Georgier haben keine Vorbilder und keine lange demokratische Tradition. Sie möchten das, können das aber nicht durchführen. Denn es gibt ein paar mächtige Leute, die sich ihnen entgegenstellen. Trotzdem bin ich zuversichtlich.“

 
Das gewaltsame Vorgehen gegen die Opposition und die Verhängung des Ausnahmezustands stießen im Westen auf heftige Kritik. Die Schwierigkeiten waren aber bereits in den vergangenen Monaten latent.

„Als ich im letzten Mai in Georgien war, haben wir vor allem die kleine katholische Minderheit besucht, aber wir haben natürlich auch gefragt, wie es den Georgiern geht, und da waren durchaus kritische Töne zu hören. Daher ist diese politische Entwicklung für mich eigentlich keine Überraschung.“

Die überwiegende Mehrheit der Georgier gehört der georgisch-orthodoxen Kirche an. Einige Auseinandersetzungen mit der russisch-orthodoxen Kirche scheinen noch weiterhin präsent zu sein. Die Kirchen spielen, so Tomashek, eine Schlüsselrolle bei der Lösung des innenpolitischen Konflikts.

„Die Georgier sind auf der Suche nach ihren eigenen Werten, und da kommt die Kirche gleich ins Spiel, weil sie in der Geschichte immer Trägerin der Identität des Volkes war. Der Besuch des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. in Georgien vom 12. bis 16. Oktober war meiner Meinung nach ein Versuch, sich und die Georgier aus der Isolation hinauszuführen. Dieser Besuch könnte nun im Innern der georgischen Gesellschaft die Zusammenarbeit mit anderen Orthodoxen und Konfessionen möglich machen, deren Angehörige sich auch als Georgier fühlen.“

 
(rv 09.11.2007 mg)









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