Bei Papstreisen gibt
es immer beides: Einen Grund und einen Anlass. Der Anlass ist diesmal der 850. Jahrestag
von Mariazell. Seit Jahrhunderten zieht der Wallfahrtsort in den steirischen Alpen
Pilger aus sämtlichen mittel- und osteuropäischen Ländern an. Gudrun Sailer war dort.
Mariazell ist nicht der größte und nicht der spektakulärste Marienwallfahrtsort
Europas. Es kann nur auf ein Fünftel der Pilgerscharen verweisen, die jährlich nach
Lourdes oder nach Tschenstochau reisen, rund eine Million, und auch herausragende
Wunder sind aus Mariazell nicht überliefert. Nicht einmal 2.000 Menschen bevölkern
den Ort, der über drei Gebirgsstraßen zugänglich ist; bis heute haben ihn keine monströsen
Neubauten verunstaltet. Alles hier ist klein, überschaubar, nach Menschenmaß. Auch
deshalb ist Mariazell seit 850 Jahren in die Herzen der Menschen Österreichs und seiner
Nachbarn eingeschrieben. Doch das eigentlich Große in Mariazell ist die Gnadenmutter,
zu der die Pilger kommen. Eine Statue aus Lindenholz, kaum 50 Zentimeter hoch, im
romanischen Stil. Auf ihrem Schoß sitzt Jesus, und mit der Linken, die ein bisschen
groß geraten ist, weist die Mutter auf ihr Kind. Das Motto der Pilgerreise Papst Benedikts
fasst die Geste der Mariazeller Gnadenmutter in Worte: Auf Christus schauen. „Auf
ihn zu hören, auf sein Wort, ihm zu begegnen im Sakrament, dann werden wir auch sicher
jenes Ziel und jene Heimat finden, die er uns bereitet hat.“ Die Pilgergruppen,
die hier an ihrem Ziel eine Predigt ihres Priesters hören, sehen die Mariazeller Gnadenmutter
in einem ihrer prächtigen Gewänder. Tatsächlich ist die Statue nur an drei Tagen im
Jahr so zu sehen, wie ihr Bildhauer sie geschaffen hat. Die Mariazeller Schatzkammer
verwahrt rund 150 Prunkgewänder, viele mit Perlen und Goldfäden bestickt; im Lauf
der Jahrhunderte haben Frauen aller Schichten als Zeichen ihrer Verehrung für die
Gnadenmutter diese Gaben oft aus ihren eigenen Hochzeitskleidern genäht. Der 8. September,
Tag des Papstbesuches, ist einer von nur drei Tagen im Jahr, an denen die Mariazeller
Gnadenmutter in ihrer ursprünglichen Form, in Holz, zu sehen ist. Von Anbeginn an
hat diese steirische Madonna Pilger aus dem gesamten mittel- und osteuropäischen Raum
angezogen. Ägidius Zsifkovics, Generalsekretär der Österreichischen Bischofskonferenz.
„Ich glaube diese europäische Dimension zeigt sich schon im Gnadenbild, in
der Anrufung der Muttergottes von Mariazell sehr deutlich, wo sie als Magna mater
austriae, als mater domina hungarorum und als alma mater gentium slaworum bezeichnet
wird. Genau diese Völker über Österreich hinaus sind irgendwie in Mariazell vereint,
und Mariazell ist so zusagen eine europäische Größe in der Herzmitte Europas. Das
spiegelt sich stark wider in diesem Papstbesuch, wo auch all diese Völker, Menschen
Delegationen anwesend sein werden.“ Mariazell hat hier eine lange Tradition,
sagt Ägidius Zsifkovics, der selbst kroatischer Abstammung ist: „Auch schon
während der Zeit des Kommunismus sind immer wieder Pilger und Bischöfe, Hirten aus
diesen Ländern nach Mariazell oft unter schwierigsten Bedingungen gekommen. Mariazell
hat diese Menschen auch nie vergessen, es wurden Kerzen gerade auch für Menschen und
Länder hinter dem Eisernen Vorhang angezündet. Bei diesem Papstbesuch wird die Delegation
aus diesen Ländern etwas kleiner gehalten, weil es die geografische Lage nicht anders
zulässt, es werden ca. 4-5000 Menschen aus diesen Ländern da sein, begleitet von etwa
60 bis 70 Bischöfen.“ Sie stammen auch beispielsweise aus der Ukraine und
aus Albanien. Rund 33.000 Pilger und Hirten haben sich für Mariazell angekündigt.
Bis zuletzt regnete es in Strömen in Mariazell. Die Aufbauten freilich liegen im Zeitplan.
Hunderte Menschen arbeiten daran mit, so wie dieser Katholik, der die Tonanlagen für
den Gottesdienst mit Papst Benedikt verantwortet: „Es ist die Situation Bergpredigt
sehr interessant, weil viele Menschen auf kleinstem Raum bedient werden.“ Als
Zeichen ihrer Verehrung haben Österreichs Bischöfe vor kurzem in der Mariazeller Basilika
sogar eine CD mit 24 Marienliedern aufgenommen. Die österreichische Bischofskonferenz
ist damit die erste der Welt, die auch als Chor auftritt, verkündet der Pressetext
stolz. Die Oberhirten reihen sich damit in die lange Schar internationaler Pilger
ein, die Mariazell in Jahrhunderten zu dem gemacht hat, was es bis heute ist: Ein
Ort der Herzen. „Und so wollen wir uns vertrauensvoll an die Gottesmutter wenden,
dass sie uns immer wieder Wegbegleiterin sei, nicht nur heute und hier, wo wir vor
dem Gnadenaltar versammelt sind, sondern bitten, dass sie uns auch weiterhin Wegbegleiterin
sei auf der Wallfahrt unseres Lebens.“