Die Reise Papst Benedikts
nach Österreich hat begonnen. Wir haben mit Gudrun Sailer, unserer Korrespondentin
vor Ort, über Bedeutung und Erwartungen der Reise gesprochen:
Die Zusage
des Papstes war ja eher spontan, welche Bedeutung hat diese Reise? Für die
österreichische Kirche ist das eine große Sache. Die Bischöfe werden nicht müde, darauf
hinzuweisen, dass es die einzige Reise des Papstes nach Europa in diesem Jahr ist.
Ich glaube, Papst Benedikt hat auch deshalb so spontan zugesagt, weil er eine große
Chance sieht, seine Gedanken zum Thema Europa auszubauen. Es gibt ja für ein Oberhaupt
der katholischen Kirche kaum einen geeigneteren Ort als Mariazell, um über ein neu
zusammenwachsendes Europa Gedanken zu sprechen, über die Werte, die diesen Kontinent
in der Seele zusammenhalten. Seit 850 Jahren ist Mariazell ein Anziehungspunkt für
Menschen aus allen Ländern Mittel- und Osteuropas, nicht einmal der Eiserne Vorhang
hat die Zuneigung der pilgernden Katholiken zu diesen Ort schmälern können. Nun kommt
der Papst, wie er gesagt hat, als Pilger unter Pilgern – aber genau in diesem europäischen
Kontext wird sein Besuch auch eine politische Bedeutung haben. Was erwartet
den Papst, in welcher Situation ist die Kirche in Österreich? Österreich ist
immer noch ein katholisches Land. Es könnte aber besser bestellt sein um die Lebendigkeit
der Kirche in Österreich. Da wirkt noch die große Krise Groer-Krenn nach. Die Affären
haben treue Katholiken verunsichert und kritische Katholiken vertrieben. Seit dem
letzten Papstbesuch 1998 hat die Kirche mindestens zehn Prozent der Gläubigen verloren.
Aber es gibt wieder Hoffnungszeichen, gerade unter den Laien. Stichwort: Pfarrgemeinderäte.
Das sind die Laien, die sich in ihren Pfarren engagieren. Sie sind erst vor wenigen
Monaten neu gewählt worden, unter großer Beteiligung. Und andererseits gibt es einzelne
leuchtende Beispiele von lebendiger Spiritualität. Stift Heiligenkreuz zum Beispiel,
das Papst Benedikt am Sonntag besuchen wird. Es ist geradezu unglaublich, auf welch
eindrückliche, einfache und überzeugende Art diese Zisterziensermönche dort Neuevangelisierung
betreiben. Indem sie beten, indem sie Menschen mit offenen Armen empfangen, indem
sie sich allen Fragen stellen, indem sie tun, was sie tun. Wäre Kirche überall wie
in Heiligenkreuz, hätte sie viele ihrer Probleme gelöst. Wie ist die Stimmung
im Volk? Besser als manche angesichts des Wetters befürchtet haben! Es regnet
ja seit Tagen in Strömen hier. In manchen Teilen Österreichs stehen Überschwemmungen
bevor. Wenn man auf der Straße unterwegs ist, sieht man kaum über den Rand seines
eigenen Regenschirmes hinaus. Aber trotzdem war die Stimmung dort, wo der Papst war,
blendend. An der Mariensäule jubelnde Menschen in gelben Plastik-Regenhäuten, die
waren im Pilgerpaket dabei, Benedikt-Rufe waren zu hören, ganz zu schweigen von den
Menschen, die sich vielleicht seit Wochen vorbereiten auf diesen Besuch, etwa die
Musiker, ich war bei einer Chorprobe in der Kirche am Hof dabei, und die Leute hatten
glühende Ohren vor Vorfreude. Was muss passieren, dass diese Reise als Erfolg
verbucht wird, dass sie im Nachhinein wirklich als wichtig eingestuft wird und nicht
nur als Ausflug nach Mariazell? Es geht darum, auf positive Art das Starke
an der Kirche herauszustreichen. Deshalb wird der Papst ganz bewusst den Einsatz von
Laien würdigen, wie er das ja schon in seiner Begrüßungsrede gemacht hat. Er wird
den Pfarrgemeinderäten einen Missionsauftrag erteilen, er wird die Bemühungen zur
Verteidigung des Sonntags würdigen, die aus Österreich in andere Länder Europas ausstrahlt,
wo der Sonntag nicht mehr denselben Stellenwert hat. Benedikt hat ja schon mehrfach
bewiesen, dass es ihm liegt, zu ermuntern, zu bestärken. Wie Kardinal Schönborn gesagt
hat: Es gibt kein Kardiometer, keinen Herzschrittmesser, um die Effekte dieser Papstreise
auf das Bewusstsein der Menschen zu messen. Man wird die Effekte nicht unbedingt sehen.
Aber im besten Fall wird man sie langfristig spüren, in einem größeren Interesse für
das, was Kirche sagt und ist, oder wieder in einer größeren Akzeptanz für das, wofür
sie sich einsetzt. (rv 06.09.2007 gs)