2007-08-19 18:54:38

EU: Pöttering verteidigt Rolle der Kirche


Der Präsident des europäischen Parlaments, Hans-Gert Pöttering, hat die völkerrechtliche Rolle der Katholischen Kirche verteidigt. Er wandte sich gegen Vorschläge, den Heiligen Stuhl nur noch als "Nichtregierungsorganisation" (NGO) zu verstehen. Pöttering nimmt zur Zeit an einem Treffen der katholischen Bewegung „Communione e Liberazione“ in Rimini teil.
Lesen Sie hier das Interview:


    Der Heilige Stuhl spielt auf der Weltbühne eine ganz besondere Rolle, es mehren sich allerdings die Vorstöße (u.a. von der Regierung von Uganda, oder auch der britischen Zeitung „The Economist“), den diplomatischen Sonderstatus des Heiligen Stuhls zu beschneiden, und ihn nur als eine Nichtregierungsorganisation zu behandeln. Was halten sie von diesen Vorstößen?


Ich glaube, dass dies keine guten Vorschläge sind, denn wir stehen in der Kontinuität unserer europäischen und auch christlichen Geschichte. Es stellt auch niemand – weil Sie ja Großbritannien genannt haben – das Commonwealth in Frage, da könnte man ja auch sagen, das ist etwas, das nicht in unsere Zeit gehört. Ich denke, dass der spirituelle Einfluss der Kirche dadurch noch unterstützt werden kann, dass die Kirche die Rolle spielt, die sie heute auch staats- und völkerrechtlich in der Welt spielt. Diese Position der Kirche wird ja nicht zu irgendwelchen Zwecken der Dominanz und der Vorherrschaft gebraucht, sondern sie wird ja genutzt, um den Menschen zu dienen. Deswegen sollte man auch die offizielle Funktion der Kirche im diplomatischen Sinne im Dienst der Menschen sehen. Da hat diese staats- und völkerrechtliche Position der Kirche einen großen Wert, und wir sollten das verteidigen!

    Sie nehmen an dem Treffen von „Communione e Liberazione“ in Rimini teil, und sprechen auf einem Podium zum Thema „Welche Identität für Europa.“ Was glauben Sie gehört wesentlich zur Identität Europas?


Wir haben eine lange europäische Geschichte, die bestimmt ist von vielen geistigen und religiösen Entwicklungen, und zu unserer europäischen Identität gehört ohne jeden Zweifel die griechische Philosophie, das römische Recht, die Aufklärung, aber insbesondere auch unser christliches Erbe. Der Kern dieses christlichen Erbes ist die Würde des Menschen; das ist für uns als Christen sozusagen das Herz unserer europäischen Identität.


    Dass Europa vor allem christliche Wurzeln hat ist klar. Dennoch fürchten manche einen neuen Hegemonieanspruch der Kirche. Wie glauben Sie könnten die christliche Wurzeln im aktuellen politischen Diskurs zum Tragen kommen?


Wir sind in der europäischen Union, wie auch in den Mitgliedsstaaten der europäischen Union eine pluralistische Gesellschaft; kein Teil der Gesellschaft hat die vorherrschende Stellung; niemand hat eine Dominanz. Jede gesellschaftliche Gruppierung, jedes Bekenntnis, jede politische Meinung kann die Chancen nutzen, um sich in der Gesellschaft Gehör zu verschaffen. Ich als Christ bekenne mich dazu, dass wir insbesondere die Würde des Menschen in den Mittelpunkt stellen sollten. Jeder Mensch ist einzigartig, unabhängig von seinen finanziellen oder intellektuellen Möglichkeiten, unabhängig von der Frage, wo man herkommt: Jeder hat seinen eigenen Wert; und dieses deutlich zu machen und auch den Wert des Lebens deutlich zumachen, glaube ich, ist das wirklich christlich.


    Trotz des Erfolgs von Europa gibt es aber immer noch eine ganze Reihe von Schwierigkeiten, Stichwort Arbeitslosigkeit, Verteilungsgerechtigkeit unter den Ländern, bioethische Fragestellungen, die zum Teil sehr unterschiedlich geregelt sind wie Euthanasie und in der Forschung. Kann da die beschworene „Identität Europas “ eine Rolle zur Lösung der Probleme spielen?


Zunächst einmal muss man immer wieder darauf hinweisen – und Christen haben dafür ein besonderes Verständnis – dass es die vollkommene Gesellschaft, oder anders ausgedrückt, das Paradies auf Erden, nicht geben kann und nie geben wird. Deswegen wird es immer Defizite, immer Unzulänglichkeiten geben. Der Mensch ist mit der Freiheit ausgestattet, das bedeutet auch, dass der Mensch mit anderen in einem ständigen Dialog und Ringen ist um die richtigen Wege oder auch um die Wahrheit. Und da ist es nur ganz natürlich, dass man nach Wegen sucht, wie wir am besten das menschliche Leben verteidigen können. Dass es da unterschiedliche Meinungen gibt, das entspricht unserm Intellekt und den Möglichkeiten, die der Mensch aufgrund seines freien Willens hat. Das ist etwas ganz Natürliches.


    Was erhoffen Sie sich von diesem Treffen?


Ich erhoffe mir von diesem Treffen, dass es ein Dialog sein wird über den Weg dieser Welt, über den Weg Europas. Für mich ist es das erste Mal, dass ich als Präsident des europäischen Parlamentes bin. Aber ich war schon vor zwei Jahren in meiner Eigenschaft als Vorsitzender der Europäischen Volkspartei (EVP) im europäischen Parlament, der Fraktion der Christdemokraten. Ich finde es eine wunderbare Sache, dass es hier einen Dialog gibt, natürlich vorrangig unter Italienern, aber mit Persönlichkeiten aus aller Welt. Hierzu einen Beitrag zu leisten aus der Sicht des europäischen Parlaments, ist eine schöne Sache, und deswegen habe ich die Einladung meines Kollegen und Freundes, des Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments Mario Mauro sehr gerne angenommen. Es muss darum gehen, das Werden Europas, die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union, die Werte der Europäischen Union hier deutlich zu machen, und ich bin dankbar dafür, dass mir diese Möglichkeit gegeben wird.


Das Gespräch führte P. Max Cappabianca OP
(rv 19.08.2007 mc)










All the contents on this site are copyrighted ©.