2007-09-16 11:52:26

Dokument: Eine Predigt von Kardinal Kasper.


Kardinal Walter Kasper, der Präsident des päpstlichen Einheitsrates, ist dieses Jahr "Stargast" bei der traditionellen "Elisabethwallfahrt" des Bistums Erfurt. Die Wallfahrt steht ganz im Zeichen der Feiern zum 800. Geburtsjahr der hl. Elisabeth von Thüringen. Wir dokumentieren hier die Predigt von Kardinal Kasper beim Festgottesdienst am Sonntag Morgen - Quelle ist das Bistum Erfurt. Anschließend dokumentieren wir das Grußwort von Nuntius Erwin Josef Ender.


I.
Das Leben der hl. Elisabeth ist der beste Kommentar zum Evangelium vom
Teilen und Austeilen (Mk 8,1-10), das wir eben gehört haben. Kurz vor
ihrem Tod hat sie uns als ihren Wahlspruch hinterlassen: "Ich habe es
euch immer gesagt: Wir müssen die Menschen fröhlich machen".


Ja, sie war kein Mauerblümchen; sie war ein froher und heiterer Mensch.
Als Kind liebte sie das Spiel, als Mädchen das Reiten, ihren Gatten, dem
sie drei Kinder schenkte, liebte sie leidenschaftlich und innig. Sie war
eine außerordentliche Frau, die wusste was sie wollte, die konsequent
ihren Weg ging. Es war nicht der Weg des Aufstiegs, der Karriere, des
guten Lebens, das ihr, der zum europäischen Hochadel gehörigen
ungarischen Königstochter und der Landesfürstin, offen gestanden wäre.
Sie ging den Weg des Abstiegs vom Fürstensitz auf der Wartburg hinab zu
den Armen, Kranken, Hungernden. Sie pflegte nicht sich, sie pflegte die
anderen. Ihre Freude war es, anderen Freude zu machen.


Am Hofe wagte sie den stummen Protest gegen das Unrecht abhängige Bauern
auszupressen. Nach dem Tod ihres Gatten empfand man dieses Verhalten am
Hofe als provozierende Marotte. Doch Elisabeth empfand es als Befreiung,
als sie musste den Hof und das Hofleben verlassen mußte. Nun konnte sie
ihre Berufung als Mutter der Armen ganz und ungeteilt leben.


Viele dachten, sie sei wohl nicht mehr richtig im Kopf. Ihr Oheim, der
mächtige, in Machtkategorien denkende Bischof von Bamberg, wollte die
noch junge Frau von nur 19 Jahren wieder verheiraten; eine
ausgezeichnete Partie hatte er sich für sie ausgedacht; sie sollte
Gemahlin des soeben ebenfalls verwitweten Kaisers Friedrich II. werden.
Was hätte daraus werden können, eine solche Frau als Kaiserin!? Was
hätte sie Gutes tun und bewirken können?! Die deutsche Geschichte wäre
vielleicht anders gelaufen.


Doch für sie waren das Menschengedanken. Sie entschied sich für ein
anderes Ideal, für das, für welches sich zur gleichen Zeit Franziskus
von Assisi entschied. Auch er gab den Reichtum eines Kaufmannssohnes
auf; selbst seine schönen Kleider warf dem Vater vor die Füße. Ähnlich
wählte Elisabeth die radikale Armut; sie tat es im Dienst an den Ärmsten
der Armen. Mit eiserner Konsequenz und mit innerer Gelassenheit und
Heiterkeit ging sie ihren Weg bis zum Ende. Wie eine auf den Leuchter
gestellte, langsam herab brennende Kerze verzehrte sie sich, bis sie nur
24 Jahre alt für das Leben in der Welt erlöschte.


II.
Doch Elisabeth ist nicht tot; sie lebt und wirkt bis heute weiter. Ihr
Vorbild hat sich in das Gedächtnis der Menschen in Thüringen,
Deutschland und ganz Europa eingegraben. Schon vier Jahre nach ihrem Tod
wurde sie von Papst Gregor IX. in Perugia heilig gesprochen. Sie ist
eine wahrhaft ökumenische Heilige, von evangelischen Christen ebenso
verehrt wie von katholischen. Auch Martin Luther, der etwa 300 Jahre
später auf der Wartburg lebte, hatte vieles für sie übrig. Sie verbindet
uns alle.


Noch heute, 800 Jahre später, verbreitet sie einen einzigartigen Charme.
Sie wird verehrt als Mutter der Armen, als Vorbild und Patronin der
Caritas. Unzählige Mädchen und Frauen tragen ihren Namen, unzählige
karitativ-soziale Einrichtungen sind nach ihr benannt. Sie ist
leuchtendes Vorbild und Leitbild vieler Frauen, die sich im Dienst an
anderen verzehren. Und was wäre, wenn wir diese Elisabethenfrauen,
dieses Heer freiwilliger Helferinnen nicht hätten?! Wo kämen wir hin,
wenn nur noch Eigeninteresse und Karriere bestimmend wären und wenn
dieses ihr Leitbild des selbstlosen Dienstes in Deutschland und in
Europa ersterben würde. Danken wir darum heute den vielen Helferinnen
der Caritas und der Diakonie, die sich Elisabeth zum Vorbild nehmen.


III.
Aber machen wir es uns nicht zu leicht. Heilige sind fast immer anders
als wir sie uns vorstellen. Die Elisabeth des Rosenwunders ist nicht die
ganze Elisabeth. Es gibt auch die andere Elisabeth. Denn sie ist nicht
einfach die Heilige des sozialen Engagements. Sie war eine große
Beterin, kannte uns normalerweise unbekannte mystische Erfahrungen. Wie
Franziskus wollten sie dem armen Jesus nachfolgen, wie er herabgestiegen
und wie er arm werden mit und für andere. In den Armen wollte sie Jesus
Christus dienen. Man kann sie nur verstehen, wenn man das Wort Jesu
kennt: "Was ihr dem Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan" (Mt
25,40).


Wir dürfen alle diese Aspekte nicht verdrängen. Gerade weil sie vielen
von uns fremd sind, tun sie uns gut. Sie haben gerade uns Heutigen etwas
Notwendiges zu sagen. Elisabeth straft alle die Lügen, die meinen, mit
dem Christentum schnell fertig sein zu können. Sie zeigt, dass
Christentum und Christsein nicht in dem aufgeht, was empirisch an ihm
wahrnehmen kann. Ein authentisches, nicht verbürgerlichtes Christentum
ist damals wie eine immer wieder neu faszinierende Überraschung.
Elisabeth lebte das Neue und immer wieder Überraschende des Evangeliums.
Weltlich gesehen war sie eine Närrin; "aller Welt Törin" nannte sie ihr
Schwager bevor sie fluchtartig die Wartburg verließ. Sie passte nicht
in die dortige Welt, und sie passt auch nicht in das normale Schema
unsere Welt. Heute wie damals erscheint das Leben nach dem Evangelium
als eine Marotte.


Doch Elisabeth dreht den Spieß um. Sie zeigt uns, dass ungekehrt das
Leben töricht ist, das nur um sich selber kreist, dem es nur um
weltliches Wohlsein geht, nur um den eigenen Vorteil, nur um weltliche
Karriere, nur um Reichtum und Macht. Elisabeth zeigt uns eine
Alternative, eine andere und bessere Möglichkeit um Freiheit und Freude
zu erlangen. Sie sagt uns, dass Thüringen, dass Deutschland und dass
Europa diese andere Ordnung der Werte nicht vergessen dürfen, wenn sie
nicht ihre tiefsten Wurzeln und ihre höchste Bestimmung vergessen und
versäumen wollen.


Elisabeth zeigt uns die wahre Freiheit, die sich im Schenken, im Teilen
und Austeilen äußert; sie erschließt die wahre Freude, die von Innen
kommt. Sie zeigt uns was Frauen vermögen und was Frauengröße sein kann.
Sie zeigt uns wie fruchtbar das Leben nach dem Evangelium noch
Jahrhunderte später sein kann. Denn "allein die Liebe bleibt immer" (1
Kor 13,8). Letztlich ist es der Charme der Liebe, welcher die Welt
verwandelt; letztlich ist es die Tat der Liebe, die glücklich macht.


Diese Liebe können wir nicht "machen". Sie ist Gabe und Geschenk von
oben. Elisabeth war ein außerordentliches Bild der Gnade, auf die wir
alle angewiesen sind. Sie war ein Liebling Gottes und so auch Liebling
der Menschen.


Danken wir deshalb, dass uns diese wahrhaft große Frau geschenkt wurde.
Danken wir, dass sie uns als ein leuchtendes Fanal geschenkt wurde, dass
sie uns sagt, wovon und wofür es sich zu leben lohnt, dass sie uns als
ein leuchtendes Beispiel wahren Glücks und wahrer Freude geschenkt ist.
Wir Heutige brauchen nichts nötiger als diese Elisabeth. Amen.


Segensgrüße vom Papst
Grußwort des Apostolischen Nuntius Erzbischof Erwin Josef Ender, Berlin,
im Pontifikalamt zur Erfurter Elisabethwallfahrt

Der Heilige Vater hat mich beauftragt, Sie alle anlässlich der Festfeier
des 800. Geburtstages der heiligen Elisabeth herzlich zu grüßen. Als
sein Vertreter in Deutschland darf ich Ihnen diese Grüße und
Segenswünsche übermitteln und auch meine persönliche Mitfreude an Ihrem
Festtag zum Ausdruck bringen.


Papst Benedikt betrachtet das in Deutschland und Ungarn gleichermaßen
gefeierte Jubiläumsjahr als eine gute Gelegenheit, eine wahrhaft
europäische Heilige zu würdigen. Er dankt für alle Initiativen, die in
diesem Gedenkjahr in der Erfurter Ortskirche, aber auch in der Ökumene
und in der säkularen Gesellschaft das Lebensbeispiel der großen
Thüringer Landgräfin in den Blick gerückt haben. Die hl. Elisabeth hat
mit dem Vorbild ihres gelebten Glaubens Menschen über Ländergrenzen
hinweg und durch Jahrhunderte hindurch einen Weg aufgezeigt, der zu
einer wahren Einheit in der Liebe zusammenführt.


Das Beispiel der heiligen Elisabeth kann den Christen und allen Menschen
guten Willens ein Ansporn sein für eine Kultur der Nächstenliebe, der
sozialen Gerechtigkeit und der Würdigung von Ehe und Familie. Denn nur
auf einer solchen Grundlage wird ein gedeihliches Wachsen der
Völkergemeinschaft Europas gelingen und Früchte bringen.


In diesem Sinne erteilt Papst Benedikt XVI. dem Bischof von Erfurt, dem
Klerus, den Ordensleuten, allen Christen der Diözese Erfurt und allen
hier Anwesenden von Herzen seinen Apostolischen Segen.










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