D: Auch bei Missbrauch keine Entscheidung von oben
In Fulda hat gestern
die Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) begonnen. 71 Oberhirten
aus 27 Diözesen diskutieren bis Donnerstag über die aktuellen Herausforderungen der
deutschen Kirche. „Zum Selbstverständnis des Katholischen“ sprach Kardinal Karl
Lehmann zum Auftakt der Vollversammlung. Der Vorsitzende der DBK leitete mit einem
Grundsatzreferat die theologischen Diskussionen des Bischofstreffens an, die sich
erst einmal rund um Ökumene und Liturgie drehen. Nach den Diskussionen um das Vatikanpapier
zum Kirchenverständnis wolle man jetzt eine gemeinsame Position der Bischofskonferenz
finden, so Lehmann vor Beginn in einem Pressestatement. In welcher Form der Fall
von Kindesmissbrauch in der Diözese Regensburg zum Thema wird, ist unklar. Gerhard
Ludwig Müller hatte im Vorfeld angekündigt, mit seinen Bischofskollegen sprechen zu
wollen. Lehmann betonte vor der Vollversammlung: „Da ist jeder Diözesanbischof
und jede Diözesanleitung verantwortlich. Die Bischofskonferenz hat da nicht die Möglichkeit
einzugreifen. Die öffentlichen Proteste in Riekofen und die bundesweite Berichterstattung
rufen nach einer Reaktion. Bischof Müller zog bei seiner Ankunft in Fulda fast mehr
Aufmerksamkeit auf sich, als der Kardinal selbst. „Ich glaube jetzt nicht,
dass Ferndiagnosen hier weiterhelfen. Die Richtlinien der Bischofskonferenz sind nicht
von oben an uns herab gegeben, sondern das sind Arbeitshilfen.“ Der Fall sei
tragisch, so Müller. So tragisch, dass nicht gesehen werden könne, wie man das Geschehene
hätte verhindern können. „Weil eben auch die Gerichtsentscheidung und das Gutachten
davon ausgegangen ist, dass hier keine pädophile Fixierung vorliegt, und nach allen
Menschenmöglichkeiten nicht mit einer Wiederholung zu rechnen ist.“ Lehmann
wiederum hielt sich mit einem Urteil, aber auch einer Einordnung zurück: „Ich
wage das nicht zu sagen, weil ich diese Details nicht kenne. Wenn ich die paar Fälle,
die ich im Bistum in den letzten 24 Jahren hatte, anschaue, wie schwierig das war,
überhaupt zu einem Urteil zu kommen, wie oft wir da und dort im Dunkeln getappt sind,
dann bin ich höchst vorsichtig mit jedem Vorwurf oder mit jeder Feststellung.“ In
einem Bereich, in dem er keine Kompetenz habe, so Lehmann, habe er keine Veranlassung,
von den anderen Themen der Vollversammlung abzulenken. „Warten wir mal ab, was
die Bischöfe entscheiden. Ich bin gerne bereit, Rede und Antwort zu stehen, aber nicht
einfach ins Blaue hinein.“ Doch die Tagesordnung ist auch ohne aktuelle Ereignisse
prall gefüllt: Die Bischöfe verabschieden Leitlinien zum – so wörtlich – „rechten
Umgang“ mit dem Motu Proprio zur Alten Messe. Viele Fragen seien offen und man suche
nach einer gemeinsamen Linie: „Wie sich die Forderung einer festen Gruppe näher
interpretieren lässt: Sind das Leute aus einer Pfarrei oder auch übergreifend für
einen größeren Raum? Es ist auch die Frage, was heißt das, dass der Priester geeignet
sein muss? Denn es ist ja auch gesagt, dass wenn der Priester die Messe privat feiert,
dann braucht er keine Erlaubnis weder vom Bischof noch von Rom. Wie kann man dann
die Eignung feststellen?“ Außerdem: Vorbereitung der Bischofssynode im nächsten
Jahr in Rom. Die Ökumenische Versammlung von Sibiu (Hermannstadt) soll ausgewertet,
der Stand der Revision der Einheitsübersetzung besprochen werden. Eine Debatte um
Chancen und Sinnhaftigkeit eines eigenen katholischen Fernsehsenders zeichnet sich
ab. Außerdem sollen kirchliche Anliegen an die EU-Regierungskonferenz weiter gegeben
werden. Diese Vollversammlung am historischen Versammlungsort Fulda steht bei allen
Arbeitssitzungen unter einem festlichen Vorzeichen. Kardinal Karl Lehmann feiert 20
Jahre an der Spitze der Bischofskonferenz. Nuntius Erwin Josef Ender wird verabschiedet.
Und die Stadt Fulda lädt zu einem Empfang im Stadtschloss: Vor genau 140 Jahren trafen
die Bischöfe erstmals am Grab des heiligen Bonifatius zusammen.