„Freie Zeit braucht
eine Mitte!“ Das hat Benedikt XVI. bei der Sonntagsmesse im Wiener Stephansdom betont.
In seiner Predigt rief der Papst zum Schutz des Sonntags auf, als „Zeit der Orientierung“
und „wöchentliches Schöpfungsfest der Kirche“.
„Ohne den, der unser Leben
mit seiner Liebe trägt, ist das Leben selbst leer. Diese Mitte auszulassen oder zu
verraten, würde dem Leben selbst seinen Grund nehmen, seine innere Würde und seine
Schönheit.“ „Sine dominico non possumus!“ - Für die ersten Christen war,
so der Papst, auch unter drohender Todesstrafe die sonntägliche Eucharistiefeier „nicht
ein Gebot, sondern eine innere Notwendigkeit.“ Doch was geht das die Christen von
heute an? Lebensnotwendig viel, sagt der Papst: „Ja, auch für uns gilt, dass wir
eine Beziehung brauchen, die uns trägt, unserem Leben Richtung und Inhalt gibt. Auch
wir brauchen die Berührung mit dem Auferstandenen, der durch den Tod hindurch uns
trägt. Wir brauchen diese Begegnung, die uns zusammenführt, die uns einen Raum der
Freiheit schenkt, uns über das Getriebe des Alltags hinausschauen lässt auf die schöpferische
Liebe Gottes, aus der wir kommen und zu der wir gehen.“ Mit Blick auf das
Evangelium über die bedingungslose und besitzlose Nachfolge Jesu sagte der Papst:
„Nur der Liebende findet das Leben. Und Liebe verlangt immer das Weggehen aus sich
selbst, verlangt sich selber zu lassen. Wer umschaut nach sich selbst, den anderen
nur für sich haben will, der gerade verliert sich und den anderen. Ohne dieses tiefste
Sich-Verlieren gibt es kein Leben. Die rastlose Gier nach Leben, die die Menschen
heute umtreibt, endet in der Öde des verlorenen Lebens.“ Hausherr Christoph
Schönborn hatte in seinem Grußwort an den hohen Besuch eigens an die österreichische
„Allianz für den Sonntag“ erinnert. Benedikt rief zum Schutz des Sonntags auf, erinnerte
aber an dessen tieferen Sinn. „Ohne den Herrn und ohne den Tag, der ihm gehört,
gerät das Leben nicht. Der Sonntag hat sich in unseren westlichen Gesellschaften gewandelt
zum Wochenende, zur freien Zeit. Die freie Zeit ist gerade in der Hetze der modernen
Welt gewiss etwas Schönes und Notwendiges. Aber wenn die freie Zeit nicht eine innere
Mitte hat, von der Orientierung fürs Ganze ausgeht, dann wird sie schließlich zur
leeren Zeit, die uns nicht stärkt und aufhilft.“ Benedikt schlug einen Bogen
zu seinen jüngsten Aufrufen zur Bewahrung der Schöpfung und dem Umweltschutz. Der
Sonntag erinnere auch an den Schöpfungsmorgen, „der Tag, an dem Gott sprach: ,Es werde
Licht’ (Gen 1, 3)“. Der Sonntag sei das „wöchentliche Schöpfungsfest der Kirche“.
„In einer Zeit, in der die Schöpfung durch unser Menschenwerk vielfältig gefährdet
scheint, sollten wir gerade auch diese Dimension des Sonntags bewusst aufnehmen.“
Musikalisch
stand die Feier noch einmal im Zeichen der Pilgerreise nach Mariazell. Die Wiener
brachten die so genannte Missa Cellensis von Joseph Haydn zu Gehör. Haydn war wie
sein jüngerer Bruder Michael fast zehn Jahre lang am Stephansdom musikalisch tätig.
Die „Mariazeller-Messe“entstand 1782. Der Auftrag zur Komposition kam von
Anton Liebe, einem kaiserlichen Militärbeamten, vermutlich zum Dank bzw. als Erfüllung
eines Gelübdes. Joseph Haydn, zeitlebens ein großer Marienverehrer, benannte die Messe
selbst nach „Mariazell“. Schon als 18-Jähriger hatte er seine erste Wallfahrt dorthin
unternommen.