Vesper in Mariazell: Die Kernsätze aus der Predigt des Papstes.
Dieser Samstag bildete
den geistlichen Kern der Papstreise; wie einst sein Vater pilgerte Benedikt XVI. in
das kleine steirische Mariazell, diesen Wallfahrtsort mit mitteleuropäischer Ausstrahlung
und Bedeutung. In der zwischen Gotik und Barock irrlichternden Basilika wird eine
Madonnenstatue mit Kind aus dem zwölften Jahrhundert verehrt. Mit Priestern, Ordensleuten,
Diakonen und Priesteramtskandidaten traf sich der Papst am Samstag Nachmittag zu einem
Vesper-Gebet zu Füßen der Gnadenmadonna; hier sind die Kernsätze aus seiner Predigt
bei dieser Gelegenheit.
"Wie vor zweitausend Jahren Jesus Menschen in seine
Nachfolge gerufen hat, so brechen auch heute junge Männer und Frauen auf seinen Ruf
hin auf... Das Leben in der Nachfolge ist tatsächlich ein Wagnis, weil wir immer bedroht
sind von Sünde, von Unfreiheit und Abfall. Daher bedürfen wir alle seiner Gnade, so
wie Maria sie in Fülle bekam. Wir lernen, wie Maria, immer auf Christus zu schauen
und an ihm Maß zu nehmen.
Der Herr lädt euch ein zur Pilgerschaft der
Kirche „auf ihrem Weg durch die Zeit“. Er lädt euch ein, seinen Pilgerweg mitzugehen
und teilzuhaben an seinem Leben, das auch heute noch ein Kreuzweg und der Weg des
Auferstandenen durch das Galiläa unseres Lebens ist. Immer aber ist es der eine Herr,
der uns zum einen Glauben durch die eine Taufe beruft. Die Teilhabe an seinem Weg
beinhaltet also beides: die Dimension des Kreuzes – mit Mißerfolgen, Leiden Unverstandensein,
ja sogar Verachtung und Verfolgung – aber auch die Erfahrung einer tiefen Freude in
seinem Dienst und die Erfahrung des tiefen Trostes aus der Begegnung mit Ihm.
Ihr
gebt Zeugnis von einer Hoffnung, die wider alle stille und laute Verzweiflung hinweist
auf die Treue und Zuwendung Gottes. Damit steht ihr auf der Seite aller, deren Rücken
gekrümmt ist durch drückende Schicksale und die von ihren Lastkörben nicht mehr loskommen.
Ihr gebt Zeugnis von der Liebe, die sich für die Menschen dahingab und so den Tod
besiegt hat. Ihr steht auf der Seite jener, die nie Liebe erfahren haben, die an das
Leben nicht mehr zu glauben vermögen. Ihr steht so gegen die vielfältigen Weisen von
versteckter und offener Ungerechtigkeit wie gegen die sich ausbreitende Menschenverachtung.
Wer Christus radikal nachfolgen will, muß entschieden auf materielle Habe
verzichten. Aber er muß diese Armut von Christus her leben, als inwendiges Freiwerden
für Gott und für den Nächsten. Die Frage der Armut und der Armen muß für alle Christen,
besonders aber für Priester und Ordensleute, die einzelnen wie die Ordensgemeinschaften,
immer wieder Inhalt einer ernsten Gewissenserforschung sein.
Um recht zu
verstehen, was Keuschheit bedeutet, müssen wir von ihrem positiven Inhalt ausgehen.
Priester und Ordensleute leben nicht beziehungslos und geloben durch das Gelübde der
ehelosen Keuschheit nicht Individualismus oder Beziehungslosigkeit, sondern sie geloben,
die intensiven Beziehungen, deren sie fähig sind und mit denen sie beschenkt werden,
ganz und vorbehaltlos in den Dienst des Reiches Gottes zu stellen. So werden sie selbst
zu Menschen der Hoffnung: Indem sie ganz auf Gott setzen, schaffen sie seiner Gegenwart
– dem Reich Gottes – Raum in der Welt. Ihr, liebe Priester und Ordensleute, leistet
einen großen Beitrag: Inmitten von aller Gier, allem Egoismus des Nicht-Warten-Könnens,
des Konsumhungers, inmitten des Kultes der Individualität versuchen wir, eine uneigennützige
Liebe zu den Menschen zu leben. Wir leben eine Hoffnung, die Gott die Erfüllung überläßt.
Die Welt braucht unser Zeugnis gerade auch heute.
Auf Gott zu hören und
ihm zu gehorchen hat nichts zu tun mit Fremdbestimmung und Selbstverlust. Im Eintreten
in den Willen Gottes kommen wir erst zu unserer wahren Identität. Das Zeugnis dieser
Erfahrung braucht die Welt heute gerade mitten in ihrem Verlangen nach „Selbstverwirklichung“
und „Selbstbestimmung“.
Konkret gegenwärtig ist uns Jesus Christus nur in
seinem Leib, der Kirche. Darum muß Gehorsam gegen Gottes Willen, Gehorsam zu Jesus
Christus ganz konkret und praktisch demütig-kirchlicher Gehorsam sein. Auch darüber
sollten wir immer wieder gründlich unser Gewissen erforschen."