Von einer jubelnden
Menschenmenge, die seit Stunden im Dauerregen ausharrte, ist Papst Benedikt in der
Wiener Innenstadt begrüßt worden. „Ich kann es nur bewundern und ,Vergelt’s Gott’
sagen“, so der Papst. Ein Gebet an der Mariensäule war der erste Programmpunkt seiner
Pilgerreise.
Der Besuch des Papstes solle vor allem die Gläubigen stärken,
so der Wiener Kardinal und Erzbischof Christoph Schönborn in seinen Begrüßungsworten:
„Die Kirche in Österreich ist durch notvolle, schmerzliche Zeiten gegangen. Wir
sind in Gefahr, mutlos zu werden, zu resignieren oder gar die Hoffnung zu verlieren.
Stärken Sie unseren Glauben, Heiliger Vater!“ Vertreter des kirchlichen wie
öffentlichen Lebens, Familien und Jugendliche überbrachten dem Papst ihre Wallfahrtsbitten.
An Rosen geheftet wurden sie später als Blumenstrauß vor das Allerheiligste in der
„Kirche am Hof“ gelegt: „Wir bitten Sie, Heiliger Vater, beten Sie mit uns für
die Zukunft unserer Heimat, inmitten Europas. …Beten Sie für uns, damit wir dort nicht
fehlen, wo unsere Hilfe notwendig ist. … Wir erleben die Spannung im Zusammenwachsen
der Völker… Beten Sie mit uns, Heiliger Vater, um den Heiligen Geist, der uns führt
und ermutigt im alltäglichen Miteinander der Menschen und Kulturen sowie im Einsatz
für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung.“ Die Reise nach Österreich
ist ein Pilgerreise nach Mariazell, das hatte Benedikt ausdrücklich betont, deshalb
hatte er in Wien die Mariensäule als erste Etappe gewählt, um „einen Augenblick
nachzudenken über die Bedeutung der Muttergottes für Österreich einst und jetzt sowie
über ihre Bedeutung für einen jeden von uns“. „In ihrer Mütterlichkeit nimmt
Maria auch heute Menschen aus allen Sprachen und Kulturen unter ihren Schutz, um sie
in vereinter Vielfalt miteinander zu Christus zu führen. An sie können wir uns wenden
in unseren Sorgen und Nöten. Von ihr sollen wir aber auch lernen, einander so liebevoll
anzunehmen wie sie uns alle annimmt: einen jeden in seiner Eigenart, von Gott gewollt
und geliebt.“ Glaube ist kein Selbstzweck, so betont Benedikt oft, in Wien klang
das so: „In der weltweiten Familie Gottes, in der für jeden Menschen ein Platz
vorgesehen ist, soll jeder seine persönlichen Gaben zum Wohle aller entfalten.“ Die
Mariensäule hatte Kaiser Ferdinand III. nach dem 30-Jährigen Krieg errichten lassen,
„sie soll für uns auch heute ein Zeichen der Hoffnung sein“, so der Papst. Unter
dem Dauerregen brach die Technik zusammen, die Mikrofonanlage fiel aus. Benedikt musste
seine Ansprache abbrechen, Kardinal Schönborn stimmte mit den mehreren Zehntausend
singenden Wienern das Vater Unser an. Abseits des Jubels betete Benedikt anschließend
in der Kirche am Hof, Heimat der kroatischen Katholiken Wiens. In unmittelbarer
Nachbarschaft: der Judenplatz und das Mahnmal für die österreichischen Opfer der Shoah.
Das stille Innehalten des Papstes dort gehörte wohl zu den meistbeachtetsten Momenten
des Tages. Kardinal Schönborn hatte in seinen Begrüßungsworten die Bedeutung dieser
Geste betont: „Auf Christus schauen“, so das Motto der Reise, „heißt auch auf unsere
Wurzeln schauen. Petrus war Jude. Die Apostel waren Juden. Maria ist Jüdin, und Jesus,
ihr Sohn, unser Herr, ist es durch sie. Nie dürfen wir den Wurzelstamm vergessen,
der uns trägt (vgl. Röm 11,18). Es gehört zur Tragik dieser Stadt, dass gerade hier
diese Wurzel vergessen, ja verleugnet wurde, bis hin zum Gottlosen Willen, das Volk
zu vernichten, dem Gottes erste Liebe gilt. Heiliger Vater, am nahen Judenplatz werden
Sie in stillem Verweilen der Opfer dieser Verblendung gedenken. Wir begleiten Sie
dabei mit innerer Anteilnahme.” (rv 07.09.2007 bp)