Der Vatikan drängt die islamische Welt zur Absage an "Gewalt jeglicher Art". Terrorismus
mache blind und sei nicht in der Lage, "Konflikte zu lösen", so die Botschaft des
Päpstlichen Dialogrates zum Ende des islamischen Fastenmonats Ramadan. Eindringlich
warnt der Text, der vom Leiter des Rates, Kardinal Jean-Louis Tauran unterzeichnet
ist, vor einem "todbringenden Räderwerk des zerstörerischen Hasses" und wirbt für
"eine Kultur des Friedens". (rv 28.09.2007 sk)
Wir dokumentieren hier
die Vatikan-Botschaft im vollen Wortlaut.
Christen und Muslime: aufgerufen,
eine Kultur des Friedens zu fördern
Liebe muslimische Freunde!
Es
ist für mich eine besondere Freude, Ihnen zu Ihrem frohen Fest des ‘Id al-Fitr, das
den während des Fasten- und Gebetsmonates Ramadan zurückgelegten Weg abschließt, die
freundschaftlichen und herzlichen Wünsche des Päpstlichen Rates für den interreligiösen
Dialog zu entbieten. Dieser Gang ist eine bedeutsame Zeit für das Leben der islamischen
Gemeinschaft und gibt jedem neue Kraft für sein persönliches, familiäres und soziales
Leben. Es ist in der Tat wichtig, dass jeder Zeugnis gibt von der religiösen Botschaft
für einen immer rechtschaffeneren und dem Plan des Schöpfers entsprechenderen Weg
- in der Sorge um den Dienst an seinen Brüdern und in einer immer größeren Solidarität
und Brüderlichkeit mit den Mitgliedern der anderen Religionen und mit allen Menschen
guten Willens und mit dem Wunsch, sich gemeinsam für das Gemeinwohl einzusetzen.
In
den unruhigen Zeiten, die wir erleben, haben die Mitglieder der Religionen vor allem
die Pflicht, als Diener des Allmächtigen für den Frieden zu arbeiten, der über die
Achtung der persönlichen und gemeinschaftlichen Überzeugungen eines jeden einzelnen
als auch über die Freiheit der Religionsausübung führt. Die Religionsfreiheit, die
sich nicht auf die einfache Kultfreiheit einschränken lässt, ist in der Tat einer
der wesentlichen Aspekte der Gewissensfreiheit, die jeder Person zusteht und die der
Eckpfeiler der Menschenrechte ist. Wird dies beachtet, kann eine Kultur des Friedens
und der Solidarität zwischen den Menschen geschaffen werden, und alle können sich
entschlossen für die Verwirklichung einer immer brüderlicheren Gesellschaft einsetzen,
indem sie alles tun, was in ihrer Macht steht, um Gewalt jeglicher Art abzulehnen
und um jede Zuflucht zur Gewalt anzuprangern und zurückzuweisen. Diese kann niemals
einen religiösen Beweggrund haben; denn sie verletzt das Ebenbild Gottes im Menschen.
Wir alle wissen, dass die Gewalt, besonders der Terrorismus, der blind macht und besonders
unter den Unschuldigen zahlreiche Opfer fordert, unfähig ist, die Konflikte zu lösen,
und nur das todbringende Räderwerk des zerstörerischen Hasses in Gang setzen kann,
zum Schaden des Menschen und der Gesellschaft.
Als religiöse
Menschen sind wir alle verpflichtet, vor allem Erzieher zum Frieden zu sein, Erzieher
für die Menschenrechte, für eine Freiheit, die jeden achtet, aber auch für ein immer
stärkeres soziales Leben; denn der Mensch muß sich ohne jede Diskriminierung um seine
Brüder und Schwestern sorgen. Niemand darf auf Grund seiner Rasse, seiner Religion
oder wegen irgendeiner anderen persönlichen Eigenart aus der nationalen Gemeinschaft
ausgeschlossen werden. Wir alle, Mitglieder verschiedener religiöser Traditionen,
sind berufen, eine Lehre zu verbreiten, die jedes menschliche Geschöpf achtet, eine
Botschaft der Liebe zwischen den Menschen und den Völkern. Es ist insbesondere unsere
Aufgabe, in diesem Geist die junge Generation zu formen, der die Welt von morgen anvertraut
sein wird. Es ist zunächst Aufgabe der Familien, sodann der Personen, die in der Öffentlichkeit
für die Erziehung Verantwortung tragen, und aller zivilen und religiösen Autoritäten,
darauf zu achten, eine richtige Unterweisung zu bieten und jedem eine passende Erziehung
auf den verschiedenen genannten Gebieten zu gewähren. Dazu gehört vor allem eine staatsbürgerliche
Erziehung, die jeden Jugendlichen einlädt, seine Mitmenschen zu achten und sie als
seine Brüder und Schwestern zu betrachten, mit denen er täglich zu leben hat, und
zwar nicht in Gleichgültigkeit, sondern in brüderlicher Achtsamkeit. Es ist deshalb
dringender denn je, der jungen Generation grundlegende menschliche, moralische und
staatsbürgerliche Werte zu vermitteln, die sowohl für das persönliche wie auch das
Gemeinschaftsleben unerlässlich sind. Jedes unsoziale Verhalten soll eine Gelegenheit
sein, die Jugendlichen daran zu erinnern, was man von ihnen im sozialen Leben erwartet.
Es ist das Gemeinwohl jeder Gesellschaft und der Welt im Ganzen, das auf dem Spiel
steht.
In diesem Geist muß man in Betracht ziehen, wie wichtig
die Fortsetzung und die Intensivierung des Dialogs zwischen Christen und Muslimen
in seiner erzieherischen und kulturellen Dimension sind, damit alle Kräfte für den
Dienst am Menschen und der Menschheit mobilisiert werden, damit die jungen Generationen
nicht einander entgegengesetzte kulturelle und religiöse Blöcke bilden, sondern zu
echt menschlichen Brüdern und Schwestern werden. Der Dialog ist ein Instrument, das
uns helfen kann, aus der endlosen Spirale der Konflikte und Spannungen herauszukommen,
die unsere Gesellschaften durchziehen, damit alle Völker in Ruhe und Frieden leben
können, in gegenseitiger Achtung und gutem Einvernehmen zwischen den verschiedenen
Gruppen.
Um das zu ereichen, lenke ich voll Zuversicht die Aufmerksamkeit
aller darauf, dass durch Begegnungen und Gedankenaustausch Christen und Muslime in
gegenseitiger Achtung und im Blick auf den Frieden und eine bessere Zukunft für alle
Menschen zusammenarbeiten; sie werden für die Jugend von heute ein Beispiel zum Nachfolgen
und Nachahmen sein. Die Jugendlichen werden dann neues Vertrauen in das soziale Leben
fassen und mehr darum bemüht sein, sich einzusetzen und an seiner Umgestaltung mitzuwirken.
Die Erziehung und das Beispiel werden auch für sie zu einer Quelle der Hoffnung in
die Zukunft.
Das ist der brennende Wunsch, den ich mit Ihnen teile:
dass Christen und Muslime immer freundschaftlichere und konstruktivere Beziehungen
entfalten, um ihre spezifischen Reichtümer zu teilen, und dass sie ganz besonders
auf die Qualität ihres Zeugnisses als Gläubige achten!
Ich erneuere, liebe
muslimische Freunde, meine herzlichen Wünsche zu Ihrem Fest und bitte den Gott des
Friedens und der Barmherzigkeit, Ihnen allen gute Gesundheit, inneren Frieden und
Wohlergehen zu schenken.