Marina Nemat ist eine
junge christliche Iranerin, die bis vor wenigen Jahren Studentin war. Als 16-jährige
wurde sie in ihrem Land verhaftet, ins Gefängnis gesteckt und gefoltert. Das Gericht
verurteilte sie zum Tod. Nemats einziger Ausweg war die Heirat mit einem Gefängniswärter
und der Übertritt zum Islam.
„Nun es war ein Albtraum. Der Gefängniswärter
war einer, der mich gequält hatte, denn er war für die Folter zuständig. Er hatte
auch sichtlich Freude an seiner Tätigkeit, Leute Leid zuzufügen.“
Aus westlicher
Sicht bestand 1997 mit der Wahl von Präsident Mohammed Chatami Hoffnung auf Besserung
der Menschenrechtslage. Die Bemühungen erfuhren schließlich durch die Verleihung des
Friedensnobelpreises im Jahre 2003 an die iranische Menschenrechtsaktivistin Shirin
Ebadi internationale Beachtung. Die junge Iranerin Nemat betont aber, dass der
Iran auch mit Persönlichkeiten wie Chatami oder Shirin Ebadi sich nicht viel geändert
hat.
„Im Iran hat sich nichts verändert. Die Leute hier wissen, wenn sie
protestieren, dann werden sie in das berüchtigte Gefängnis von Evin eingeliefert.
Iran ist zu einem Land voller Ängste geworden. Die Leute haben gelernt, ihren Mund
zu halten. Und im Gefängnis von Evin hat sich seit Jahren nichts geändert.“
Im
Evin Gefängnis sitzt in seinem politischen Flügel die Intelligenzija des Landes ein:
Politiker, Schriftsteller, Chefredakteure, Verleger, Geistliche und abgesetzte Minister.
In den weniger gepflegten und häufig überbelegten Trakten werden Personen gefangen
gehalten, die - nach westlichem Verständnis - sich keiner oder geringfügige Vergehen
schuldig gemacht haben: Händeschütteln mit Frauen, Demonstrationen gegen die Unterdrückung
von Frauen, Nachlässigkeiten beim Tragen des Schleiers, regierungskritische Äußerungen
von Schriftstellern. Auch Hinrichtungen finden hier statt, wie zum Beispiel Steinigungen
nach der Verurteilung wegen Ehebruchs. Auch Marina Nemat saß hier über zwei Jahre
ein. Sie beschreibt ihre Erlebnisse in einer Biographie das seit Juli 2007 auch auf
deutsch vorliegt. Von ihren Zellengenossinnen im Trakt 246 soll keine die Haftzeit
überlebt haben. Während der Haftzeit von Nemat war nach ihren Angaben der Trakt, der
in Schah-Zeiten mit 50 Personen belegt war, mit 650 Frauen belegt. Änderungen können
im Iran nur durch den internationalen Druck erreicht werden, ist Marina Nemat überzeugt.
„Denn
der Druck der internationalen Gemeinschaft ist sehr wichtig. Die iranische Regierung
weiß, dass es nicht egal ist, was die Weltöffentlichkeit denkt. Aber alle Katholiken
und Christen auf der Welt müssen zuerst wissen, wie das Leben im Nahen Osten ist.
Die Christen müssen unser Alltagsleben kennen. Ich denke, dass Katholiken und Christen
im Allgemeinen die Pflicht haben, nicht wegzuschauen sondern eine klare Meinung dazu
haben und diese auch preisgeben.“ (rv 30.08.2007 mg)