„Es gibt für das Verständnis
von Gegenwart keinen besseren Schlüssel als den Blick in die Vergangenheit.“ Das schreibt
der deutsche Botschafter beim Heiligen Stuhl, Hans-Henning Horstmann, in seiner monatlichen
Kolumne für Radio Vatikan. Der Grundsatz gelte auch für die Arbeit der deutschen Botschaft
beim Heiligen Stuhl. Horstmann nennt es „daher lohnenswert, der Frage nachzugehen,
wann die diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschen und dem Heiligen Stuhl begonnen
und wie sie sich gestaltet haben“.
1159 hat Kaiser Friedrich Barbarossa
den bayerischen Pfalzgrafen zu Papst Hadrian IV. entsandt. Hadrian IV. hatte Friedrich
Barbarossa vorher zum Kaiser gekrönt. Das Verhältnis der beiden war alles andere als
konfliktfrei, aber man hielt Kontakt. Dies ist nur ein Beispiel für die sehr frühen
Beziehungen der Kaiser zu den Päpsten. Bereits im Mittelalter bedienten sich Kaiser
und Reichsfürsten ausgewählter Persönlichkeiten, um mit dem Heiligen Stuhl Verhandlungen
zu führen, Papstwahlen zu beeinflussen und bei Papstkrönungen und anderen großen Anlässen
Präsenz zu zeigen. Seit dem 16. Jahrhundert gab es Ständige Vertreter des Kaisers.
Die ersten Ständigen Vertreter waren kirchliche Würdenträger und Adlige. Neben denn
Ständigen Vertretern des Kaisers und seinen Sondergesandten verfügten die Reichsstände
über Ständige Vertreter, z.B. Baden-Baden, Braunschweig-Hannover, Hessen-Darmstadt,
Köln, Konstanz, Mainz, Münster, Osnabrück, Paderborn, die Pfalz, Sachsen, Trier, Württemberg
und Würzburg, um nur einige zu nennen. Das heißt: den weltlichen und geistlichen Fürsten
war daran gelegen, an der Kurie dauerhaft präsent zu sein. 1806 endete das Heilige
Römische Reich deutscher Nation, es war auch das Ende der Vielfalt der ständigen Vertretungen
aus dem Reich. Neben Österreich behielten Bayern und Preußen als wichtige Nachfolgestaaten
ihre diplomatischen Verbindungen zum Heiligen Stuhl. Andere Staaten waren nunmehr
zumeist durch eher kurzfristige Missionen vertreten. Sachsen übertrug z.B. die Wahrnehmung
seiner Interessen an den preußischen Gesandten.
Zu Bayern: Der erste Vertreter
Bayerns wurde 1605 von Maximilian I. ernannt. Fast 330 Jahre war Bayern durch eine
eigene Gesandtschaft beim Heiligen Stuhl vertreten. Ihr Wirken war für die deutsch-vatikanischen
Beziehungen von besonderer, wichtiger Bedeutung. Im nationalsozialistischen Deutschland
wurde im Januar 1934 das Gesetz über den Neuaufbau des Reiches beschlossen, das die
den Einzelstaaten verbliebenen Hoheitsrechte zentralistisch auf das Reich übertrug.
Bayern übergab im Mai 1934 seine Gesandtschaft dem Reichsbotschafter.
Zu
Preußen: Preußen hatte zwar Kontakte zum Vatikan, allerdings wurden nach der Reformation
die diplomatischen Beziehungen zwischen Kurie und den protestantischen Territorien
abgebrochen. Für Preußen wurde die Errichtung einer Gesandtschaft notwendig, nachdem
das katholische Schlesien 1747 preußisch wurde. Der erste Vertreter aus Preußen war
der Archäologe Wilhelm von Uhden. Ihm folgte Wilhelm von Humboldt. Er begründete eine
Tradition von Vertretern des preußischen Kulturprotestantismus, die sich neben den
Beziehungen zum Vatikan wesentlich auch mit der römischen Geschichte befassten. Die
preußische Gesandtschaft bereitete z.B. die Gründung des Deutschen Archäologischen
Institutes und der deutschen Evangelischen Gemeinde vor. Mit wenigen Unterbrechungen
blieb die preußische Gesandtschaft in Funktion. Sie wurde 1920 in eine Botschaft des
Reiches umgewidmet. Die Reichsbotschaft wurde nach 1933 Instrument der nationalsozialistischen
Kirchenpolitik. 1943 übernahm Ernst von Weizsäcker den Botschafterposten beim Heiligen
Stuhl. Weizsäcker trug entscheidend dazu bei, dass der Vatikan seine Handlungsfreiheit
behielt. 1944 übersiedelten er und die Mitarbeiter mit ihren Familien in den Vatikan,
wo Pius XII. ihm Wohn- und Amtssitz zur Verfügung stellte. Im August 1946 hat Weizsäcker
den Vatikan verlassen.
1954 wurden die diplomatischen Beziehungen zwischen
der Bundesrepublik Deutschland und dem Heiligen Stuhl wieder aufgenommen. Mit dem
3. Oktober 1990 - also der Einheit der beiden deutschen Staaten - wurde eine neue
Seite im Buch der deutsch-vatikanischen Beziehungen aufgeschlagen.
In
der Rückschau der Beziehungen zwischen Deutschen und dem Heiligen Stuhl scheinen mir
kennzeichnend: sehr früh wurde der Kontakt zum Heiligen Stuhl gefunden. Die deutsche
vor allem auch regionale und europäische Vielfalt dieser Beziehungen wurde 1806 beschränkt
und 1934 beendet. Der Neubeginn 1954 hat vor allem im Qualitativen eine großartige
Vielfalt in den ausgezeichneten Beziehungen zwischen Deutschland und dem Heiligen
Stuhl erhalten. Neben den wichtigen staatlichen Beziehungen haben sich kirchliche,
kulturelle, wissenschaftliche Kontakte in einzigartiger Weise verdichtet und können
unter einem Leitsatz zusammengefasst werden: Die Deutschen und der Heilige Stuhl setzen
sich für eine friedvollere und gerechtere Welt ein, in der die Würde des Menschen
erste Priorität hat. (rv)