Papst in Mariazell - ein Gespräch mit unserer Korrespondentin Gudrun Sailer.
Was werden die Menschen
von der Mariazeller Pilgerfahrt mit Papst Benedikt mit nach Hause nehmen? Dass
es ein großes, berührendes Ereignis war. Der Papst ist als Pilger unter Pilgern gekommen,
zwar nicht zu Fuß, und auch nicht wie vorgesehen im Hubschrauber, für den es zu windig
war, sondern im Auto. Zwei Stunden Fahrt ins Gebirge von Wien aus, das muss eine strapaziöse
Sache gewesen sein. Die Mariazeller Gnadenmutter ist dann von ihrem Platz in der Basilika
nach draußen getragen worden, sie ist ja nicht hoch, manche waren bestimmt überrascht
davon, wie klein und zart sie ist – nicht größer als ein neugeborenes Kind. Ich denke
auch, dass die Predigt des Papstes viele berührt hat. Ein großer Wurf, wunderschön.
„Es reicht nicht aus, irgendwie so zu sein und zu denken wie alle anderen“, hat der
Papst den Gläubigen gesagt. „Unser Leben ist weiter angelegt. Wir brauchen Gott, der
uns sein Herz geöffnet hat“. Schwimmt gegen den Strom, lasst euch anrühren von der
Freundschaft Gottes, der euch das „Du“ angeboten hat. Das Christentum ist mehr als
ein Moralsystem, eine Serie von Forderungen. Es ist ein Geschenk, und als Christen
müssen wir dieses Geschenk weiterschenken.
Hatten denn auch die Pilger
aus angrenzenden Ländern etwas von dieser Feier?
Natürlich war es ein Wermutstropfen
– aber natürlich bei internationalen Papstmessen nicht zu vermeiden - , dass die rund
5.000 nicht-deutschsprachige Pilger in Mariazell diese Predigt nicht im Wortlaut verstehen
konnten. Aber die Liturgie war an sich vielsprachig, etwa bei den Lesungen und den
Fürbitten, wo die wichtigsten mittel- und osteuropäischen Sprachen zu hören waren,
inklusive Roman, die Sprache der Roma und Sinti. Alles in allem ein europäisches Fest
des Glaubens, in freudiger Stimmung.
Trotz des Regens…?
Trotz
des Regens. Manche Lektoren bzw. Sänger haben allerdings, um ihre guten Anzüge zu
schonen, einen durchsichtigen Regenschutz übergeworfen. Die Pilger waren überhaupt
überwiegend in gelb, diese Farbe hatte die Plastikplane, die im Pilgerpaket mit dabei
war. Der Papst war natürlich nicht in der Regenhaut unterwegs – hat er aber auch nicht
gebraucht. Dazu gibt es ja eine schützende Architektur.
Papst Benedikt
hat besonders Laien dazu ermutigt, den Glauben hinauszutragen. Welche Bedeutung hat
diese Geste?
Österreich hat 30.000 neu gewählte Pfarrgemeinderäte. Also
Laien, die verantwortungsvolle Aufgaben an ihren Pfarreien haben. Das Pfarrleben würde
ohne sie ganz einfach nicht existieren. Im Februar waren einige von ihnen in Rom,
um Benedikt vier Bände einer so genannten „Neuen Apostelgeschichte“ zu übergeben.
Da haben Pfarrgemeinderäte aus allen Bistümern zusammengeschrieben, auf welche Weise
sie die Frohe Botschaft verkünden, oft ganz konkret, im Sinn eines Dienstes mehr als
im Sinn eines Amtes. Und beim Mariazeller Gottesdienst haben die Pfarrgemeinderäte
nun ein regelrechtes Mandat vom Papst erhalten. „Schreibt die Apostelgeschichte mit
eurem Leben weiter!“, hat er ihnen zugerufen. Eine einzigartige Ermunterung, den Glauben
im Alltag zu leben und – ganz im Sinn von Mariazell – Christus zu zeigen, im Großen
wie im Kleinen.
Bei der Rede Papst Benedikts Freitag Abend vor Politikern
und Diplomaten ist die Passage über die Abtreibung viel aufgegriffen worden. Was hat
denn der Papst da genau gesagt?
Die Stelle war tatsächlich etwas umständlich
formuliert. Es ist so, dass in Österreich die Abtreibung ein Delikt ist, aber in den
ersten drei Schwangerschaftsmonaten straffrei bleibt. Der Papst hat sich auf diese
gesetzliche Definition bezogen: Abtreibung ist ein Unrecht. Und der Papst möchte nun,
dass das im Gesetzestext auch so erhalten bleibt: Abtreibung ist ein Unrecht. Er hat
aber nicht verlangt, dass Österreich sein Abtreibungsgesetz ändert.
Was
steht am Sonntag für den Papst auf dem Programm?
Die Sonntagsmesse…! Auch
hier wieder eine Ermutigung an die Laien. In Österreich gibt es die „Allianz für den
Sonntag“, getragen im wesentlichen von Laien. An sie wird sich der Papst beim Gottesdienst
im Stephansdom wenden. Am Nachmittag steht dann der Besuch im Stift Heiligenkreuz
auf dem Programm, bei den Zisterziensermönchen. Als Kardinal war Joseph Ratzinger
dort öfter zu Gast, mit dem Abt und auch einzelnen Mönchen verbindet ihn eine Freundschaft.
Außerdem liegt Heiligenkreuz an der Pilgerstraße nach Mariazell. Es wird ein stellvertretender
Besuch bei allen 300 Klöstern Österreichs sein.