2007-09-08 13:48:53

"Wir brauchen Wahrheit" - Papst feiert Messe in Mariazell


RealAudioMP3 Papst Benedikt XVI. hat heute seine Österreich-Reise mit einem Besuch im Wallfahrtsort Mariazell fortgesetzt. In seiner Predigt vor über 30.000 Pilgern appellierte Benedikt, nicht zu resignieren, sondern an der Wahrheitsfähigkeit des Menschen festzuhalten, einer Wahrheit, die sich in Jesus Christus gezeigt habe.

Wegen des anhaltend schlechten Wetters, Nebel und Luftturbulenzen konnte der Papst nicht wie geplant mit dem Helikopter von Wien anreisen, sondern machte sich in einem Autokonvoi auf den Weg. Der Papst fuhr im "Papamobil" eine Runde durch das Festgelände auf dem Sportplatz am Rande des Wallfahrtsortes, wo ein Teil der Pilger den Gottesdienst mit dem Papst über Großbildschirm mitfeiert. Dann fuhr das "Papamobil" durch das Städtchen hinauf zum Festplatz vor der Basilika, wo Benedikt XVI. ebenfalls mit großer Begeisterung und "Benedetto"-Rufen empfangen wurde.

Unter der Klängen des Marienliedes "Glorreiche Königin" zog der Papst in die Mariazeller Basilika ein. Er kniete vor der Gnadenstatue zum Gebet nieder und rezitierte das marianische Schlussgebet aus seiner ersten Enzyklika "Deus caritas est".

In seiner Begrüßung zum Beginn der Messfeier hatte der steirische Diözesanbischof Egon Kapellari auf das schlechte Wetter Bezug genommen und die Begeisterung der Pilger "trotz allen Regens" gewürdigt. Auch wenn die Sonne nicht scheine, hätten die Gläubigen die "Sonne der Gerechtigkeit" im Herzen:

„Ernsthafte Christen sind geistlich wetterfest und müssen manchmal so wie heute hier in Mariazell auch leiblich wetterfest sein.“

Benedikt nutze die Predigt, um daran zu erinnern, dass der Glaube sich entschieden der Resignation entgegen setze, "die den Menschen als der Wahrheit unfähig ansieht"

„Diese Resignation der Wahrheit gegenüber ist der Kern der Krise des Westens, Europas. Wenn es Wahrheit für den Menschen nicht gibt, dann kann er auch nicht letztlich Gut und Böse unterscheiden. Und dann werden die großen und großartigen Erkenntnisse der Wissenschaft zweischneidig: Sie können bedeutende Möglichkeiten zum Guten, zum Heil des Menschen sein, aber auch – wir sehen es – zu furchtbaren Bedrohungen, zur Zerstörung des Menschen und der Welt werden.“

Die Menschen bräuchten Wahrheit…
 
„...aber freilich, auf Grund unserer Geschichte haben wir Angst davor, dass der Glaube an die Wahrheit Intoleranz mit sich bringe. Wenn uns diese Furcht überfällt, die ihre guten geschichtlichen Gründe hat, dann wird es Zeit, auf Jesus hinzuschauen, wie wir ihn hier im Heiligtum von Mariazell sehen: Als Kind auf dem Arm der Mutter und über dem Hochaltar der Basilika als Gekreuzigten. Diese beiden Bilder sagen: Wahrheit setzt sich nicht mit äußerer Macht durch, sondern sie ist demütig".
Zweifellos hätten viele große Persönlichkeiten in der Geschichte "schöne und bewegende Gotteserfahrungen" gemacht. Aber es seien menschliche Erfahrungen mit ihrer menschlichen Begrenztheit. Nur Christus sei Gott, nur er könne die Brücke sein, die Gott und Mensch zueinander kommen lässt. Wenn die Christen Jesus den einzigen "Mittler des Heils" nennen, so sei dies keine Verachtung der anderen Religionen und keine "hochmütige Absolutsetzung des eigenen Denkens".
Gott habe sich „klein gemacht", erinnerte der Papst an die zentrale Glaubensüberzeugung des Christentums, dass Gott in Jesus Mensch, Kind geworden ist. Benedikt XVI.:

„Gott kommt nicht mit äußerer Macht, sondern er kommt in der Ohnmacht seiner Liebe, die seine Macht ist. Er gibt sich in unsere Hände. Er bittet um unsere Liebe. Er lädt uns ein, selbst klein zu werden, von unseren hohen Thronen herunterzusteigen und das Kindsein vor Gott zu erlernen.“

Das Kind Jesus erinnere auch an alle Kinder dieser Welt, etwa an die Kinder, die in der Armut leben, die als Soldaten missbraucht werden, die nie die Liebe der Eltern erfahren durften, an die kranken und leidenden, aber auch an die fröhlichen und gesunden Kinder. Europa sei - so der Papst – arm an Kindern geworden:

„Wir brauchen alles für uns selber, und wir trauen wohl der Zukunft nicht recht. Aber zukunftslos wird die Erde erst sein, wenn die Kräfte des menschlichen Herzens und der vom Herzen erleuchteten Vernunft erlöschen – wenn das Antlitz Gottes nicht mehr über der Erde leuchtet. Wo Gott ist, da ist Zukunft.“Das Motto "Auf Christus schauen" bedeutet auch einen Blick auf den Gekreuzigten. Denn Gott habe die Welt "nicht durch das Schwert, sondern durch das Kreuz erlöst".
„Auf Christus schauen!“ Wenn wir das tun, dann sehen wir, daß Christentum mehr und etwas anderes ist als ein Moralsystem, als eine Serie von Forderungen und von Gesetzen. Es ist das Geschenk einer Freundschaft, die im Leben und im Sterben trägt. Dieser Freundschaft vertrauen wir uns an. Aber gerade weil das Christentum mehr ist als Moral, eben das Geschenk einer Freundschaft, darum trägt es in sich auch eine große moralische Kraft, deren wir angesichts der Herausforderungen unserer Zeit so sehr bedürfen.“
Das Christentum sei ein "Ja zu einem Gott, der uns liebt und der uns führt, der uns trägt und uns doch unsere Freiheit lässt". Es sei auch ein Ja zur Familie (4. Gebot), ein Ja zum Leben (5. Gebot), ein Ja zu verantwortungsbewusster Liebe (6. Gebot), ein Ja zur Solidarität, zur sozialen Verantwortung und zur Gerechtigkeit (7. Gebot), ein Ja zur Wahrheit (8. Gebot) und ein Ja zur Achtung anderer Menschen und dessen, was ihnen gehört (9.und 10. Gebot).
Papst Benedikt XVI.:
„Zeige uns Jesus!“ Mit dieser Bitte zur Mutter des Herrn haben wir uns hierher auf den Weg gemacht. Diese Bitte begleitet uns in unseren Alltag hinein. Und wir wissen, daß sie unsere Bitte erhört: Ja, wann immer wir zu Maria hinschauen, zeigt sie uns Jesus. So können wir den rechten Weg finden, ihn Stück um Stück gehen, der getrosten Freude voll, daß der Weg ins Licht führt – in die Freude der ewigen Liebe hinein. Amen.
Am Ende der Messe erinnerte Benedikt auch an die Opfer der Hochwasserschäden. Spontan bekundete er vor dem Schlusssegen den Betroffenen seine Nähe und Verbundenheit. Er sei sicher, dass alle, die von ihren
Notlagen erführen, "Solidarität zeigen und ihnen helfen werden", sagte der Papst.

Bei der Anreise gab es entgegen den Spekulationen vom Vortag keine Verkehrshindernisse. Die Pegelstände der Flüsse entlang der Zufahrtsstraßen sanken im Lauf der Nacht um 35 bis 40 Zentimeter.
Das Mittagessen nutzte Benedikt XVI. zu einer Begegnung mit den österreichischen Bischöfen.
Um 16.45 Uhr steht eine Marienvesper in der Wallfahrtsbasilika auf dem Programm. An dem Gebetsgottesdienst mit dem Papst nehmen vor allem Priester, Ordensleute und Priesterseminaristen teil.
(rv 08.09.2007 mc)








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