2007-09-04 12:22:42

Kolumne von Botschafter Horstmann


RealAudioMP3 „Es gibt für das Verständnis von Gegenwart keinen besseren Schlüssel als den Blick in die Vergangenheit.“ Das schreibt der deutsche Botschafter beim Heiligen Stuhl, Hans-Henning Horstmann, in seiner monatlichen Kolumne für Radio Vatikan. Der Grundsatz gelte auch für die Arbeit der deutschen Botschaft beim Heiligen Stuhl. Horstmann nennt es „daher lohnenswert, der Frage nachzugehen, wann die diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschen und dem Heiligen Stuhl begonnen und wie sie sich gestaltet haben“.


1159 hat Kaiser Friedrich Barbarossa den bayerischen Pfalzgrafen zu Papst Hadrian IV. entsandt. Hadrian IV. hatte Friedrich Barbarossa vorher zum Kaiser gekrönt. Das Verhältnis der beiden war alles andere als konfliktfrei, aber man hielt Kontakt. Dies ist nur ein Beispiel für die sehr frühen Beziehungen der Kaiser zu den Päpsten. Bereits im Mittelalter bedienten sich Kaiser und Reichsfürsten ausgewählter Persönlichkeiten, um mit dem Heiligen Stuhl Verhandlungen zu führen, Papstwahlen zu beeinflussen und bei Papstkrönungen und anderen großen Anlässen Präsenz zu zeigen. Seit dem 16. Jahrhundert gab es Ständige Vertreter des Kaisers. Die ersten Ständigen Vertreter waren kirchliche Würdenträger und Adlige. Neben denn Ständigen Vertretern des Kaisers und seinen Sondergesandten verfügten die Reichsstände über Ständige Vertreter, z.B. Baden-Baden, Braunschweig-Hannover, Hessen-Darmstadt, Köln, Konstanz, Mainz, Münster, Osnabrück, Paderborn, die Pfalz, Sachsen, Trier, Württemberg und Würzburg, um nur einige zu nennen. Das heißt: den weltlichen und geistlichen Fürsten war daran gelegen, an der Kurie dauerhaft präsent zu sein. 1806 endete das Heilige Römische Reich deutscher Nation, es war auch das Ende der Vielfalt der ständigen Vertretungen aus dem Reich. Neben Österreich behielten Bayern und Preußen als wichtige Nachfolgestaaten ihre diplomatischen Verbindungen zum Heiligen Stuhl. Andere Staaten waren nunmehr zumeist durch eher kurzfristige Missionen vertreten. Sachsen übertrug z.B. die Wahrnehmung seiner Interessen an den preußischen Gesandten.


Zu Bayern: Der erste Vertreter Bayerns wurde 1605 von Maximilian I. ernannt. Fast 330 Jahre war Bayern durch eine eigene Gesandtschaft beim Heiligen Stuhl vertreten. Ihr Wirken war für die deutsch-vatikanischen Beziehungen von besonderer, wichtiger Bedeutung. Im nationalsozialistischen Deutschland wurde im Januar 1934 das Gesetz über den Neuaufbau des Reiches beschlossen, das die den Einzelstaaten verbliebenen Hoheitsrechte zentralistisch auf das Reich übertrug. Bayern übergab im Mai 1934 seine Gesandtschaft dem Reichsbotschafter.


Zu Preußen: Preußen hatte zwar Kontakte zum Vatikan, allerdings wurden nach der Reformation die diplomatischen Beziehungen zwischen Kurie und den protestantischen Territorien abgebrochen. Für Preußen wurde die Errichtung einer Gesandtschaft notwendig, nachdem das katholische Schlesien 1747 preußisch wurde. Der erste Vertreter aus Preußen war der Archäologe Wilhelm von Uhden. Ihm folgte Wilhelm von Humboldt. Er begründete eine Tradition von Vertretern des preußischen Kulturprotestantismus, die sich neben den Beziehungen zum Vatikan wesentlich auch mit der römischen Geschichte befassten. Die preußische Gesandtschaft bereitete z.B. die Gründung des Deutschen Archäologischen Institutes und der deutschen Evangelischen Gemeinde vor. Mit wenigen Unterbrechungen blieb die preußische Gesandtschaft in Funktion. Sie wurde 1920 in eine Botschaft des Reiches umgewidmet. Die Reichsbotschaft wurde nach 1933 Instrument der nationalsozialistischen Kirchenpolitik. 1943 übernahm Ernst von Weizsäcker den Botschafterposten beim Heiligen Stuhl. Weizsäcker trug entscheidend dazu bei, dass der Vatikan seine Handlungsfreiheit behielt. 1944 übersiedelten er und die Mitarbeiter mit ihren Familien in den Vatikan, wo Pius XII. ihm Wohn- und Amtssitz zur Verfügung stellte. Im August 1946 hat Weizsäcker den Vatikan verlassen.


1954 wurden die diplomatischen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Heiligen Stuhl wieder aufgenommen. Mit dem 3. Oktober 1990 - also der Einheit der beiden deutschen Staaten - wurde eine neue Seite im Buch der deutsch-vatikanischen Beziehungen aufgeschlagen.


In der Rückschau der Beziehungen zwischen Deutschen und dem Heiligen Stuhl scheinen mir kennzeichnend: sehr früh wurde der Kontakt zum Heiligen Stuhl gefunden. Die deutsche vor allem auch regionale und europäische Vielfalt dieser Beziehungen wurde 1806 beschränkt und 1934 beendet. Der Neubeginn 1954 hat vor allem im Qualitativen eine großartige Vielfalt in den ausgezeichneten Beziehungen zwischen Deutschland und dem Heiligen Stuhl erhalten. Neben den wichtigen staatlichen Beziehungen haben sich kirchliche, kulturelle, wissenschaftliche Kontakte in einzigartiger Weise verdichtet und können unter einem Leitsatz zusammengefasst werden: Die Deutschen und der Heilige Stuhl setzen sich für eine friedvollere und gerechtere Welt ein, in der die Würde des Menschen erste Priorität hat. (rv)








All the contents on this site are copyrighted ©.