Belgien steckt politisch
in einer Sackgasse. Nach 70 Verhandlungstagen ist es dem flämischen Christdemokraten
Yves Leterme nicht gelungen, eine Koalition zwischen den flämischen und den wallonischen
Parteien zu bilden. Nach dem Scheitern der Koalitionsgespräche gab Leterme den Auftrag
zur Regierungsbildung am Donnerstagabend an König Albert II. zurück. Hintergrund sind
separatistische Tendenzen zwischen dem flämischsprachigen Norden und dem französischsprachigen
Wallonien im Süden, die weitgehend unbemerkt von der europäischen Öffentlichkeit seit
Jahrzehnten in dem Land schwelen. Unsere Kollegen vom französischsprachigen Programm
haben mit dem Bischof von Namur, André-Mutien Léonard, gesprochen und ihn um eine
Einschätzung aus kirchlicher Sicht zu geben:
„Natürlich wünschen wir uns,
dass das Land so schnell wie möglich aus dieser Sackgasse herauskommt und dass eine
Lösung gefunden wird, sowohl die Einheit des Landes zu wahren als auch die legitimen
Forderungen der verschiedenen Bevölkerungsgruppen zu berücksichtigen. Wir wissen,
dass es leicht ist, sich das zu wünschen, dass es aber nicht ebenso leicht, dies auch
konkret umzusetzen. In der Tat, unsere beiden Bevölkerungsgruppen entwickeln sich
auseinander…“
Die Kirche Belgiens sei innerlich geeint, häufig fänden Konsultationen
zwischen den Bischöfen der beiden Landesteile zu Fragen statt, die alle betreffen.
So etwas, so der Bischof, müsse doch auch politisch möglich sein:
„Es ist
offensichtlich, dass das Land aus zwei Teilen besteht, die sich sehr unterscheiden.
Nichtsdestotrotz sind wir dazu „verdammt“, zu einer Einigung zu kommen, bis hin zu
inneren Einheit in einem föderalen Staat. Gar nicht auszudenken, wenn sich Belgien
den Luxus erlauben würde, sich radikal zu spalten. Im Ausland haben wir den Ruf, das
Volk der Kompromisse zu sein, so dass man sogar von „belgischen" Kompromissen spricht.
Allerdings, ich muss sagen: die jetzige politische Krise ist sehr ernsthaft.“
Auch
wirtschaftlich sei das Land eng miteinander verflochten, kulturelle Differenzen seien
kein Grund für eine Spaltung des Landes:
„Auch wenn wir sehr unterschiedliche
Kulturen haben, leben wir seit zwei Jahrhunderten in demselben Staat zusammen, und
wir haben trotz der Unterschiede und jenseits der Sprachgrenzen dieselben Prägungen,
und dem sollte man Beachtung schenken. Aber ich verstehe, dass die Aufgabe nicht leicht
ist.“