"Wir dürfen keinen
Generalverdacht, keinen Pauschalverdacht gegen die Muslime erzeugen!" Das fordert
der Weihbischof von Hamburg, Hans-Jochen Jaschke, im Gespräch mit Radio Vatikan. Zum
Christentum gehöre die Gewährung der Religionsfreiheit, sofern sich die entsprechende
Glaubensgemeinschaft in guter Weise integriere. Außerdem sei es nicht Aufgabe der
Kirche, den Bundesinnenminister zu ersetzen, so Jaschke weiter.
Wir dokumentieren
hier den Volltext unseres Gespräches mit Weihbischof Jaschke.
Herr Bischof,
wir haben kürlich in unseren Nachrichten eine Agenturmeldung gebracht mit dem Titel:
"Kirchen warnen vor Islamfurcht", angesichts der bundesweiten Ausländerwoche. Und
wir haben daraufhin eine ganze Reihe von Zuschriften bekommen mit dem Tenor: Wie kann
denn die Kirche die Augen verschließen vor der Gefährlichkeit des Islams? Wie kann
man als Christ auch noch den Moscheebau bei uns unterstützen? Sehr scharfe Reaktionen.
War das mit der "Warnung vor Islamfurcht" nicht so gemeint? Geht das am Ziel der Woche
vorbei?
„Die Woche hat wirklich das große Ziel, dass wir die ausländischen
Mitbürger annehmen, sie so sehen wie sie sind, als unsere Nachbarn, mit ihnen zusammen
leben und ihnen auch einen guten Vertrauensvorschuss geben. Die Kirche muss in dieser
Richtung die Menschen motivieren und einladen. Die Kirche muss in ganz besonderer
Weise religiöse Überzeugungen achten und ernst nehmen. Dazu gehört auch der Respekt
vor dem Glauben, der Religion der Muslime. Wir haben immer gesagt, dass wir dafür
eintreten, dass Muslime Religionsunterricht erhalten in Deutschland, in deutscher
Sprache, im deutschen Schulsystem. Und in einem guten Maße sollen Muslime auch Gotteshäuser,
Moscheen bauen. Natürlich muss hier das Augenmaß gehalten werden, „Trotzbauten“ und
demonstrative Bauten sind sicherlich nicht angemessen und auch nicht im Interesse
der Kirche. Dass die Kirche nicht den Bundesinnenminister ersetzen muss, dass ist
doch völlig eindeutig. Natürlich muss der Bundesinnenminister auch andere Gesichtspunkte
sehen, aber wir dürfen doch keinen Generalverdacht, keinen Pauschalverdacht gegen
die Muslime erzeugen und verfestigen. Die große Mehrzahl der Muslime, ich sehe es
hier in Hamburg, aber auch in Deutschland, lebt ordentlich und friedlich. Und wir
müssen sehen, dass wir sie in unsere Gesellschaft auf diese Weise integrieren, als
gute Staatsbürger, als gute Nachbarn, die aber natürlich ihren Glauben nicht aufgeben
müssen.“
Der typische Lackmustest in dieser Frage ist immer der Moscheebau.
Was heißt denn, "Augenmaß" als Christ zu bewahren, wenn Moslems eine Moschee bauen
wollen? Es gibt diese Fälle in sehr vielen deutschen Kommunen, sehr bekannt ist der
in Köln. Darf oder sollte man als Christ Moscheebau jetzt auch noch unterstützen?
Oder sollte man gar nicht so verklemmt sein und sagen, sie haben ein Recht auf die
Moschee, wenn sie darin ihre Religion ausüben?
„Das Augenmaß möchte ich
von beiden Seiten natürlich gewahrt wissen. Hier geht es um eine gewisse Gefühligkeit.
Also wenn die Moschee ein Demonstrationsbau, ein Prunkbau ist, dann muss das natürlich
auch Aggressionen und bestimmte Gefühle bei den Nicht-Muslimen wecken. Umgekehrt haben
wir als Christen auch ein Interesse daran, dass religiöse Menschen ihren Glauben ausüben
können. Ich will mich zum Thema Köln nicht äußern, da haben verschiedene Würdenträger
gesprochen und es gibt alle möglichen Überlegungen. Vielleicht ist das ein wenig übertrieben,
was man in Köln geplant hat. Wir haben in Hamburg eine ganze Reihe von Moscheen, ich
sehe, dass sie sich ordentlich hier in das Gefüge der Stadt integrieren. Und ich glaube,
dass hier das Augenmaß gewahrt ist. Es wird immer ein Ringen geben, auch ein Hin und
Her von Meinungen. Aber im letzten muss natürlich die Bereitschaft stehen, wir nehmen
Muslime auch als Muslime bei uns auf und möchten, dass sie an unserer Gesellschaft
voll teilhaben als demokratische Staatsbürger. Wenn wir sie in eine Ecke stellen,
dann tragen wir eher dazu bei, dass Muslime fremd bleiben, sich fremd fühlen und dass
der Islam auch ein politisches Instrument werden kann.“
Selbst der Papstsekretär
Monsignore Gänswein hat kürzlich in einem „Süddeutsche Zeitung“-Interview die Regensburger
Rede Benedikts von vor einem Jahr als "prophetisch" bezeichnet und gesagt, es sei
doch auffällig, dass jetzt der Islam eine Strategie des Vormarsches in Europa habe.
Dem könne man doch nicht so blauäugig begegnen. Ist die Ausländerwoche ganz gefeit
vor der Gefahr der Blauäugigkeit?
„Dazu will ich mich nicht äußern. Es
gibt sicherlich blauäugige Menschen, blauäugige Christenmenschen oder auch blauäugige
Deutsche, die so ein religiöses Multikulti fördern. Das will ich gar nicht sein. Wir
sind ein christlich geprägtes Land mit einer erdrückenden christlichen Mehrheit und
einer großen christlichen Tradition. Aber zum Christentum gehört die Gewährung der
Religionsfreiheit auch für andere, wenn sie sich hier in guter Weise integrieren.
Der Papst hat in der Regensburger Vorlesung das Thema Vernunft, das Thema Gewalt ganz
massiv in den Dialog mit den Muslimen eingebracht. Darüber müssen wir immer wieder
sprechen. Aber nicht so sehr mit den normalen Gläubigen, sondern mit den führenden
Schichten, mit den Theologen und da lassen wir auch nicht nach. Aber wir können dann
doch nicht, weil wir irgendeine Strategie befürchten, sagen jetzt werden wir hier
restriktive Maßnahmen gegen die Muslime gutheißen von Seiten der Kirche.“
Noch
einmal: "Die Kirchen riefen dazu auf, den Bau von Moscheen zu unterstützen und Muslimen
bei der Integration zu helfen." Diese Meldung von uns hat zu einer Emailflut geführt,
wobei manches auch auf etwas niedrigem Niveau verfasst wurde. Was würden Sie machen,
wenn sie solche Emails bekämen? Wie würden Sie antworten? Welchen Satz würden Sie
zu bedenken geben?
„Es kommt sicherlich auf den Tonfall an. Es gibt ja
auch recht radikale Sichten bei uns, die vor der muslimischen Gefahr warnen und sie
heraufbeschwören. Solchen Zuschriften würde ich glaube ich nicht antworten. Ansonsten
sage ich, wir müssen einen klaren Blick behalten. Es geht um Integration im Rahmen
unserer gesellschaftlichen Ordnung der Grundordnung unserer Demokratie, des Grundgesetztes.
Aber wenn wir den Muslimen keine Lebensmöglichkeiten geben, auch keine Entfaltungsmöglichkeiten
für ihr Menschsein und auch für ihr Gläubigsein, dann bleiben sie ein Fremdkörper
und der wird viel gefährlicher in Deutschland, als wenn wir ihnen Wege zur Beteiligung
an der Gesellschaft eröffnen.“ (rv 19.09.2007 sk)