Papst Benedikt kommt
zum 850-Jahr-Jubiläum von Mariazell nach Österreich. Gudrun Sailer hat vorab mit dem
Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn gesprochen und gefragt: Hätte sich
der Papst, wenn wir einen Schritt zurücktreten und Mariazell aus der Außenperspektive
betrachten, einen besseren Ort aussuchen können, um die christliche Seele Europas
aufleuchten zu lassen?
Sie bringen mich in Verlegenheit mit dieser Frage,
denn wenn ich jetzt sage, er hätte keinen besseren suchen können, wird man an anderen
Orten sagen: Doch, doch, Tschenstochau oder Loreto, wo er jetzt ja hinfährt, oder
auch Le Puys in Frankreich. Aber Mariazell ist, wie mein Mitbruder Bischof Kapellari
immer zu sagen pflegt, eine europäische Adresse. Insofern ist es wahr, dass von hier
aus auch ein Wort des Glaubens und der Ermutigung an Europa ausgehen kann und wahrscheinlich
auch ausgehen wird vom Papst.
Als Kardinal Joseph Ratzinger vor mehr als
zwei Jahren Papst geworden ist, waren im ersten Moment nicht alle glücklich. Staunen
Sie manchmal, wie viel Vorfreude die Menschen in Österreich Papst Benedikt heute entgegenbringen?
Schon.
Ich muss sagen, bei jedem Papstbesuch, auch bei den drei Besuchen von Johannes Paul,
gab es immer auch kritische Stimmen, es gibt sie auch jetzt. Aber sie sind erstaunlich
zurückhaltend, und ich denke, das hat auch damit zu tun, dass gerade die kritische
Intelligenz, die Kreise, die sonst gerne die Kirche vom Intellektuellen her kritisieren,
in Papst Benedikt eine so überragende Persönlichkeit finden, auch was das geistige
Niveau betrifft, die geistige Auseinandersetzung betrifft, dass schon auf dieser natürlichen
Ebene eine großer Respekt vor ihm da ist. Aber dann kommt sicher dazu für viele Gläubige
die Freude darüber, dass eben Petrus kommt, dass der Vikar Jesu Christi zu uns kommt.
Und dass das für den Glauben ein ganz großes Ereignis ist.
Österreichs
Kirche hat schlimme Momente der Krise überwunden. Es geht wieder aufwärts, aber innerkirchliche
Spannungen sind dennoch vorhanden. Wo verlaufen die Bruchlinien?
Ich
weiß nicht, ob das Bruchlinien sind, ich würde eher sagen, ein Körper, der gar keine
Spannung mehr hat, ist ein toter Körper. Und die Spannungen gehören einfach dazu!
Es gibt die, die finden, dass alles viel zu langsam geht, und es gibt die, die finden,
es geht alles viel zu schnell oder es muss alles bleiben, wie es ist. Das ist ganz
normal, das ist schon in einer Familie so, und das ist auch in der Gemeinschaft der
Kirche so. Die Frage ist dann immer, gelingt es, die Einheit, das Band der Einheit
durch die Liebe und den Frieden Christi zu wahren. Gelingt es, die Gemeinsamkeit über
die Verschiedenheit zu stellen. Ich denke, das ist im Moment in Österreich doch weitgehend
der Fall. Es gab ganz große Spannungen noch vor zehn Jahren, vor acht Jahren, die
wirklich Zerreißproben für die Kirche waren. Ich glaube, dass sich das weitgehend
gelegt hat. Wir dürfen natürlich nicht übersehen, dass das Ganze schon auch viele
Opfer gekostet hat, dass viele sich von der Kirche abgewendet haben und weiter abwenden,
weil es ihnen nichts mehr sagt oder weil sie niemanden finden, der ihnen sagt, was
es sagt.
Nun ist die Botschaft dieser päpstlichen Pilgerfahrt: Auf Christus
schauen. Was kann Papst Benedikt damit allen Katholiken, ja vielleicht sogar den Nicht-Katholiken
sagen?
Kardinal Ratzinger hat immer wieder ein chinesisches Sprichwort
zitiert: „Wer auf sich schaut, strahlt nicht.“ Und er hat das gerne auch in Bezug
auf die Kirche gesagt. Eine Kirche, die nur auf sich schaut und nur von sich redet,
die hat keine Strahlkraft, interessiert auch letztlich nicht. Die Kirche hat eine
Aufgabe: Christus zu zeigen. Das war schon das große Thema beim Katholikentag in Mariazell
vor drei Jahren, der Wunsch, Christus zu zeigen, auf Christus zu zeigen. Papst Benedikt
hat für seine Reise das Motto gewählt: Auf Christus schauen. Also in gewisser Weise
auch: Wegschauen von sich selber, nicht Nabelschau betreiben. Auf Christus schauen
und in seinem Blick das finden, was er den Menschen schenken will. Den Blick seiner
Liebe, seiner Barmherzigkeit, die Art, wie er den Menschen und die Dinge sieht, nicht
nur gesehen hat, sondern auch jetzt sieht: der verherrlichte Herr. Auf das zu schauen
und von Christus her die Wirklichkeit tiefer zu erfassen, besser zu verstehen, auch
besser zu wissen, was unsere Aufgabe als Christen ist – das ist sicher das Anliegen
von Papst Benedikt. (rv 31.08.2007 gs)