In Kabul dauern die
Gespräche der Religions- und Stammesführer aus Afghanistan und Pakistan über ein Ende
terroristischer Gewalt an. Rund 650 Vertreter zahlreicher Stämme beraten seit zwei
Tagen über Maßnahmen zum gemeinsamen Kampf gegen den Terrorismus; die Taliban, Hauptverantwortliche
islamistischen Terrors, hatte allerdings zum Boykott des Treffens aufgerufen. Dennoch
ist die so genannte „Friedens-Dschirga“ eine erfreuliche Premiere: Erstmals tritt
eine Versammlung zusammen, an der Vertreter Afghanistans und Pakistans miteinander
über Möglichkeiten zur Terrorbekämpfung sprechen. Ausländische Delegationen nehmen
an der Konferenz nicht teil. Für den Afghanistan-Experten Matin Baraki hat die westliche
Welt viele Fehler in der Region gemacht.
„Sowohl die Vereinten Nationen
als auch die EU und die Nato haben sich in Afghanistan diskreditiert. Da sie eine
negative Rolle gespielt haben, sollten sich diese Institutionen von dem Afghanistan-Konflikt
fernhalten. Afghanistan war Gründungsmitglied der Blockfreienstaaten; Afghanistan
ist Gründungsmitglied der ´Konferenz islamischer Staaten´. Man sollte eher die Länder
der islamischen Konferenz sowie die ´blockfreien Staaten´ dazu bitten, eine stärkere
Rolle zu spielen. Auch wäre es wünschenswert, wenn der Papst ebenfalls zur Versöhnung
unter den Afghanen beitragen könnte. Das wäre eine sehr gute Sache.“
Religions-
und Stammesführer, erklärt Baraki, genießen in Afghanistan von Haus aus eine hohe
Autorität.
„Manchmal ist es so, dass ein Religionsführer gleichzeitig auch
ein Stammesführer ist. Diese Leute haben einen sehr großen Einfluss und genießen auch
viel Respekt in der afghanischen Bevölkerung. Wenn sie etwas entscheiden, dann wird
das im Allgemeinen auch von ihrem Stamm oder ihrer Religionsgemeinde akzeptiert. Die
Dschirga hat eine sehr lange Tradition in der afghanischen Geschichte. Afghanistan
ist ja eine Stammesgesellschaft, und wenn da etwas stattfindet wie beispielsweise
eine Auseinandersetzung, dann geht man nicht zur Polizei, sondern man beruft eine
Dschirga ein. Dschirga bedeutet nichts anders als ‚Rat’ oder ‚Versammlung’.“
Matin
Baraki ist Lehrbeauftragter an den Universitäten Marburg, Kassel und Giessen. Sein
Spezialgebiet ist islamischer Fundamentalismus.