2007-08-31 16:14:38

Österreich: Kardinal Schönborn im Interview


RealAudioMP3 Papst Benedikt kommt zum 850-Jahr-Jubiläum von Mariazell nach Österreich. Gudrun Sailer hat vorab mit dem Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn gesprochen und gefragt: Hätte sich der Papst, wenn wir einen Schritt zurücktreten und Mariazell aus der Außenperspektive betrachten, einen besseren Ort aussuchen können, um die christliche Seele Europas aufleuchten zu lassen?


Sie bringen mich in Verlegenheit mit dieser Frage, denn wenn ich jetzt sage, er hätte keinen besseren suchen können, wird man an anderen Orten sagen: Doch, doch, Tschenstochau oder Loreto, wo er jetzt ja hinfährt, oder auch Le Puys in Frankreich. Aber Mariazell ist, wie mein Mitbruder Bischof Kapellari immer zu sagen pflegt, eine europäische Adresse. Insofern ist es wahr, dass von hier aus auch ein Wort des Glaubens und der Ermutigung an Europa ausgehen kann und wahrscheinlich auch ausgehen wird vom Papst.

Als Kardinal Joseph Ratzinger vor mehr als zwei Jahren Papst geworden ist, waren im ersten Moment nicht alle glücklich. Staunen Sie manchmal, wie viel Vorfreude die Menschen in Österreich Papst Benedikt heute entgegenbringen?


Schon. Ich muss sagen, bei jedem Papstbesuch, auch bei den drei Besuchen von Johannes Paul, gab es immer auch kritische Stimmen, es gibt sie auch jetzt. Aber sie sind erstaunlich zurückhaltend, und ich denke, das hat auch damit zu tun, dass gerade die kritische Intelligenz, die Kreise, die sonst gerne die Kirche vom Intellektuellen her kritisieren, in Papst Benedikt eine so überragende Persönlichkeit finden, auch was das geistige Niveau betrifft, die geistige Auseinandersetzung betrifft, dass schon auf dieser natürlichen Ebene eine großer Respekt vor ihm da ist. Aber dann kommt sicher dazu für viele Gläubige die Freude darüber, dass eben Petrus kommt, dass der Vikar Jesu Christi zu uns kommt. Und dass das für den Glauben ein ganz großes Ereignis ist.

Österreichs Kirche hat schlimme Momente der Krise überwunden. Es geht wieder aufwärts, aber innerkirchliche Spannungen sind dennoch vorhanden. Wo verlaufen die Bruchlinien?


Ich weiß nicht, ob das Bruchlinien sind, ich würde eher sagen, ein Körper, der gar keine Spannung mehr hat, ist ein toter Körper. Und die Spannungen gehören einfach dazu! Es gibt die, die finden, dass alles viel zu langsam geht, und es gibt die, die finden, es geht alles viel zu schnell oder es muss alles bleiben, wie es ist. Das ist ganz normal, das ist schon in einer Familie so, und das ist auch in der Gemeinschaft der Kirche so. Die Frage ist dann immer, gelingt es, die Einheit, das Band der Einheit durch die Liebe und den Frieden Christi zu wahren. Gelingt es, die Gemeinsamkeit über die Verschiedenheit zu stellen. Ich denke, das ist im Moment in Österreich doch weitgehend der Fall. Es gab ganz große Spannungen noch vor zehn Jahren, vor acht Jahren, die wirklich Zerreißproben für die Kirche waren. Ich glaube, dass sich das weitgehend gelegt hat. Wir dürfen natürlich nicht übersehen, dass das Ganze schon auch viele Opfer gekostet hat, dass viele sich von der Kirche abgewendet haben und weiter abwenden, weil es ihnen nichts mehr sagt oder weil sie niemanden finden, der ihnen sagt, was es sagt.

Nun ist die Botschaft dieser päpstlichen Pilgerfahrt: Auf Christus schauen. Was kann Papst Benedikt damit allen Katholiken, ja vielleicht sogar den Nicht-Katholiken sagen?


Kardinal Ratzinger hat immer wieder ein chinesisches Sprichwort zitiert: „Wer auf sich schaut, strahlt nicht.“ Und er hat das gerne auch in Bezug auf die Kirche gesagt. Eine Kirche, die nur auf sich schaut und nur von sich redet, die hat keine Strahlkraft, interessiert auch letztlich nicht. Die Kirche hat eine Aufgabe: Christus zu zeigen. Das war schon das große Thema beim Katholikentag in Mariazell vor drei Jahren, der Wunsch, Christus zu zeigen, auf Christus zu zeigen. Papst Benedikt hat für seine Reise das Motto gewählt: Auf Christus schauen. Also in gewisser Weise auch: Wegschauen von sich selber, nicht Nabelschau betreiben. Auf Christus schauen und in seinem Blick das finden, was er den Menschen schenken will. Den Blick seiner Liebe, seiner Barmherzigkeit, die Art, wie er den Menschen und die Dinge sieht, nicht nur gesehen hat, sondern auch jetzt sieht: der verherrlichte Herr. Auf das zu schauen und von Christus her die Wirklichkeit tiefer zu erfassen, besser zu verstehen, auch besser zu wissen, was unsere Aufgabe als Christen ist – das ist sicher das Anliegen von Papst Benedikt.
(rv 31.08.2007 gs)








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