2007-09-19 13:13:00

D: "Keinen Generalverdacht gegen Muslime"


RealAudioMP3 "Wir dürfen keinen Generalverdacht, keinen Pauschalverdacht gegen die Muslime erzeugen!" Das fordert der Weihbischof von Hamburg, Hans-Jochen Jaschke, im Gespräch mit Radio Vatikan. Zum Christentum gehöre die Gewährung der Religionsfreiheit, sofern sich die entsprechende Glaubensgemeinschaft in guter Weise integriere. Außerdem sei es nicht Aufgabe der Kirche, den Bundesinnenminister zu ersetzen, so Jaschke weiter.

Wir dokumentieren hier den Volltext unseres Gespräches mit Weihbischof Jaschke.

Herr Bischof, wir haben kürlich in unseren Nachrichten eine Agenturmeldung gebracht mit dem Titel: "Kirchen warnen vor Islamfurcht", angesichts der bundesweiten Ausländerwoche. Und wir haben daraufhin eine ganze Reihe von Zuschriften bekommen mit dem Tenor: Wie kann denn die Kirche die Augen verschließen vor der Gefährlichkeit des Islams? Wie kann man als Christ auch noch den Moscheebau bei uns unterstützen? Sehr scharfe Reaktionen. War das mit der "Warnung vor Islamfurcht" nicht so gemeint? Geht das am Ziel der Woche vorbei?

„Die Woche hat wirklich das große Ziel, dass wir die ausländischen Mitbürger annehmen, sie so sehen wie sie sind, als unsere Nachbarn, mit ihnen zusammen leben und ihnen auch einen guten Vertrauensvorschuss geben. Die Kirche muss in dieser Richtung die Menschen motivieren und einladen. Die Kirche muss in ganz besonderer Weise religiöse Überzeugungen achten und ernst nehmen. Dazu gehört auch der Respekt vor dem Glauben, der Religion der Muslime. Wir haben immer gesagt, dass wir dafür eintreten, dass Muslime Religionsunterricht erhalten in Deutschland, in deutscher Sprache, im deutschen Schulsystem. Und in einem guten Maße sollen Muslime auch Gotteshäuser, Moscheen bauen. Natürlich muss hier das Augenmaß gehalten werden, „Trotzbauten“ und demonstrative Bauten sind sicherlich nicht angemessen und auch nicht im Interesse der Kirche. Dass die Kirche nicht den Bundesinnenminister ersetzen muss, dass ist doch völlig eindeutig. Natürlich muss der Bundesinnenminister auch andere Gesichtspunkte sehen, aber wir dürfen doch keinen Generalverdacht, keinen Pauschalverdacht gegen die Muslime erzeugen und verfestigen. Die große Mehrzahl der Muslime, ich sehe es hier in Hamburg, aber auch in Deutschland, lebt ordentlich und friedlich. Und wir müssen sehen, dass wir sie in unsere Gesellschaft auf diese Weise integrieren, als gute Staatsbürger, als gute Nachbarn, die aber natürlich ihren Glauben nicht aufgeben müssen.“

Der typische Lackmustest in dieser Frage ist immer der Moscheebau. Was heißt denn, "Augenmaß" als Christ zu bewahren, wenn Moslems eine Moschee bauen wollen? Es gibt diese Fälle in sehr vielen deutschen Kommunen, sehr bekannt ist der in Köln. Darf oder sollte man als Christ Moscheebau jetzt auch noch unterstützen? Oder sollte man gar nicht so verklemmt sein und sagen, sie haben ein Recht auf die Moschee, wenn sie darin ihre Religion ausüben?

„Das Augenmaß möchte ich von beiden Seiten natürlich gewahrt wissen. Hier geht es um eine gewisse Gefühligkeit. Also wenn die Moschee ein Demonstrationsbau, ein Prunkbau ist, dann muss das natürlich auch Aggressionen und bestimmte Gefühle bei den Nicht-Muslimen wecken. Umgekehrt haben wir als Christen auch ein Interesse daran, dass religiöse Menschen ihren Glauben ausüben können. Ich will mich zum Thema Köln nicht äußern, da haben verschiedene Würdenträger gesprochen und es gibt alle möglichen Überlegungen. Vielleicht ist das ein wenig übertrieben, was man in Köln geplant hat. Wir haben in Hamburg eine ganze Reihe von Moscheen, ich sehe, dass sie sich ordentlich hier in das Gefüge der Stadt integrieren. Und ich glaube, dass hier das Augenmaß gewahrt ist. Es wird immer ein Ringen geben, auch ein Hin und Her von Meinungen. Aber im letzten muss natürlich die Bereitschaft stehen, wir nehmen Muslime auch als Muslime bei uns auf und möchten, dass sie an unserer Gesellschaft voll teilhaben als demokratische Staatsbürger. Wenn wir sie in eine Ecke stellen, dann tragen wir eher dazu bei, dass Muslime fremd bleiben, sich fremd fühlen und dass der Islam auch ein politisches Instrument werden kann.“

Selbst der Papstsekretär Monsignore Gänswein hat kürzlich in einem „Süddeutsche Zeitung“-Interview die Regensburger Rede Benedikts von vor einem Jahr als "prophetisch" bezeichnet und gesagt, es sei doch auffällig, dass jetzt der Islam eine Strategie des Vormarsches in Europa habe. Dem könne man doch nicht so blauäugig begegnen. Ist die Ausländerwoche ganz gefeit vor der Gefahr der Blauäugigkeit?

„Dazu will ich mich nicht äußern. Es gibt sicherlich blauäugige Menschen, blauäugige Christenmenschen oder auch blauäugige Deutsche, die so ein religiöses Multikulti fördern. Das will ich gar nicht sein. Wir sind ein christlich geprägtes Land mit einer erdrückenden christlichen Mehrheit und einer großen christlichen Tradition. Aber zum Christentum gehört die Gewährung der Religionsfreiheit auch für andere, wenn sie sich hier in guter Weise integrieren. Der Papst hat in der Regensburger Vorlesung das Thema Vernunft, das Thema Gewalt ganz massiv in den Dialog mit den Muslimen eingebracht. Darüber müssen wir immer wieder sprechen. Aber nicht so sehr mit den normalen Gläubigen, sondern mit den führenden Schichten, mit den Theologen und da lassen wir auch nicht nach. Aber wir können dann doch nicht, weil wir irgendeine Strategie befürchten, sagen jetzt werden wir hier restriktive Maßnahmen gegen die Muslime gutheißen von Seiten der Kirche.“

Noch einmal: "Die Kirchen riefen dazu auf, den Bau von Moscheen zu unterstützen und Muslimen bei der Integration zu helfen." Diese Meldung von uns hat zu einer Emailflut geführt, wobei manches auch auf etwas niedrigem Niveau verfasst wurde. Was würden Sie machen, wenn sie solche Emails bekämen? Wie würden Sie antworten? Welchen Satz würden Sie zu bedenken geben?

„Es kommt sicherlich auf den Tonfall an. Es gibt ja auch recht radikale Sichten bei uns, die vor der muslimischen Gefahr warnen und sie heraufbeschwören. Solchen Zuschriften würde ich glaube ich nicht antworten. Ansonsten sage ich, wir müssen einen klaren Blick behalten. Es geht um Integration im Rahmen unserer gesellschaftlichen Ordnung der Grundordnung unserer Demokratie, des Grundgesetztes. Aber wenn wir den Muslimen keine Lebensmöglichkeiten geben, auch keine Entfaltungsmöglichkeiten für ihr Menschsein und auch für ihr Gläubigsein, dann bleiben sie ein Fremdkörper und der wird viel gefährlicher in Deutschland, als wenn wir ihnen Wege zur Beteiligung an der Gesellschaft eröffnen.“
(rv 19.09.2007 sk)







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