Vom 07. bis zum 09. September reist Papst Benedikt XVI. nach Österreich. Anlass ist
das 850-Jahr-Jubiläum von Mariazell. Gudrun Sailer hat vorab mit dem österreichische
Nuntius Edmond Farhat gesprochen. Er spricht über die Papstvisite, aktuelle Problemen
und Chancen der österreichischen Kirche und seine persönlichen Erwartungen.
„Das
Motto der Pilgerfahrt nach Mariazell und nach Wien lautet ,Auf Christus schauen’.
Warum ist es denn in Mitteleuropa heute so nötig auf Christus zu schauen?“
„Auf
Christus schauen ist das Motto des Besuchs von Papst Benedikt XVI. Es ist nicht nur
für Österreich gedacht, sondern auch für die ganze Kirche, für das gesamte Europa.
Europa läuft Gefahr, seine Seele zu verlieren sagt man, man spricht viel über Relativismus,
von kulturellem Pluralismus, von Integration. Viele Menschen aus anderen Kulturkreisen
drängen heute nach Europa. Oft sind es Menschen, die aus Krieg- und Kriegsgebieten
flüchten. Europa will allen freiwillig Asyl gewähren, soweit es seinen Kapazitäten
entspricht. Aber es kommen nicht nur verfolgte Menschen, sondern auch Menschen auf
der Suche nach einer besseren Arbeit, auch mehr Wohlstand, und noch mit der Überzeugung,
eine neue Kultur zu bringen. Das sind die positiven, aber auch die problematischen
Folgen der Globalisierung. Gelingt die Integration von Einwanderern oder wird dadurch
Europa seine christlich-abendländische Wurzel verlieren? Hat Europa nicht noch heute
etwas ganz anderes zu bieten? Papst Benedikt XVI. wird während seines Aufenthaltes
hier in Österreich daran erinnern, dass es heute so dringend nötig ist, auf Christus
zu schauen. Nicht nur die Christen, nicht nur die Katholiken, alle Menschen haben
Interesse, auf Christus zu schauen. Christus, ist er nicht das Wort des ewigen Lebens,
des wahren Fortschritts für alle? Viele warten sehnsüchtig darauf, vom heiligen Vater
ein Wort der Ermutigung zu hören.“
„Kardinal Schönborn benannte in einem
Interview für unsere italienische Abteilung die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich
und die Abtreibung als zwei der größten Problem der Gesellschaft in Österreich. Welche
würden Sie als Beobachter von außen, der Sie als Nuntius sind, hinzufügen und wo sehen
Sie hingegen die starken Seite der österreichischen Kirche?“
„Ja, Sie haben
Recht. Ich bin nur ein Beobachter von außen, Kardinal Schönborn als Vater und Hirt
seiner Leute kennt die Probleme und die Schmerzen in seiner Diözese. Er spricht von
der Abtreibung als eines der größten Probleme der heutigen Welt. Nicht nur aber auch
in Österreich. Eine Lösung, welche in Österreich im Jahr 1973 eingeführt wurde, um
die Frau von der Bestrafung zu befreien, ist heute eine offene, soziale Wunde geworden.
Einerseits wurde dadurch eine absolute Straffreiheit gewährt. Andererseits missverstand
man darunter, mit der Zeit immer mehr das Recht auf Abtreibung, das so genannte Recht
auf Abtreibung. Natürlich sollen die Frauen das Recht haben, selbst Entscheidungen
treffen zu dürfen. Es sollte aber dadurch nicht das Lebensrecht des Kindes in Frage
gestellt werden. Wenn einige in der Gesellschaft an diesem Recht auf Abtreibung festhalten
wollen, so sollen sie zumindest den Anderen, die nicht ihre Meinung teilen, auch die
Freiheit gewähren, sich dagegen zu äußern. Friedlich für eine Sache demonstrieren
zu können, gehört zu den Grundrechten der Demokratie. Aber wenn hier in Österreich,
engagierte Jugendliche, wie es oft passiert, die das Leben verteidigen, bei friedlichen
Versammlungen zum Schweigen gezwungen werden, leidet die Demokratie darunter. Es ist
schade, dass die Meinungsfreiheit in einem demokratischen Land, wie Österreich, in
diesem Bereich eingeschränkt wird. Das ist heute, meiner Meinung nach, das größte
Problem der Kirche in Österreich.
„In welchen Punkten sehen Sie die Kirche
in Österreich heute stark? Der Hintergrund dieser Frage ist, dass die Kirche in Österreich,
wie wir wissen, Momente einer tiefen Krise erlebt. Das ist noch nicht lange her und
gibt es deutliche Anzeichen, dass die Kirche wieder stark ist. Wo manifestiert sich
das?“
„Schon sich der Krise gewiß zu sein, ist die Lösung. Die Kirche kümmert
sich sehr um dieses Problem. Mit pastoralen Gedanken, Plänen und Sehnsucht, mit Respekt
für Menschen und positiven Gesetze, aber auch mit Respekt für ihre eigene Ethik und
Moral.“
„Was erhoffen Sie sich, Herr Erzbischof an konkreten Glaubens- und
Denkanstößen, von der bevorstehenden Papstvisite? “
„Ja, der Papst wird
auf seinem Österreichbesuch sicherlich viele neue Denkanstöße geben und dabei eine
Botschaft an die Kirche und an ganz Europa richten. Österreich liegt ja in der Mitte
Europas und ist sozusagen ein Kernland, das die Geschichte Europas Jahrhunderte lang
geprägt hat. Heute noch gehen von hier viele wichtige Impulse aus. Wien ist ein internationales
Forum geworden: Weltorganisationen, Uno Vertreter , internationale Gesellschaften,
Politiker und Denkern finden in Wien ein humanistisches und freies Laboratorium, wo
politische und soziale Probleme diskutiert und Lösungen, wenn man so sagen kann, vorgeschlagen
werden. Man spürt in Wien das Flair einer UNO-City. Auch dieser Bereich gehört zur
Mission der Kirche. Der Heilige Vater, der Europa und die Welt gut kennt, wird auch
die Vertreter der internationalen Organisationen erwähnen und sie in ihrer wichtigen
Arbeit ermutigen. Mariazell selbst ist seit Jahrhunderten für viele Menschen aus ganz
Mitteleuropa zu einem starken Anziehungspunkt geworden und stellt sozusagen das Herz
Mitteleuropas dar. Der Heilige Vater wird von Mariazell aus eine Botschaft des Friedens
an ganz Europa und die Welt richten. Und auch den Vertretern der Ökumene in Sibiu
einen brüderlichen Gruß übermitteln.
„Zum Praktischen: Eine Papstvisite
bedeutet immer auch viel Arbeit für den Nuntius im Gastland. In diesem Fall, für
Sie. Womit sind Sie da genau betraut?“
„Das ist eine besondere Arbeit,
aber auch eine spezielle Freude. Der Papst wird, wie in jedem anderem Land, das er
besucht, in der apostolischen Nuntiatur in Wien übernachten. Die Nuntiatur ist sein
zu Hause und wir freuen uns, den Hausherr und Vater zu empfangen. Da gibt es freilich
noch genug Vorbereitungsarbeiten zu erledigen. Der Papst wird zweimal in der Nuntiatur
übernachten und drei Mahlzeiten zu sich nehmen. Wir werden uns bemühen, den Heiligen
Vater mit Verehrung, Liebe und Würde zu empfangen. Der apostolische Nuntius ist auch
mit dem Protokoll der Papstvisite betraut. Wir stehen mit dem Reisemarschall des
Vatikans, Dr. Alberto Gasparri in engem Kontakt. Wir arbeiten eng mit dem Komitee
der österreichischen Regierung und mit den Sicherheitskräften zusammen, die alle dafür
sorgen, dass der Besuch des Papstes in geordneter Weise und ohne Zwischenfälle verlaufen
kann. Man achtet aber auch darauf, dass der pastorale Charakter der Reise nicht unter
den Sicherheitsvorkehrungen leidet. Allen diese Menschen und auch Ihnen gilt jetzt
schon unserer besonderer Dank.“
„Herr Nuntius, als die österreichischen
Bischöfe beschlossen haben, Papst Benedikt nach Mariazell einzuladen, hat keiner der
Bischöfe damit gerechnet, dass der Papst wirklich nach Österreich kommt. Aber er hat
zugesagt. Hätten Sie denn persönlich geglaubt, dass Benedikt wirklich nach Österreich
kommt? “
„Ja, der Papst kennt Österreich, der Papst liebt und verehrt die
Madonna. Mariazell ist nicht nur Österreichs Kern, Mariazell ist Europas Kern. Von
Europa geht die Botschaft der Kirche in die Welt. Der Papst ist der Vertreter Christi.
Er könnte nicht die Gelegenheit verstreichen lassen, ohne eine tiefe, spirituelle,
friedliche Botschaft, wie er und nur er sie schicken kann, der Welt, der Kirche und
Österreich zu schicken.“