2007-09-01 16:03:13

Sibiu: Christliche Werte „intelligent“ in Europa einbringen


RealAudioMP3 Am Dienstag beginnt im rumänischen Sibiu (Hermannstadt) die 3. Europäische Ökumenische Versammlung (EÖV3). Rund 2.100 Delegierte wollen dabei aktuelle politische und gesellschaftliche Fragen diskutieren sowie den Austausch und die Annäherung der Kirchen in Europa voranbringen. Das Treffen steht unter dem Titel „Das Licht Christi scheint über allen. Hoffnung für Erneuerung und Einheit in Europa“.
Als Delegierte der deutschen Bischofskonferenz fahren 80 Persönlichkeiten des kirchlichen Lebens nach Rumänien, unter Ihnen der Leiter des Berliner Theologischen Instituts Marie-Dominique Chenu, der Dominikaner Thomas Eggensperger. Ein Interview von Pater Max Cappabianca:

Es gibt ja sehr viele Erwartungen an das Treffen in Sibiu ganz unterschiedlicher Art. Wie sind so Ihre Erwartungen mit Blick auf die Frage „Christliche Werte in Europa einbringen“. Was kann da Sibiu leisten?

„Ich sehe einen sehr wichtigen Punkt darin zu schauen, dass man das positiv angeht: Die Welt hat sich nicht gegen Glaube und Kirche verschworen! Es gibt ein grundsätzliches Interesse an kirchlichen Fragen, an Fragen von Christen; und Christen stehen in der Regel nicht neben der Gesellschaft, sondern sind ein Teil von ihr, auch wenn sie in einigen Ländern in der Minderheit sind. Aber in der Regel stehen sie nicht in der Defensive.
Im Blick auf Europa sind alle Kirchen in Brüssel und in Straßburg gut aufgestellt, es wird viel geleistet. Und das wird auch wahrgenommen.
Man wird nicht wahrgenommen mit apodiktischen Äußerungen. Ich finde es manchmal etwas anstrengend, die diversen kirchlichen Stellungnahmen zu lesen und zu hören, die im Staccato irgendwelche Forderungen im Sinne ,Es soll ,es muss, es braucht’ formuliert werden, das taugt vielleicht für Werbeplakate, aber nicht für den politischen Alltag, so wie ich ihn zum Beispiel in Brüssel erlebt habe.“

Aber wie sieht denn das Einbringen christlicher Werte konkret aus?

„Wahrgenommen werden Stellungnahmen, die einen Bezug zur Realität haben und nicht allzu sehr auf die Tagespolitik eingehen, sondern eher grundsätzlicher Natur sind und die Vorschläge, die man macht, sollten sehr konkret sein und zwar so konkret, dass sie für die Gesetzgebung relevant sind und da Leitungskompetenz haben.“

Die Kirchen wollen in Sibiu Handlungsperspektiven nicht nur für sich selber vermitteln, sondern auch darüber hinaus ins politische und soziale Leben des zusammenwachsenden Europas. Manche befürchten einen neuen Hegemonialismus des Christentums. Wie sehen sie diese Befürchtung? Wie kann Kirche ihre Position im Europa von heute einbringen?

„In Sibiu sind vor allem Kirchenvertreter da, wir werden wenig von Vertretern hören, die sozusagen auf der ,anderen Seite’ stehen. Ein Hauptproblem ist sicher die Selbsteinschätzung der Kirchen selber: Entweder sind sie geprägt von einer totalen Selbstüberschätzung, das ist vor allem bei kirchlichen Gruppierung aus Ländern der Fall, in denen Kirche sehr relevant für die Gesellschaft ist; aber es gibt auch eine totale Selbstunterschätzung, das ständige Gefühl, marginalisiert zu sein.
Kirchen haben dann einen hohen ,Marktwert’, wenn sie seriös auftreten, das heißt, eine angemessen Sprache verwenden und ihre Stärken nutzen; und die Stärken von christlichen Gemeinschaften sind ihre Kompetenz in ethischen und sozialen Fragen. Aber es ist auch wichtig, die Schwächen zu kennen: Das ist sicher die Geschichte, aber auch die Zerrissenheit und sind die unterschiedlichen Horizonte, denn selbst in der katholischen Kirche, die ja sehr einheitlich organisiert ist, gibt es ja sehr unterschiedliche Traditionen und Horizonte, die bedient werden müssen.

Das Dokument der Glaubenskongregation zu einigen Fragen der Lehre über die Kirche hat ja hohe Wellen geschlagen. Glauben Sie, dass das auch in Sibiu Thema sein wird?

„Das wird sicherlich ein Thema sein. Die letzen Wochen haben ja gezeigt, dass das Papier bei einigen sehr große Unruhe verursacht hat, nicht nur im protestantischen Bereich, sondern auch im katholischen. Auf der anderen Seite, wenn man es genau betrachtet, wiederholt das Papier, was Seitens Rom immer wieder dazu gesagt wird. Ökumene ist heute sicherlich eher eine pragmatische Angelegenheit, mehr als es noch vor ein paar Jahren war. Man wird sicherlich sine ira et cum studio über dieses Papier zu reden haben.“

Es sind ja über 2000 Delegierte dabei. Manche Fürchten, dass Sibiu nicht zurückwirkt in die Gemeinden, weil das eine Art Expertentreffen wird, wie sehen Sie das?

„Zunächst ist ein gewisses Risiko da, wenn sich Experten treffen: Das Risiko einer Insiderveranstaltung ist nicht ganz auszuschließen; und bisher muss man sagen, ist das Echo auf diese doch sehr große Veranstaltung sehr gering. Hier muss sicherlich in Sibiu selber etwas gestemmt werden: Es muss etwas dabei herauskommen. Auf der anderen Seite: Wenn so viele Delegierte zusammen sind, die ja mehr oder weniger aus den verschiedenen Regionen handverlesen sind, dann sind das dort vor allem Multiplikatoren. Es sind also nicht nur Leute dort, die abwarten, ob etwas Schönes dabei herauskommt, sondern es sind Delegierte, die sehr genau wissen: Es braucht im Anschluss daran eine Vermittlung an die Basis. Was will man eigentlich, worum soll es eigentlich gehen und was sind die Richtlinien, die sich aufgezeigt haben.“

(rv 01.09.2007 mc)









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