Sibiu: Christliche Werte „intelligent“ in Europa einbringen
Am Dienstag beginnt
im rumänischen Sibiu (Hermannstadt) die 3. Europäische Ökumenische Versammlung (EÖV3).
Rund 2.100 Delegierte wollen dabei aktuelle politische und gesellschaftliche Fragen
diskutieren sowie den Austausch und die Annäherung der Kirchen in Europa voranbringen.
Das Treffen steht unter dem Titel „Das Licht Christi scheint über allen. Hoffnung
für Erneuerung und Einheit in Europa“. Als Delegierte der deutschen Bischofskonferenz
fahren 80 Persönlichkeiten des kirchlichen Lebens nach Rumänien, unter Ihnen der Leiter
des Berliner Theologischen Instituts Marie-Dominique Chenu, der Dominikaner Thomas
Eggensperger. Ein Interview von Pater Max Cappabianca:
Es gibt ja sehr viele
Erwartungen an das Treffen in Sibiu ganz unterschiedlicher Art. Wie sind so Ihre Erwartungen
mit Blick auf die Frage „Christliche Werte in Europa einbringen“. Was kann da Sibiu
leisten?
„Ich sehe einen sehr wichtigen Punkt darin zu schauen, dass man
das positiv angeht: Die Welt hat sich nicht gegen Glaube und Kirche verschworen! Es
gibt ein grundsätzliches Interesse an kirchlichen Fragen, an Fragen von Christen;
und Christen stehen in der Regel nicht neben der Gesellschaft, sondern sind ein Teil
von ihr, auch wenn sie in einigen Ländern in der Minderheit sind. Aber in der Regel
stehen sie nicht in der Defensive. Im Blick auf Europa sind alle Kirchen
in Brüssel und in Straßburg gut aufgestellt, es wird viel geleistet. Und das wird
auch wahrgenommen. Man wird nicht wahrgenommen mit apodiktischen Äußerungen.
Ich finde es manchmal etwas anstrengend, die diversen kirchlichen Stellungnahmen zu
lesen und zu hören, die im Staccato irgendwelche Forderungen im Sinne ,Es soll ,es
muss, es braucht’ formuliert werden, das taugt vielleicht für Werbeplakate, aber nicht
für den politischen Alltag, so wie ich ihn zum Beispiel in Brüssel erlebt habe.“
Aber
wie sieht denn das Einbringen christlicher Werte konkret aus?
„Wahrgenommen
werden Stellungnahmen, die einen Bezug zur Realität haben und nicht allzu sehr auf
die Tagespolitik eingehen, sondern eher grundsätzlicher Natur sind und die Vorschläge,
die man macht, sollten sehr konkret sein und zwar so konkret, dass sie für die Gesetzgebung
relevant sind und da Leitungskompetenz haben.“
Die Kirchen wollen in Sibiu
Handlungsperspektiven nicht nur für sich selber vermitteln, sondern auch darüber hinaus
ins politische und soziale Leben des zusammenwachsenden Europas. Manche befürchten
einen neuen Hegemonialismus des Christentums. Wie sehen sie diese Befürchtung? Wie
kann Kirche ihre Position im Europa von heute einbringen?
„In Sibiu sind
vor allem Kirchenvertreter da, wir werden wenig von Vertretern hören, die sozusagen
auf der ,anderen Seite’ stehen. Ein Hauptproblem ist sicher die Selbsteinschätzung
der Kirchen selber: Entweder sind sie geprägt von einer totalen Selbstüberschätzung,
das ist vor allem bei kirchlichen Gruppierung aus Ländern der Fall, in denen Kirche
sehr relevant für die Gesellschaft ist; aber es gibt auch eine totale Selbstunterschätzung,
das ständige Gefühl, marginalisiert zu sein. Kirchen haben dann einen hohen
,Marktwert’, wenn sie seriös auftreten, das heißt, eine angemessen Sprache verwenden
und ihre Stärken nutzen; und die Stärken von christlichen Gemeinschaften sind ihre
Kompetenz in ethischen und sozialen Fragen. Aber es ist auch wichtig, die Schwächen
zu kennen: Das ist sicher die Geschichte, aber auch die Zerrissenheit und sind die
unterschiedlichen Horizonte, denn selbst in der katholischen Kirche, die ja sehr einheitlich
organisiert ist, gibt es ja sehr unterschiedliche Traditionen und Horizonte, die bedient
werden müssen.
Das Dokument der Glaubenskongregation zu einigen Fragen
der Lehre über die Kirche hat ja hohe Wellen geschlagen. Glauben Sie, dass das auch
in Sibiu Thema sein wird?
„Das wird sicherlich ein Thema sein. Die letzen
Wochen haben ja gezeigt, dass das Papier bei einigen sehr große Unruhe verursacht
hat, nicht nur im protestantischen Bereich, sondern auch im katholischen. Auf der
anderen Seite, wenn man es genau betrachtet, wiederholt das Papier, was Seitens Rom
immer wieder dazu gesagt wird. Ökumene ist heute sicherlich eher eine pragmatische
Angelegenheit, mehr als es noch vor ein paar Jahren war. Man wird sicherlich sine
ira et cum studio über dieses Papier zu reden haben.“
Es sind ja über 2000
Delegierte dabei. Manche Fürchten, dass Sibiu nicht zurückwirkt in die Gemeinden,
weil das eine Art Expertentreffen wird, wie sehen Sie das?
„Zunächst ist
ein gewisses Risiko da, wenn sich Experten treffen: Das Risiko einer Insiderveranstaltung
ist nicht ganz auszuschließen; und bisher muss man sagen, ist das Echo auf diese doch
sehr große Veranstaltung sehr gering. Hier muss sicherlich in Sibiu selber etwas gestemmt
werden: Es muss etwas dabei herauskommen. Auf der anderen Seite: Wenn so viele Delegierte
zusammen sind, die ja mehr oder weniger aus den verschiedenen Regionen handverlesen
sind, dann sind das dort vor allem Multiplikatoren. Es sind also nicht nur Leute dort,
die abwarten, ob etwas Schönes dabei herauskommt, sondern es sind Delegierte, die
sehr genau wissen: Es braucht im Anschluss daran eine Vermittlung an die Basis. Was
will man eigentlich, worum soll es eigentlich gehen und was sind die Richtlinien,
die sich aufgezeigt haben.“